Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ABGB §1311;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Puntigam, über die Beschwerde des B gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 28. November 1989, Zl. SV-464/13-1989, betreffend Beitragshaftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG (mitbeteiligte Partei: Oberösterreichische Gebietskrankenkasse in Linz, Gruberstraße 77), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit damit der Bescheid der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse vom 28. April 1988 Kto.Nr. 307-0760/5/B/71/EX bestätigt wird, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Spruch genannten Bescheid stellte die mitbeteiligte Oberösterreichische Gebietskrankenkasse fest, daß der Beschwerdeführer gemäß § 67 Abs. 10 iVm § 410 Abs. 1 Z. 4 ASVG als Geschäftsführer der B-Gesellschaft m.b.H. (in der Folge: Gesellschaft) verpflichtet sei, der Mitbeteiligten die Sozialversicherungsbeiträge, und zwar jeweils restliche Beiträge für Juni bis Oktober 1986 zuzüglich Verzugszinsen und Verwaltungskostenersatz im Gesamtbetrag von S 57.031,80 und Verzugszinsen gemäß § 59 Abs. 1 ASVG in der Höhe von 10,5 % aus S 45.014,82 ab 25. März 1988 zu bezahlen. In der Begründung dieses Bescheides legte die Mitbeteiligte nach Hinweis auf § 67 Abs. 10 ASVG dar, der Beschwerdeführer habe es als Geschäftsführer unterlassen, für die termingerechte Abfuhr der Sozialversicherungsbeiträge bei deren Fälligkeit zu sorgen. Auch der am 13. August 1988 nachweislich zugestellten Zahlungsaufforderung sei er nicht nachgekommen; es lägen daher die gesetzlichen Voraussetzungen der Haftpflicht vor.
In seinem dagegen erhobenen Einspruch führte der Beschwerdeführer aus, die Gesellschaft habe wegen offener Forderungen in der Höhe von 1,2 Mio S ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen können. Das Personal sei im Oktober 1986 ausgeschieden, da ab April dieses Jahres die Löhne nicht mehr hätten ausbezahlt werden können. Es seien daher auch keine Sozialversicherungsbeiträge einbehalten bzw. abgeführt worden.
In ihrer Stellungnahme zum Einspruch vertrat die Mitbeteiligte die Auffassung, im vorliegenden Fall liege eine Pflichtverletzung des Beschwerdeführers als Geschäftsführer schon darin, daß er es trotz Kenntnis der Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft unterlassen habe, rechtzeitig, d. h. innerhalb von 60 Tagen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung (§ 69 Abs. 2 und 3 KO), den Konkursantrag zu stellen.
Die belangte Behörde hielt dem Beschwerdeführer vor, nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes habe der Vertreter, der seine Pflicht nicht erfüllt habe, zu beweisen, daß er dies nicht schuldhaft getan habe. Der Geschäftsführer hafte auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten zur Verfügung stünden, hiezu nicht ausreichten, es sei denn, er könne nachweisen, daß er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet und die Beitragsschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt habe als andere Verbindlichkeiten. Sie forderte den Beschwerdeführer auf, dazu Stellung zu nehmen und Nachweise über seine wirtschaftlichen Verhältnisse vorzulegen.
Der Beschwerdeführer führte daraufhin aus, er habe, da ihm bereits seit Anfang des Jahres 1986 nicht mehr genügend finanzielle Mittel zur Verfügung gestanden seien, um alle Verbindlichkeiten zu befriedigen, ab diesem Zeitpunkt sämtliche Gläubiger gleich behandelt und anteilige Zahlungen nach Verhältnis der vorhandenen Mittel geleistet. In dieser Weise sei auch die Gebietskrankenkasse als Gläubiger behandelt worden. Zum Nachweis schließe er eine Liste an, die den Sollstand sowie die Zahlungen in den jeweiligen Beitragszeiträumen ausweise. Daraus ergebe sich, daß es zu einem exorbitanten Rückstand bei der Gebietskrankenkasse erst ab November 1986 gekommen sei. Er habe noch im Dezember 1986 eine Zahlung von S 21.231,20 und im Jänner 1987 eine Zahlung von S 20.000,-- geleistet. Mit diesen Zahlungen habe er die Gebietskrankenkasse besser behandelt als die übrigen Gläubiger.
Diesem Vorbringen erwiderte die Mitbeteiligte, einem Bericht des Masseverwalters (im Konkurs über das Vermögen des Beschwerdeführers) sei zu entnehmen, daß schon seit dem Jahre 1985 Zahlungsunfähigkeit bestanden habe. Dennoch seien keinerlei Maßnahmen getroffen worden (z.B. Schließung des Geschäftes, Konkursantrag), um das Auflaufen weiterer Beiträge zu verhindern. Dies, aber auch das Fehlen einer Buchhaltung bedeute Fahrlässigkeit und damit auch Verschulden im Sinne des § 67 Abs. 10 ASVG.
Mit Vorhalt vom 6. November 1989 forderte die belangte Behörde den Beschwerdeführer auf, für die Monate Juni bis Oktober 1986 eine detaillierte Gegenüberstellung aller seiner Verbindlichkeiten und der jeweiligen Schuldtilgungen bzw. Zahlungen innerhalb von zwei Wochen vorzulegen. Der Zeitpunkt der Zustellung dieser Aufforderung kann den Verwaltungsakten nicht entnommen werden.
Mit der am 24. November 1989 bei der belangten Behörde eingelangten Eingabe erklärte der Beschwerdeführer, es sei ihm derzeit nicht möglich, die verlangte Gegenüberstellung aller Verbindlichkeiten für den Zeitraum Juni bis Oktober 1986 zu erstellen, weil sich sämtliche Buchhaltungsunterlagen im Zusammenhang mit einem gegen ihn anhängigen Strafverfahren wegen Verdachtes der fahrlässigen Krida beim Landesgericht Linz befänden. Er ersuche daher um Erstreckung der gesetzten Frist zur Abgabe dieser Gegenüberstellung bis 31. Jänner 1990, weil bis zu diesem Zeitpunkt voraussichtlich das Strafverfahren abgeschlossen und die Buchhaltungsunterlagen an ihn zurückgestellt sein würden.
Mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte die belangte Behörde den bekämpften Bescheid "mit der Einschränkung", daß gemäß § 59 Abs. 2 ASVG die für die Zeit bis 24. März 1988 vorgeschriebenen Verzugszinsen von S 11.938,98 zur Gänze, die für die folgende Zeit bis 30. November 1989 zu zahlenden Verzugszinsen zur Hälfte nachgesehen werden. In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde nach Hinweis auf § 67 Abs. 10 ASVG aus, es sei Sache des Geschäftsführers, darzutun, weshalb er nicht dafür habe sorgen können, daß die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet habe. Der Beschwerdeführer behaupte lediglich, die Gesellschaft habe auf Grund offener Forderungen gegenüber einer Wiener Firma ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen können. Diese Behauptung schließe ein Verschulden des Beschwerdeführers an der Nichtzahlung von Beiträgen keineswegs von vornherein aus. Bei der Prüfung der Verschuldensfrage sei der Bericht des Masseverwalters über das Vermögen des Beschwerdeführers vom 16. Dezember 1987 zu beachten. Darin habe der Masseverwalter festgestellt, daß der Beschwerdeführer praktisch die gesamte Disposition auch im Bereiche eines weiteren Unternehmens, dessen Geschäftsführerin die Ehegattin des Beschwerdeführers gewesen sei, innegehabt habe. Über das Vermögen dieses Unternehmens und der Ehegattin des Beschwerdeführers sei ebenfalls der Konkurs eröffnet worden. Bereits vor Eröffnung dieser Konkurse habe der Beschwerdeführer die Gesellschaft gegründet und ähnlich wie im Rahmen des oben erwähnten Unternehmens agiert, sodaß ein Antrag auf Eröffnung des Konkurses mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen worden sei. Die Verbindlichkeiten gegenüber dem Finanzamt seien auf insgesamt S 1,377.149,-- angewachsen. Aus den Kontonachrichten des Finanzamtes ergebe sich, daß der Beschwerdeführer ab September 1985 praktisch keinerlei Zahlungen geleistet habe. Schon im Jahre 1985 sei es zu einer Zwangsversteigerung von Fahrnissen gekommen. Die in der Folge durchgeführten Exekutionen seien mangels pfändbarer Gegenstände ergebnislos geblieben. Beim Offenbarungseid am 9. Juni 1986 habe der Beschwerdeführer angegeben, über kein bzw. kein entsprechend verwertbares Vermögen zu verfügen. Der Beschwerdeführer habe nach den Feststellungen des Masseverwalters über keine Buchhaltung verfügt. Es seien Forderungen gegen den Beschwerdeführer in der Höhe von S 2,346.946,56 festgestellt worden. Es sei somit ersichtlich, daß der Beschwerdeführer nicht weniger als vier Konkursverfahren verursacht bzw. mitverursacht habe. Demnach stehe unzweifelhaft fest, daß er auch als Geschäftsführer der Gesellschaft die gehörige Sorgfalt bezüglich der Sozialversicherungsbeiträge außer acht gelassen habe. Er hafte gemäß § 67 Abs. 10 ASVG für die von der Gesellschaft zu entrichtenden Beiträge. Die vorgeschriebenen Verzugszinsen hätten gemäß § 59 Abs. 2 ASVG im Hinblick auf die wirtschaftliche Misere des Beschwerdeführers ganz bzw. teilweise nachgesehen werden können.
Die vorliegende Beschwerde richtet sich erkennbar nur gegen den den Bescheid der Mitbeteiligten bestätigenden Teil des angefochtenen Bescheides. In der Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG in der Fassung der 41. Novelle, BGBl. Nr. 111/1986, haften die zur Vertretung juristisceher Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge aus Verschulden des Vertreters nicht bei Fälligkeit entrichtet werden. Nach § 83 ASVG gelten u.a. die Bestimmungen über die Haftung entsprechend für Verzugszinsen und Verwaltungskostenersätze bei zwangsweiser Eintreibung.
Der Verfassungsgerichtshof hob mit Erkenntnis vom 9. März 1989, G 163/88 und Folgezahlen, die Worte "zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die" in § 67 Abs. 10 ASVG als verfassungswidrig auf und sprach aus, daß die Aufhebung mit Ablauf des 28. Februar 1990 in Kraft tritt. Da der dem Beschwerdefall zugrundeliegende Tatbestand jedoch vor der Aufhebung verwirklicht wurde und es sich um keinen Anlaßfall handelt, ist die vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Gesetzesstelle im Beschwerdefall gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG weiterhin anzuwenden.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 13. März 1990, Zlen. 89/08/0198 und 89/08/0217, und vom 24. April 1990, Zl. 89/08/0290, und die darin jeweils zitierte Vorjudikatur) können für die Frage des Verschuldens des Vertreters an der Nichtentrichtung der Sozialversicherungsbeiträge sinngemäß die von Lehre und Rechtsprechung zu den §§ 9 und 80 BAO entwickelten Grundsätze herangezogen werden.
Die Haftung des Geschäftsführers gemäß § 67 Abs. 10 ASVG ist eine dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung, die den Geschäftsführer deshalb trifft, weil er seine gegenüber dem Sozialversicherungsträger betehenden gesetzlichen Pflichten zur rechtzeitigen Abfuhr der Sozialversicherungsbeiträge verletzt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. März 1990, Zl. 89/08/0198).
Voraussetzung für die Haftung sind somit - im zeitlichen Geltungsbereich des § 67 Abs. 10 ASVG idF der 41. Novelle zum ASVG - die Nichtentrichtung der Beiträge, die Stellung als Vertreter, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung, die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Nichtentrichtung der Beiträge und ein Rechtswidrigkeitszusammenhang (vgl. z.B. für den Bereich der auch insoweit vergleichbaren abgabenrechtlichen Haftung die hg. Erkenntnisse vom 19. Juni 1985, Slg. 6012/F, und vom 28. Mai 1986, Slg. 6123/F).
Davon ausgehend erweist sich die Auffassung der belangten Behörde, die Haftung des Beschwerdeführers ergebe sich aus der Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt auch hinsichtlich der Sozialversicherungsbeiträge, im vorliegenden Fall als verfehlt. Die belangte Behörde leitet die "Außerachtlassung der pflichtgemäßen Sorgfalt hinsichtlich der Sozialversicherungsbeiträge" (zusammengefaßt) nämlich aus dem Umstand ab, daß der Beschwerdeführer "nicht weniger als vier Konkursverfahren verursacht bzw. mitverursacht" habe, und aus den persönlichen Vermögensverhältnissen des Beschwerdeführers, der hoch verschuldet und vermögenslos sei und über keine Buchhaltung verfügt habe.
Die belangte Behörde verkennt damit, daß die Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG - ebenso wie die abgabenrechtliche Haftung nach den §§ 9, 80 BAO - die Verletzung von VERTRETERpflichten voraussetzt, die dem Beschwerdeführer als gesetzlichen Vertreter der Beitragsschuldnerin (einer Gesellschaft mbH) durch in diesem Zusammenhang bestehender (sozialversicherungs-)beitragsrechtliche Bestimmungen auferlegt sind. Die Haftung kann somit nicht auf in der "privaten" Vermögenssphäre des Geschäftsführers gelegene Umstände, dessen Verhalten bei der Leitung anderer Unternehmen oder gar auf persönliche Eigenschaften gegründet werden, da all diese Umstände nicht den von § 67 Abs. 10 ASVG erfaßten Pflichtenkreis betreffen. Die belangte Behörde durfte daher die von ihr angeführten Umstände im vorliegenden Zusammenhang weder als an sich haftungsbegründend ansehen, noch aus ihnen - nach Art eines "Anscheinsbeweises" - ohne weiteres auf eine schuldhafte Verletzung von Vertreterpflichten schließen.
In diesem Zusammenhang ist zur Vermeidung von Mißverständnissen auch der sowohl im Einspruchsverfahren als auch in der Gegenschrift vertretenen Auffassung der Mitbeteiligten entgegenzutreten, die Haftung des Beschwerdeführers nach § 67 Abs. 10 ASVG ergebe sich schon aus dem (behaupteten) Verstoß gegen seine Verpflichtung, binnen 60 Tagen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung der Gesellschaft Konkursantrag zu stellen (§ 69 KO).
Zwar ist § 69 KO - ebenso wie § 159 Abs. 1 StGB und § 85 GmbHG - ein Schutzgesetz im Sinn des § 1311 ABGB zugunsten aller durch die nicht rechtzeitige Konkurseröffnung geschädigten Gläubiger (vgl. z.B. OGH SZ 60/179,
EVBl. 1990/147, WBl. 1990, 345, jeweils mit ausführlichen Hinweisen auf Lehre und Rechtsprechung); der allein vertretungsbefugte Geschäftsführer einer GmbH, der mit der Antragstellung auf Konkurseröffnung im Sinne des § 69 KO schuldhaft zögerte, haftet den Gläubigern daher - unter hier nicht weiter zu erörternden Voraussetzungen - nach Deliktsgrundsätzen für den Schaden, der durch sein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten verursacht wurde. Ein allfälliger, aus einem Verstoß gegen § 69 KO resultierender, vor den Zivilgerichten zu verfolgender Schadenersatzanspruch der Mitbeteiligten ist jedoch im Zusammenhang mit der im Verwaltungsverfahren geltend zu machenden Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG aus folgendem Grund ohne Bedeutung:
Bei den Pflichten, deren Verletzung eine der Voraussetzungen für die Haftung des Vertreters ist, handelt es sich um die Pflicht zur rechtzeitigen Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge namens des Beitragsschuldners, und aus dieser Verpflichtung allenfalls resultierende Nebenpflichten. § 67 Abs. 10 ASVG rezipiert aber nicht andere, nicht aus dem oben dargelegten Pflichtverhältnis resultierende allgemeine Pflichten. Zu den Pflichten, deren Verletzung die Haftung nach der zuletzt zitierten Vorschrift begründen kann, zählt somit weder die Pflicht, rechtzeitig einen Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Vertretenen zu stellen, noch die Pflicht, die Entstehung von Beitragsforderungen beim Vertretenen durch Betriebseinstellung zu vermeiden (vgl. z.B. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 19. Juni 1985, Slg. 6012/F).
Die Auffassung der belangten Behörde, die Haftung des Beschwerdeführers gemäß § 67 Abs. 10 ASVG ergebe sich aus der "Außerachtlassung der pflichtgemäßen Sorgfalt hinsichtlich der Sozialversicherungsbeiträge", die wiederum aus den persönlichen Vermögensverhältnissen des Beschwerdeführers und dessen Gestion bei der Leitung anderer Unternehmen zu folgern sei, erweist sich daher schon aus den oben dargelegten Gründen als rechtswidrig.
Damit allein ist der Erfolg der Beschwerde aber noch nicht entschieden. Vielmehr ist zu prüfen, ob der Beschwerdeführer seiner noch näher darzulegenden Behauptungs- und Nachweispflicht ausreichend nachgekommen ist. Andernfalls wäre die belangte Behörde berechtigt gewesen, von einer schuldhaften Pflichtverletzung auszugehen; der angefochtene Bescheid erwiese sich dann - wenn auch aus anderen als den von der belangten Behörde angeführten Gründen - als im Ergebnis zutreffend.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 13. März 1990, Zl. 89/08/0198 und 89/08/0217, und die dort jeweils zitierte Vorjudikatur) ist es auch im sozialversicherungsrechtlichen Haftungsverfahren Sache des haftungspflichtigen Geschäftsführers, darzulegen, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, daß die Beitragsschulden rechtzeitig (zur Gänze) entrichtet wurden, und dafür entsprechende Beweisanbote zu erstatten. Allerdings darf diese besondere Behauptungs- und Beweislast nicht überspannt werden. Sie ist nicht so aufzufassen, daß die Behörde jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre. Hat der Vertreter nicht nur ganz allgemeine, sondern einigermaßen konkrete, sachbezogene Behauptungen aufgestellt, die nicht schon von vornherein aus rechtlichen Gründen unmaßgeblich sind, so hat ihn die Behörde vorerst zu einer solchen Präzisierung und Konkretisierung seines Vorbringens und zu entsprechenden Beweisanboten aufzufordern, die es ihr - nach allfälliger Durchführung eines danach erforderlichen Ermittlungsverfahrens - ermöglichen, zu beurteilen, ob der Geschäftsführer ohne Verstoß gegen die ihm obliegende Gleichbehandlungspflicht vorgegangen ist und ob und in welchem Ausmaß ihn deshalb eine Haftung trifft. Kommt freilich der haftungspflichtige Geschäftsführer dieser Aufforderung nicht nach, so bleibt die Behörde zur Annahme berechtigt, daß er seiner Pflicht schuldhafterweise nicht nachgekommen ist. Konsequenterweise haftet der Geschäftsführer dann für die von der Haftung betroffenen Beitragsschulden zur Gänze.
Auch im Sozialversicherungsrecht schließt die Verpflichtung des Geschäftsführers, für die rechtzeitige Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge namens des Beitragsschuldners Sorge zu tragen, die Verpflichtung ein, diese Schulden nicht schlechter zu behandeln als die übrigen aus dem von ihm verwalteten Vermögen zu begleichenden Verbindlichkeiten, es sei denn, es bestünde eine rechtliche Grundlage für die bevorzugte Behandlung dieser anderen Verbindlichkeiten. Gegen diese Gleichbehandlungspflicht verstößt der Geschäftsführer, der Beitragsschulden bei Fälligkeit nicht oder nicht vollständig entrichtet, auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Beitragsschuldnerin zur Verfügung standen, hiezu nicht ausreichten, er aber (zumindest fahrlässig) diese Mittel nicht anteilig für die Begleichung aller (im obigen Sinn gleich zu behandelnden) Verbindlichkeiten verwendet und dadurch die Beitragsschulden im Verhältnis zu den anderen Verbindlichkeiten schlechter behandelt hat; insoweit ist auch das Ausmaß der Haftung bestimmt. Daraus folgt, daß dem Geschäftsführer, der die Beitragsschulden aus den ihm im maßgeblichen Zeitraum zur Verfügung stehenden Mitteln (zumindest) anteilig entrichtet, keine Haftung für den Differenzbetrag trifft (vgl. hiezu ebenfalls das bereits mehrfach zitierte hg. Erkenntnis vom 13. März 1990, Zl. 89/08/0217, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Der Vertreter kann sich von seiner Haftung somit durch den Nachweis befreien, daß ihm - jeweils in bezug auf das von ihm verwaltete Vermögen des Beitragsschuldners - keinerlei Mittel zur Entrichtung der Beiträge zur Verfügung standen, oder durch den Nachweis, daß er bei der Verwendung über die vorhandenen Mittel die Beitragsverbindlichkeiten mit jenem Anteil befriedigt hat, der dem Verhältnis der Gesamtverbindlichkeiten des Beitragsschuldners zu den vorhandenen Mitteln desselben entspricht.
Der Beschwerdeführer hat im Einspruchsverfahren vorgebracht, er habe, da ihm bereits seit Anfang des Jahres 1986 nicht mehr genügend finanzielle Mittel zur Verfügung standen, um alle Verbindlichkeiten zu befriedigen, ab diesem Zeitpunkt sämtliche Gläubiger gleich behandelt und anteilige Zahlungen nach Verhältnis der vorhandenen Mittel geleistet. Die Gebietskrankenkasse habe im Verhältnis mehr als die anderen Gläubiger der Gesellschaft erhalten. Die Beitragsverbindlichkeiten der Gesellschaft sowie die von dieser darauf geleisteten Zahlungen legte der Beschwerdeführer in Form einer Liste dar.
Damit war der Beschwerdeführer seiner Behauptungs- und Nachweispflicht nicht in vollem Umfang nachgekommen; sein Vorbringen reichte im Sinne der oben dargelegten Grundsätze jedoch aus, die Pflicht der belangten Behörde auszulösen, den Beschwerdeführer zu einer entsprechenden Präzisierung und Konkretisierung seines Vorbringens und zu entsprechenden Beweisanboten aufzufordern. Dieser Verpflichtung entsprechend hat die belangte Behörde auch den Beschwerdeführer aufgefordert, für die Monate Juni bis Oktober 1986 eine detaillierte Gegenüberstellung der Verbindlichkeiten und jeweiligen Schuldtilgungen bzw. Zahlungen vorzulegen (wobei sie allerdings offenbar von der irrigen Annahme ausging, der Beschwerdeführer habe "seine" Verbindlichkeiten und "seine" Zahlungen nachzuweisen und nicht jene der Gesellschaft). Offenbar im Hinblick auf ihre Rechtsauffassung, wonach sich die schuldhafte Pflichtverletzung des Beschwerdeführers schon aus anderen Umständen ergebe, setzte sich die belangte Behörde jedoch im angefochtenen Bescheid - den sie vor Ablauf der vom Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Beschlagnahme der Buchhaltungsunterlagen der Gesellschaft begehrten Fristverlängerung erließ, ohne über diese ausdrücklich abzusprechen - mit der Frage, ob der Beschwerdeführer gegen das oben dargelegte Gleichbehandlungsgebot verstoßen hat und ihm daher eine schuldhafte Pflichtverletzung vozuwerfen ist, gar nicht auseinander. Darin liegt im Hinblick auf die oben dargelegte Rechtslage ein Feststellungsmangel, der zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes führt.
Diese geht einer allfälligen Aufhebung wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften vor; der Vollständigkeit halber ist - den Fristsetzungsantrag des Beschwerdeführers betreffend - jedoch zu bemerken, daß der Vertreter zwar grundsätzlich im Hinblick auf die oben dargelegte Beweislastverteilung zeitgerecht für den Nachweis seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen hat. Dies schließt es jedoch nicht aus, in Fällen, wo der Vertreter aus triftigen Gründen - wie etwa der im vorliegenden Fall behaupteten Beschlagnahme der Buchhaltungsunterlagen - zur Führung des entsprechenden Nachweises in der ihm gesetzten kurzen Frist nicht in der Lage ist, diese angemessen zu verlängern. Bei der vorliegenden Sachlage bedeutet die begründungslos und ohne vorherige Verständigung, daß die Behörde das Einlangen weiteren Vorbringens nicht abwarten wolle, nicht gewährte Fristverlängerung eine Verletzung des Parteiengehörs, wobei nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei dessen Wahrung zu einem anderen Bescheid gelangt wäre.
Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde dem Beschwerdeführer somit Gelegenheit zu geben haben, bezogen auf den jeweiligen Tag der Fälligkeit der in Haftung gezogenen Beiträge darzulegen, welche Verbindlichkeiten der Gesellschaft jeweils aushafteten, welche Mittel dieser jeweils zur Verfügung standen und welche Zahlungen sie jeweils leistete. Mit Hilfe dieser vom Beschwerdeführer darzulegenden Berechnungsgrößen wird durch eine Gegenüberstellung des Verhältnisses der gesamten Verbindlichkeiten der Gesellschaft und der darauf von dieser geleisteten Zahlungen einerseits mit den jeweils aushaftenden Beitragsverbindlichkeiten und den darauf geleisteten Zahlungen andererseits festgestellt werden können, ob der Beschwerdeführer dem Gleichbehandlungsgebot entsprochen hat; mangels Darlegung und Nachweises konkreter, auf den jeweiligen Stichtag bezogener Berechnungsgrößen wäre die belangte Behörde ohne weiteres zur Annahme einer schuldhaften Pflichtverletzung berechtigt.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206. Für die vom Beschwerdeführer aufgewendeten Stempelgebühren besteht im Hinblick auf die Gebührenbefreiungsbestimmung des § 110 ASVG kein Anspruch auf Zuerkennung eines Aufwandersatzes.
Schlagworte
Begründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht Beweismittel Indizienbeweise indirekter Beweis Parteiengehör Allgemein Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5 Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweislast Stempelgebühren Kommissionsgebühren Barauslagen des Verwaltungsgerichtshofes Gebührenfreiheit der Beschwerde Ersatz bei GebührenfreiheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990080016.X00Im RIS seit
11.07.2001