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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §115 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der Raiffeisenkasse X-reg. Genossenschaft m.b.H. gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Salzburg (Berufungssenat II) vom 6. September 1990, Zl. 70-GA4BK-DVie/90, betreffend Wiederaufnahme und Neufestsetzung der Körperschaftsteuer 1987 und der geänderten Gewerbesteuer 1987 sowie des Einheitswertes des Betriebsvermögens, der Vermögensteuer und Erbschaftssteueräquvalents ab 1. Jänner 1988, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin hat in ihrem Jahresabschluß 1987 in der Bilanz unter den Aktiva (Ausleihungen) eine "Pauschalvorsorge" von S 2,188.502,-- abgezogen und aus demselben Titel einen gleich hohen Betrag in der Gewinn- und Verlustrechnung unter Aufwendungen "aus der Bewertung und Veräußerung von Ausleihungen und Wertpapieren sowie aus Handelsgeschäften" ausgewiesen.
Bei einer abgabenbehördlichen Prüfung beanstandete der Prüfer diese Position als zusätzlich zur Haftrücklage (einschließlich Sonderhaftrücklage) gemäß § 14 Abs. 3 KStG 1988 unzulässige pauschale Wertberichtigung für Forderungen.
Das Finanzamt nahm auf Grund dieses Berichtes die Abgabenfestsetzungsverfahren von Amts wegen wieder auf und setzte die Abgaben und den Einheitswert des Betriebsvermögens nach Ausscheidung der erwähnten Abzugspost neu fest.
In der Berufung bestritt die Beschwerdeführerin einen Wiederaufnahmsgrund und behauptete, bei der "Pauschalvorsorge" handle es sich nicht um eine pauschale Wertberichtigung, sondern um eine Einzelwertberichtigung in pauschalierter Form (3 v.H.) für "Überziehungen bzw. Rückstände von Kredit- und Darlehenskonten" nach Ausscheidung gewisser Überziehungen bzw. Rückstände aus der Bemessungsgrundlage (z.B. an Gemeinden, gewährte Internkredite, Überziehungen und Rückstände unter S 10.000,--).
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Der Wiederaufnahmsgrund sei gegeben, weil der Sachverhalt in den Steuererklärungen nicht ausreichend offengelegt worden sei, sodaß die geschilderten Tatsachen erst durch die abgabenbehördliche Prüfung hervorgekommen seien. Die "Pauschalvorsorge" sei keine Einzelwertberichtigung in pauschalierter Form. Sie bilde keine Vorsorge für ein erhöhtes Ausfallsrisiko, weil die Überziehung auf den Kredit- und Darlehenskonten als solche kein weiteres Risiko als das bereits durch die Haftrücklage ausreichend berücksichtigte allgemeine Ausfallsrisiko begründe. In Wintersaisongebieten sei Überziehung bzw. Rückstand auf den Kredit- und Darlehenskonten der Kunden außerhalb der Saison nichts Außergewöhnliches. Sie stellten trotz Fehlens vertraglicher Regelungen und Sicherheiten kein erhöhtes Risiko dar, weil während der Saison generell wieder mit der Abdeckung zu rechnen sei.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch diesen Bescheid in ihrem Recht auf Unterbleiben der amtswegigen Wiederaufnahme des Verfahrens und in ihrem Recht auf Berücksichtigung der "Pauschalvorsorge" als Einzelwertberichtigung in pauschalierter Form verletzt. Sie behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Position "Pauschalvorsorge" fehlt im Jahresabschluß jede Erläuterung, die hätte erkennen lassen, ob sie als Pauschalwertberichtigung oder Einzelwertberichtigung gebildet worden ist, auf welche Ausleihungen (alle oder solche bestimmter Art und welche hievon) sie sich bezieht, und von welcher Bemessungsgrundlage sowie zu welchem Hundersatz sie berechnet wurde. Alle diese Tatsachen sind für die Beurteilung der Zulässigkeit der Abzugspost wesentlich und kamen erst auf Grund der abgabenbehördlichen Prüfung zutage. Die Voraussetzungen für die amtswegige Wiederaufnahme gemäß § 303 Abs. 4 BAO wurden von der belangten Behörde daher zu Recht bejaht. Die Verletzung der Ermittlungspflicht durch die Abgabenbehörde anläßlich der Veranlagung hindert die amtswegige Wiederaufnahme nicht; diese kann nämlich auch bei Verschulden der Behörde an der Unkenntnis der maßgebenden Umstände verfügt werden (vgl. Doralt-Ruppe, Grundriß des österreichischen Steuerrechts, Band II, 2. Aufl., Seite 217; Stoll, Bundesabgabenordnung Handbuch, Seite 726).
Die Behörde durfte auch davon ausgehen, daß Kenntnis der neu hervorgekommenen Umstände (pauschale Wertberichtigung übersteigt nicht erwiesenermaßen die Haftrücklage einschließlich einer Sonderhaftrücklage, Tatsachen zur Begründung einer Einzelwertberichtigung in pauschalierter Form liegen nicht vor) einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Die Beschwerdeführerin meint, ihre "Pauschalvorsorge" trage nicht undifferenziert dem allgemeinen Kreditrisiko Rechnung. Sie sei Einzelwertberichtigung in pauschalierter Form, weil sie dem erhöhten Risiko in den Fällen von Kontoüberziehungen und Tilgungsrückständen Rechnung trage.
Der Verwaltungsgerichtshof kann der Beschwerdeführerin darin nicht beipflichten, daß Kontoüberziehungen und Tilgungsrückstände, die bis zum Bilanzstichtag festgestellt wurden, konkrete Umstände seien, die für sich allein bereits eine über das allgemeine, durch die Haftrücklage bereits berücksichtigte Ausfallsrisiko hinausgehende Gefährdung anzeigten, die es erlaubte, Ausleihungen dieser Art unterschiedslos einer mit gleichem Hundertsatz bemessenen Einzelwertberichtigung zuzuführen. Weder bei einem Tilgungsrückstand, noch bei einer Kontoüberziehung muß nämlich eine vorübergehende oder dauernde Einstellung von Kreditrückzahlungen vorliegen, also jenes Beispiel verwirklicht sein, das in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Körperschaftsteuergesetz 1988 (622 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XVII. GP) zu § 14 erwähnt ist. Sowohl Tilgungsrückstand als auch Kontoüberziehung können nämlich, wie die Behörde ausgeführt hat, durchaus saisonbedingt sein und kann ihnen eine ausreichende Gewähr für Abdeckung zu gegebener Zeit des jeweiligen Jahres zugrundeliegen. Auch andere ausreichende Sicherheiten können bestehen. Die von der Beschwerdeführerin gebildete Gruppe von Ausleihungen (Tilgungsrückstand, Kontoüberziehung) dürfen daher nicht schon wegen ihrer Art einheitlich so behandelt werden, als seien sie weitergehend gefährdet, als dies dem allgemeinen Ausfallsrisiko entspricht, das bereits durch die Haftrücklage berücksichtigt ist. Eine Einzelwertberichtigung für die von der Beschwerdeführerin gebildete Kategorie zur "Pauschalvorsorge" in pauschalierter Form ist daher nicht gerechtfertigt. Somit verstößt der Ansatz "Pauschalvorsorge" im Jahresabschluß, wie sich erst auf Grund der neu hervorgekommenen Umstände anläßlich der abgabenbehördlichen Prüfung herausgestellt hatte, gegen § 14 Abs. 3 KStG 1988. Diese Bestimmung war gemäß § 26 Abs. 3 Z. 3 KStG 1988 erstmalig bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 1987 anzuwenden.
Dem angefochtenen Bescheid haftet daher im Rahmen des Beschwerdepunktes keine der behaupteten Rechtswidrigkeiten an, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990140242.X00Im RIS seit
19.02.1991