TE Vwgh Erkenntnis 1991/2/19 90/14/0224

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.02.1991
beobachten
merken

Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §115 Abs1;
BAO §119 Abs1;
BAO §250 Abs1;
BAO §303 Abs4;
EStG 1972 §18 Abs1 Z3;
EStG 1972 §18 Abs2 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat I) vom 30. Juli 1990, Zl. 30.589-3/90, betreffend Einkommensteuer 1984 bis 1986, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer wurde für den Streitzeitraum vom Finanzamt antragsgemäß zur Einkommensteuer veranlagt. Dabei wurden jeweils bis zum Höchstbetrag (§ 18 Abs. 2 Z. 4, 5a EStG 1972) Sonderausgaben für Kranken- und Lebensversicherung sowie für Wohnraumschaffung berücksichtigt.

Das Finanzamt nahm die Verfahren gemäß § 303 Abs. 4 BAO wieder auf und setzte die Steuern neu fest. Es ging dabei davon aus, daß Sonderausgaben für Wohnraumschaffung nicht zustünden und die Sonderausgaben für Beiträge an Versicherungen unter dem Höchstbetrag von S 33.000,-- jährlich lägen (1984: S 13.489,--, 1985: S 14.970,--, 1986: S 23.135,--).

Der Beschwerdeführer erhob Berufung gegen die "Bescheide über Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Einkommensteuer 1984 bis 1986", in der er vorbrachte, die Geltendmachung der Lebensversicherung sei auf Grund einer falschen Bankbestätigung erfolgt. 1986 sei für Lebensversicherung S 11.168,-- bezahlt worden. Außerdem berief er sich hinsichtlich der Krankenversicherung auf die gleichzeitig vorgelegten Versicherungsbestätigungen. Zu den Sonderausgaben für Wohnraumschaffung brachte er vor, die drei Fremdenzimmer seien keine eigenen Wohneinheiten, die eigenen Wohnzwecken dienende Fläche betrag mehr als 2/3 der Gesamtfläche. Der Beschwerdeführer stellte den Berufungsantrag, die Bescheide des Finanzamtes aufzuheben und Sonderausgaben "gemäß meiner Ausführungen für Personenversicherungen und für Wohnraumbeschaffung anzuerkennen".

Auf Grund einer vom Beschwerdeführer vorgelegten Kopie des Bauplanes und der von ihm vorgelegten Zahlungsbelege und Versicherungsbestätigungen entschied das Finanzamt über die Berufung mit Berufungsvorentscheidung. Dabei änderte es lediglich die Neufestsetzung der Einkommensteuer zum Vorteil des Beschwerdeführers durch Erhöhung der Sonderausgaben für Versicherungen um S 3.388,-- für 1984, um S 1.907,-- für 1985 und um S 1,-- für 1986. Die Sonderausgaben für Wohnraumschaffung wurden nicht anerkannt, weil zumindest zwei Appartements im Untergeschoß abgeschlossene Wohnungen seien, sodaß das Wohnhaus mit der vom Beschwerdeführer und seiner Familie selbst genutzten Wohnung mindestens aus drei Wohnungen bestehe; außerdem betrage die Gesamtfläche der drei kleinen Wohnungen, einschließlich ihres Anteils an Heizraum, Tankraum und Flur 93,07 m2 und damit mehr als 1/3 der Gesamtnutzfläche des Wohnhauses von 265,76 m2. Die der Vermietung dienende Fläche betrage 35,02 Prozent der Gesamtnutzfläche.

Der Beschwerdeführer beantragte die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz mit der Begründung, die Raummaße laut Bauplan stimmten mit den Naturmaßen nicht vollständig überein. Der vom Finanzamt angewendete Wohnstättenbegriff sei nicht zeitgemäß.

Die Abgabenbehörde zweiter Instanz forderte den Beschwerdeführer schriftlich unter anderem zur Beantwortung folgender Fragen auf:

1. Laut Mitteilung der Gemeinde an das Finanzamt über die bauliche Veränderung sei der Neubau des Wohnhauses und dreier Ferienwohnungen samt Garage planmäßig durchgeführt worden, während der Beschwerdeführer behaupte, es handle sich bei den Wohneinheiten um Gästefremdenzimmer. Zu dem Widerspruch werde um Stellungnahme gebeten.

2. Wurde das Wohnhaus planmäßig errichtet? Der Beschwerdeführer werde gebeten, die Benutzungsbewilligung und den behördlich genehmigten Bauplan im Original vorzulegen, weil die Kopie im Akt schwer lesbar sei.

3. In welchem Ausmaß dienten Heizraum, Tankraum, Flur und die Kellerräume Zwecken der Vermietung? Könne das Ausmaß unternehmerischer Nutzung nicht festgestellt werden, beabsichtige die Abgabenbehörde diese Räume im Verhältnis der selbst genutzten Wohnfläche zur Fläche der vermieteten Räume aufzuteilen (die Aufteilungsberechnung entspreche der der Berufungsvorentscheidung zugrundegelegten, jedoch unter Mitberücksichtigung der in der Berufungsvorentscheidung vernachläßigten Kellerräume im Ausmaß von 37,03 m2).

Der Beschwerdeführer beantwortete diese Anfrage innerhalb der ihm gesetzten Frist nicht.

Hierauf gab die belangte Behörde mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der Berufung nur in dem Ausmaß Folge, in dem dies durch die Berufungsvorentscheidung geschehen war. Sie ging davon aus, daß die Wiederaufnahmebescheide in Rechtskraft erwachsen seien. Der Einwand mangelnder Übereinstimmung der Maße laut Bauplan und der Naturmaße sei nicht durch detaillierte Angaben untermauert worden und erweise sich daher als unbegründet. Auf den Vorhalt habe der Beschwerdeführer nicht reagiert. Es bestünden daher keine Bedenken, bei Ermittlung des Flächenmaßes der einzelnen Räume, die Maße laut Aktenlage heranzuziehen. Unter Berücksichtigung des unwidersprochen gebliebenen Vorhaltes diene das Gebäude zu weniger als 2/3 eigenen Wohnzwecken des Beschwerdeführers, weil 37,6 Prozent der Fläche unternehmerisch genutzt werden. Es könne daher auf sich beruhen, ob die drei Wohneinheiten im Untergeschoß lediglich Fremdenzimmer darstellten.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinem Recht darauf verletzt, daß die Entscheidung über die neuerliche Steuerfestsetzung nicht vor Erledigung der Berufung gegen die Wiederaufnahme erfolge und daß die Sonderausgaben für Wohnraumschaffung anerkannt würden. Er behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt deshalb Bescheidaufhebung.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der belangten Behörde ist darin beizupflichten, daß die Berufung des Beschwerdeführers - ungeachtet ihrer Bezeichnung - im Hinblick auf ihren Inhalt nicht als solche gegen die Wiederaufnahmebescheide anzusehen war. Der Beschwerdeführer hatte nämlich in der Berufung selbst vorgebracht, daß die Sonderausgaben hinsichtlich der Versicherungen auf Grund falscher Bankbestätigungen geltend gemacht worden waren. Da die Veranlagung durch das Finanzamt antragsgemäß erfolgt war, der Beschwerdeführer in der Berufung nicht behauptet hatte, das Finanzamt habe bei Veranlagung die Unrichtigkeit der Bestätigungen und die richtigen Zahlungen an die Versicherungen gekannt, im Berufungsantrag aber die Anerkennung von Sonderausgaben für Personenversicherungen gemäß den Ausführungen in der Berufung begehrt wurde, war klar, daß sich die Berufung in Wahrheit nicht gegen die Wiederaufnahme der Verfahren, sondern nur gegen die Neufestsetzung der Steuer richtete, zumal die Berufung außer den Gesichtspunkten, die sogar für die Wiederaufnahme sprachen, inhaltlich nichts vortrug, was gegen die Zulässigkeit der Wiederaufnahme sprechen könnte.

Daß hinsichtlich der Versicherungen als Sonderausgaben die Voraussetzungen zur Wiederaufnahme von Amts wegen vorlagen, stellt auch die Beschwerde nicht in Abrede.

Es war daher nicht rechtswidrig, daß die belangte Behörde von der Rechtskraft der Wiederaufnahmebescheide ausging.

Der Vorwurf, die belangte Behörde habe den angefochtenen Bescheid dadurch mit Rechtswidrigkeit belastet, daß sie vor Erledigung einer offenen und fristgerecht erhobenen Berufung gegen die Wiederaufnahmebescheide neue Sachbescheide erließ, ist daher nicht berechtigt.

Gemäß § 18 Abs. 2 Z. 3 EStG 1972 müssen mindestens zwei Drittel der Gesamtnutzfläche des Gebäudes Wohnzwecken dienen, damit ein Wohnhaus als Eigenheim im Sinne des Abs. 1 Z. 3 anzusehen ist. Soweit das Wohnobjekt entgeltlich zur Nutzung (gleichgültig welcher Art) überlassen wird, dient es nicht mehr Wohnzwecken, sondern der Erzielung von Einkünften (vgl. Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuer-Handbuch,

2. Aufl., Tz 64a zu § 18).

Die Berechnung im angefochtenen Bescheid, die eine Unterschreitung der Zweidrittelgrenze nachweist, stützt sich auf den Bauplan, die Veränderungsanzeige der Gemeinde und das Schweigen des Beschwerdeführers einmal auf den Vorhalt, der bereits in der Berufungsvorentscheidung zu erblicken ist, und zum anderen auf den Vorhalt der Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Da bereits die Berufungsvorentscheidung Vorhaltscharakter hat, geht der Hinweis des Beschwerdeführers auf Vorbringen in der Berufung an der Sache vorbei. In dieser ist im übrigen kein konkretisiertes Vorbringen zur Berechnung des Zweidrittelanteiles der gesamten Nutzufläche enthalten.

Die Behauptung im Vorlageantrag, das Gebäude sei nicht gemäß dem Bauplan ausgeführt worden, die tatsächlichen Maße stimmten nicht mit dem Bauplan überein, entbehrt ebenfalls einer Konkretisierung, aus der sich hätte entnehmen lassen, daß bei Zugrundelegung bestimmt bezeichneter Naturmaße die Zweidrittelgrenze nicht unterschritten sei. Zu einer derartigen Konkretisierung wäre der Beschwerdeführer schon auf Grund seiner Mitwirkungspflicht bei Geltendmachung einer steuerlichen Begünstigung und umso mehr auf Grund des Vorhalts der Abgabenbehörde zweiter Instanz verpflichtet gewesen, in der er zur Darlegung angeblicher Abweichungen der Bauausführung vom Plan befragt worden war. Da der Beschwerdeführer indes im Verfahren nicht mitgewirkt hat und ihm die für den Fall seines Stillschweigens in Aussicht genommenen Feststellungen bekanntgegeben worden waren, durfte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid davon ausgehen, daß dem Gebäude die Eigenheimqualität schon deshalb fehlt, weil mehr als ein Drittel der Gesamtnutzfläche des Gebäudes nicht Wohnzwecken im Sinne der zitierten Bestimmung dient.

Das Beschwerdevorbringen über Dachbodenausbau, Errichtung einer Balustrade und die dadurch bewirkte Vergrößerung privaten Wohnraums um rund 25 m2 sowie das Vorbringen über die private Nutzung der Kellerräume wurde im Verwaltungsverfahren nicht erstattet und ist daher gemäß § 41 VwGG als unzulässige Neuerung vor dem Verwaltungsgerichtshof unbeachtlich.

Ob der Beschwerdeführer vor der Abgabenbehörde erster Instanz mündlich die Vornahme eines Lokalaugenscheines vorgeschlagen hat, ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides der Abgabenbehörde zweiter Instanz ohne Bedeutung, da lediglich dieser vom Verwaltungsgerichtshof zu überprüfen ist. Für die Abgabenbehörde zweiter Instanz bestand mangels konkreten Vorbringens, hinsichtlich welcher Gebäudeteile und in welchem Ausmaß Abweichungen vom Bauplan bestünden, kein Anlaß, einen Lokalaugenschein durchzuführen.

Dem angefochtenen Bescheid haftet daher weder eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, noch eine inhaltliche Rechtswidrigkeit an, die den Beschwerdeführer im Rahmen des Beschwerdepunktes in seinen Rechten verletzt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990140224.X00

Im RIS seit

06.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten