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L2 DienstrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Pensionsordnung 1966, LGBl. für Wien 19/1967 idF der 6. Nov. LGBl. 40/1984; Feststellung der Verfassungswidrigkeit einiger Wendungen in §39a Abs1 und Abs2 betreffend Ruhen des Versorgungsbezuges einer Witwe bei gleichzeitigem Erwerbseinkommen wegen Verstoßes gegen den GleichheitssatzSpruch
I. Im §39a der Pensionsordnung 1966, LGBl. für Wien Nr. 19/1967, in der Fassung der 6. Nov. zur Pensionsordnung 1966, LGBl. Nr. 40/1984, waren verfassungswidrig:
Die Wendungen "oder die Witwe", "oder Versorgungs" und "das der Witwe 75 vH" in Abs1 erster Satz, "oder Versorgungs" und "und bei der Witwe 150 vH" in Abs1 zweiter Satz sowie "oder der Witwe" in Abs2.
Der Landeshauptmann von Wien ist verpflichtet, diese Feststellung unverzüglich im Landesgesetzblatt kundzumachen.
II. Im übrigen wird das Gesetzesprüfungsverfahren eingestellt.
Begründung
Entscheidungsgründe:
A.I. Die Bf. des anhängigen Beschwerdeverfahrens B44/86, welche in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Wien steht, bezieht als Witwe nach einem Beamten der Wiener Stadtwerke-Verkehrsbetriebe einen Witwenversorgungsgenuß. Mit dem im Instanzenzug erlassenen Bescheid vom 3. Dezember 1985 stellte der Berufungssenat der Stadt Wien unter Bezugnahme auf §39a Abs1 bis 3 und 6 der Pensionsordnung 1966, LGBl. für Wien 19/1967, idF der 6. Nov., LGBl. 40/1984, fest, daß vom Versorgungsbezug der Bf. mit Wirkung vom 1. Juli 1985 ein Betrag von 3.889,50 S monatlich ruht. Hiebei handelt es sich um den sogenannten Höchstbetrag nach §39a Abs1 der Pensionsordnung 1966, der dem halben Anfangsgehalt eines Beamten der Verwendungsgruppe E entspricht. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde.
II. Aus Anlaß dieser Beschwerde hat der VfGH beschlossen, gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen das gegenwärtige Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des unter der Überschrift "Ruhen des Ruhe- oder Versorgungsbezuges" stehenden §39a der Pensionsordnung 1966 idF der 6. Nov. zur Pensionsordnung 1966, LGBl. 40/1984, einzuleiten, welcher folgenden Wortlaut hat:
"§39a. (1) Bezieht der Beamte oder die Witwe aus einer gleichzeitig ausgeübten Erwerbstätigkeit ein Erwerbseinkommen, so ruht der Ruhe- oder Versorgungsbezug bis zum Betrag des halben Anfangsgehaltes der Verwendungsgruppe E insoweit, als das für den Kalendermonat gebührende Erwerbseinkommen des Beamten 50 vH, das der Witwe 75 vH des Anfangsgehaltes der Verwendungsgruppe E übersteigt. Das Ruhen tritt überdies höchstens in dem Ausmaß ein, in dem die Summe aus Ruhe- oder Versorgungsbezug und Erwerbseinkommen beim Beamten 100 vH und bei der Witwe 150 vH des Anfangsgehaltes der Verwendungsgruppe E übersteigt.
(2) Vom Erwerbseinkommen sind für jedes Kind, für das dem Beamten oder der Witwe ein Steigerungsbetrag der Haushaltszulage gebührt, 25 vH des Anfangsgehaltes der Verwendungsgruppe E abzusetzen. Gleiches gilt, wenn ein Steigerungsbetrag nur deshalb nicht gebührt, weil das Kind Anspruch auf Waisenversorgung hat.
(3) Bei Anwendung des Abs1 sind die Haushaltszulage und die Hilflosenzulage außer Betracht zu lassen.
(4) Gebühren gleichzeitig ein Ruhe- und ein Witwenversorgungsbezug nach diesem Gesetz, dann tritt das Ruhen nur beim Ruhebezug ein.
(5) Die Abs1 bis 4 sind nicht anzuwenden,
a)
wenn gleichzeitig Anspruch
auf eine Pension aus der
gesetzlichen
Sozialversicherung
besteht, diese Pension
wegen eines Erwerbseinkommens zum Teil
oder zur Gänze ruht und
das Ruhen nicht durch die Erhöhung eines Pensionszuschusses des
ehemaligen Dienstgebers
ausgeglichen wird oder
b)
wenn gleichzeitig Anspruch
auf eine höhere Pension
auf Grund
pensionsrechtlicher
Vorschriften einer anderen
Gebietskörperschaft
besteht und diese Pension
wegen eines Erwerbseinkommens zum Teil
oder zur Gänze ruht.
(6) Als Erwerbseinkommen gilt bei einer unselbständigen Erwerbstätigkeit das aus dieser Tätigkeit gebührende Entgelt. Ausgenommen sind jedoch Bezüge, die für einen größeren Zeitraum als den Kalendermonat gebühren (zB 13. und 14. Monatsbezug, Sonderzahlungen, Belohnungen). Ist innerhalb eines Kalenderjahres (der zweiten Hälfte des Jahres 1985) das Entgelt in jenen Kalendermonaten, in denen Anspruch auf Ruhe-(Versorgungs-)bezug bestanden hat, nicht gleich hoch gewesen, oder war der Beamte (die Witwe) während dieser Kalendermonate nicht ständig erwerbstätig, so ist auf Antrag das im Durchschnitt auf die genannten Kalendermonate entfallende Entgelt als monatliches Erwerbseinkommen anzusehen, wenn es für den Beamten (die Witwe) günstiger ist. Ein solcher Antrag ist bis 31. März des folgenden Kalenderjahres zu stellen.
(7) Als Erwerbseinkommen gilt bei einer selbständigen Erwerbstätigkeit je Kalendermonat ein Zwölftel des im selben Kalenderjahr aus dieser Tätigkeit bezogenen Einkommens; solange das Jahreseinkommen nicht feststeht, ist das Einkommen des vorletzten Kalenderjahres heranzuziehen, es sei denn, daß die selbständige Erwerbstätigkeit später aufgenommen wurde oder der Beamte (die Witwe) glaubhaft macht, daß die Höhe des Einkommens im laufenden Kalenderjahr entscheidend von der des vorletzten Kalenderjahres abweichen wird."
Im Einleitungsbeschluß ging der VfGH davon aus, daß die wiedergegebene Vorschrift eine sprachlich und inhaltlich nicht trennbare Einheit bilde; der Vergleich mit §40a des Pensionsgesetzes 1965, BGBl. 340, idF des BG BGBl. 406/1984 zeige, daß beide Paragraphen - mit unwesentlichen Abweichungen übereinstimmen. Gegen §39a der PensionsO 1966 idF der 6. Nov. bestünden nun die gleichen Bedenken, die den Gerichtshof veranlaßten, mit dem Beschluß B464/85 vom 13. Oktober 1986 ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §40a des PensionsG 1965 einzuleiten (ausgenommen die im Hinblick auf Art. 21 B-VG geäußerten); auf die Begründung dieses Prüfungsbeschlusses wurde hingewiesen.
III. Die Wiener Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie die Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Gesetzesvorschrift teilweise bestritt, auf deren Änderung durch die (mit 1. August 1986 in Kraft getretene) 7. Nov. zur PensionsO 1966, LGBl. 34/1986, hinwies sowie die Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung genommenen Vorschriften verteidigte.
IV. Der VfGH stellte es auch den übrigen Landesregierungen sowie der Bundesregierung anheim, sich zu äußern. Diese Gelegenheit nahm bloß die Tiroler Landesregierung wahr, welche ihre im Gesetzesprüfungsverfahren G184/87 (und Folgezahlen) betreffend §40a PensionsG 1965 - erstattete Äußerung inhaltlich wiederholte.
B.I. Im Bereich der Prozeßvoraussetzungen wendet sich die Wiener Landesregierung gegen die Ansicht des Einleitungsbeschlusses, daß §39a PensionsO 1966 eine sprachlich und inhaltlich nicht trennbare Einheit bilde. Sie hält vielmehr die Regelung über das Ruhen des Ruhebezuges von Beamten von der über das Ruhen des Versorgungsbezuges von Witwen für trennbar und demnach - aus der Sicht des Anlaßfalles - nur jene Bestimmungen im §39a für präjudiziell, die das Ruhen des Versorgungsbezuges einer Witwe bei gleichzeitigem Erwerbseinkommen betreffen.
Der VfGH pflichtet diesem Einwand der Wiener Landesregierung bei und verweist - unter Bedachtnahme auf die nahezu vollständige wörtliche Übereinstimmung des §39a der PensionsO 1966 mit §40a des PensionsG 1965 - auf den (hier sinngemäß zutreffenden) die Präjudizialität betreffenden Teil der Entscheidungsgründe seines Erk. G184/87 (und Folgezahlen) vom 16. März 1988, mit dem §40a des PensionsG 1965 als verfassungswidrig aufgehoben wurde. Im Hinblick auf die Sachlage im Beschwerdefall B44/86 erscheinen somit nachstehende Wendungen im §39a der PensionsO 1966 (idF der Nov. LGBl. 40/1984) als präjudiziell: "oder die Witwe", "oder Versorgungs" und "das der Witwe 75 vH" in Abs1 erster Satz, "oder Versorgungs" und "und bei der Witwe 150 vH" in Abs1 zweiter Satz sowie "oder der Witwe" in Abs2. Das Prüfungsverfahren ist daher auf diese Wendungen in den Absätzen 1 und 2 des §39a zu beschränken und im übrigen einzustellen.
II. In der Sache bleibt der VfGH auf dem in seinem Erk. G 184/87 eingenommenen Standpunkt, daß Ruhensbestimmungen der gegebenen Art, insbesondere solche über das Ruhen des Versorgungsbezuges des überlebenden Ehegatten (bei der hier bestehenden Gesetzeslage: der Witwe), mit dem auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgebot nicht vereinbar sind. Der Gerichtshof nimmt hiebei wiederum auf die Entscheidungsgründe seines angeführten Erkenntnisses Bezug, die unter Berücksichtigung des Umstandes, daß das Pensionssystem des PensionsG 1965 und das der PensionsO 1966 einander weitreichend entsprechen (vgl. etwa §2 Abs1 des PensionsG 1965 mit §2 Abs1 der PensionsO 1966) sinngemäß auch über die verfassungsrechtliche Beurteilung des vorliegenden Gesetzesprüfungsfalles voll Aufschluß geben und auch die im meritorischen Bereich erhobenen Einwände der Wiener Landesregierung beantworten. (In diesem Zusammenhang sei noch darauf hingewiesen, daß - nach dem Vorbringen der Wiener Landesregierung - die Einsparung lediglich 19 Mio. S ausmacht und bloß rd. 400 Pensionsempfänger im Hinblick auf ein Erwerbseinkommen betroffen sind.) Die in Prüfung stehenden Wendungen der Absätze 1 und 2 des §39a der PensionsO 1966 (idF der Nov. LGBl. 40/1984) widersprechen sohin dem in der Bundesverfassung verankerten Gleichheitssatz.
III. Zu Recht macht die Wiener Landesregierung auf die Auswirkungen der mit 1. August 1986 in Kraft getretenen 7. Nov. zur Pensionsordnung 1966, LGBl. 34/1986, in dieser Gesetzesprüfungssache aufmerksam. Da der Abs1 im §39a (durch ArtI Z35 dieser Novelle) insgesamt eine neue Fassung erhielt und der im Abs2 dieses Paragraphen enthaltene Ausdruck "der Witwe" (durch ArtI Z36) durch einen anderen Ausdruck (nämlich: "dem überlebenden Ehegatten") ersetzt wurde, gehören die in Prüfung stehenden Wendungen nicht mehr dem geltenden Rechtsbestand an. Der Gerichtshof hat sich daher auf den Ausspruch zu beschränken, daß diese Wendungen verfassungswidrig waren.
IV. Der VfGH übersieht keineswegs, daß der Wiener Landtag am 27. Mai 1988 einen Gesetzesbeschluß über eine 8. Nov. zur Pensionsordnung 1966 gefaßt hat, deren ArtI Z6 die Aufhebung des §39a der PensionsO 1966 (mit dem Inkrafttreten der Nov. mit 1. Juli 1988) vorsieht. Die zitierte Novellenbestimmung geht auf einen Abänderungsantrag der Landtagsabgeordneten Dr. Swoboda, Dr. Goller und Dr. Hirnschall zurück, in dessen Begründung unter Bezugnahme auf das hg. Erk. G184/87 ausgeführt wird, daß §39a der PensionsO 1966 deshalb mit 30. Juni 1988 beseitigt werden soll, weil dessen Vorschriften von der Aufhebung durch den VfGH bedroht sind. Aus Anlaß der vorliegenden Gesetzesprüfungssache hatte der Gerichtshof auf diesen Legislativakt (dessen zitierte Materialien das Bemühen um die Wiederherstellung einer verfassungsrechtlich einwandfreien Gesetzeslage deutlich zum Ausdruck bringen) jedoch nicht einzugehen, weil die Kundmachung der 8. Nov. zur PensionsO 1966 bis zum Zeitpunkt der Fällung dieser Entscheidung noch nicht vorgenommen wurde.
V. Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Die Verpflichtung des Landeshauptmannes zur Kundmachung der getroffenen Feststellung stützt sich auf Art140 Abs5 erster und zweiter Satz B-VG.
Schlagworte
VfGH / Präjudizialität, Dienstrecht, Ruhensbestimmungen, VfGH / PrüfungszeitpunktEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1988:G10.1987Dokumentnummer
JFT_10119383_87G00010_00