TE Vwgh Erkenntnis 1991/2/19 90/11/0130

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Veröffentlicht am 19.02.1991
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KDV 1967 §30 Abs1 Z2 litc;
KFG 1967 §75 Abs2;
VwGG §33 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 29. Mai 1990, Zl. Ib-277-12/90, betreffend Aufforderung gemäß § 75 Abs. 2 KFG 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.310,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 29. Mai 1990 wurde der Beschwerdeführer als Besitzer einer Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A, B und C gemäß § 75 Abs. 2 erster Satz KFG 1967 aufgefordert, sich zwecks Feststellung seiner Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen bis spätestens 2. Juli 1990 durch den Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Bregenz untersuchen zu lassen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Ungeachtet des Umstandes, daß (nach der Aktenlage und dem Vorbringen der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens) der Beschwerdeführer jedenfalls seit 20. August 1990 wieder im Besitze einer (nunmehr befristeten) Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A, B und C ist, ist das Beschwerdeverfahren deshalb nicht etwa wegen Gegenstandslosigkeit einzustellen, weil der vorliegend bekämpfte Aufforderungsbescheid bereits nachteilige Folgen für den Beschwerdeführer gezeitigt hat: Ihm wurde die Lenkerberechtigung gemäß § 75 Abs. 2 KFG 1967 entzogen; in weiterer Folge wurden gegen den Beschwerdeführer Strafverfahren wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges ohne Lenkerberechtigung eingeleitet (vgl. die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. März 1984, Zl. 82/11/0115, und vom 14. Juni 1988, Zl. 88/11/0002).

2. Anlaß für den angefochtenen Bescheid war der von Revierinspektor Z. vom Gendarmerie-Verkehrsposten Bregenz erstattete schriftliche Bericht vom 6. August 1989 über eine von der Bezirkshauptmannschaft Bregenz angeordnete Kontrolle von Taxis und Mietwagen am 4. August 1989. Nach der Darstellung des Gendarmeriebeamten war der Beschwerdeführer bei der Amtshandlung sehr aufgebracht und nervös, "mit zitternder Hand" habe er dem Beamten "die erforderlichen Papiere" übergeben. Er habe unmittelbar danach mit Aussprüchen wie "Immer nur werden die Taxis kontrolliert" und "Bei mir zu Hause fahren sie mit 140 km/h vorbei, da tut ihr nichts" begonnen.

Beruhigungsversuche hätten wenig genützt. Der Beschwerdeführer habe seine Aussprüche bezüglich der Taxikontrollen und der Geschwindigkeitsmessungen immer wieder vorgebracht. Erst als ihm der Beamte zu verstehen gegeben habe, er werde eine verkehrspsychologische Untersuchung beantragen, sei der Beschwerdeführer etwas ruhiger geworden. Bei einer vor längerer Zeit durchgeführten Fahrzeugkontrolle habe der Beschwerdeführer dem Beamten die Verbandskassette vor die Füße auf die Straße geworfen und sich in ähnlicher Weise über die Kontrollen geäußert. Es handle sich somit bei dem Verhalten des Beschwerdeführers vom 4. August 1989 offensichtlich nicht "um eine Einmaligkeit". Revierinspektor Z. bestätigte bei seiner Vernehmung als Zeuge durch die Bezirkshauptmannschaft Bregenz am 22. November 1989 seine Schilderung des im Bericht vom 6. August 1989 beschriebenen Verhaltens des Beschwerdeführers. In der von der belangten Behörde veranlaßten Äußerung (vom 21. Februar 1990) über das Verhalten des Beschwerdeführers im Straßenverkehr führte der Postenkommandant des Gendarmeriepostens Kleinwalsertal aus, der Beschwerdeführer benehme sich bei Verkehrskontrollen gegenüber den Gendarmeriebeamten aufbrausend, kritisch und unsachlich; er reagiere eher cholerisch, zynisch und sei im allgemeinen gegenüber Gendarmerie und Behörden sehr negativ eingestellt.

Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides hegte die belangte Behörde auf Grund des bei Verkehrskontrollen gezeigten Verhaltens des Beschwerdeführers Bedenken hinsichtlich der zum Lenken von Kraftfahrzeugen nötigen Gesundheit (§ 30 Abs. 1 Z. 2 lit. c KDV 1967). Sie stützte diese Bedenken auf die Aussage des Gendarmeriebeamten Revierinspektor Z., wonach der Beschwerdeführer bei seiner Anhaltung am 4. August 1989 "sehr zittrig und nervös" gewesen sei, sowie auf die Äußerung des Postenkommandanten des Gendarmeriepostens Kleinwalsertal vom 21. Februar 1990 über das Verhalten des Beschwerdeführers bei Verkehrskontrollen. Die belangte Behörde führte aus, der Beschwerdeführer lege zuweilen ein Verhalten an den Tag, "das Bedenken hinsichtlich seiner geistigen und körperlichen Eignung zumindest vermuten und erwarten lasse". Gerade ein aufbrausendes und aggressives Verhalten lasse darauf schließen, daß geringfügige Anlässe genügten, um die für das sichere Beherrschen eines Kraftfahrzeuges notwendige Ruhe und Übersicht zu verlieren. Angesichts dieser Verdachtsgründe sei eine Untersuchung des Beschwerdeführers durch den Amtsarzt geboten.

Gemäß § 75 Abs. 1 KFG 1967 ist bei Bestehen von Bedenken, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkerberechtigung noch gegeben sind (§ 64 Abs. 2), unverzüglich ein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Nach § 75 Abs. 2 erster Satz KFG 1967 ist vor der Entziehung der Lenkerberechtigung wegen mangelnder geistiger oder körperlicher Eignung ein neuerliches ärztliches Gutachten gemäß § 67 Abs. 2 einzuholen. Für eine bescheidmäßige Aufforderung gemäß § 75 Abs. 2 im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gemäß Abs. 1 dieser Gesetzesstelle genügen Bedenken gegen den aufrechten Bestand einer Erteilungsvoraussetzung. Diese Bedenken müssen aber konkret begründet sein (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Februar 1984, Zl. 83/11/0274, 0275, mit weiteren Judikaturhinweisen).

Die Begründung des angefochtenen Bescheides ist nicht geeignet, schlüssig das Bestehen begründeter Bedenken gegen die geistige und körperliche Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen darzutun. Die Begründung stützt sich nämlich nur auf einen einzigen konkreten Vorfall, die Anhaltung und Kontrolle des Beschwerdeführers durch ein Gendarmerieorgan am 4. August 1989; dabei sei der Beschwerdeführer nach Annahme der belangten Behörde "sehr zittrig und nervös" gewesen. Es ist nicht zu erkennen, inwiefern dies Bedenken in der aufgezeigten Richtung begründen könnte. Die belangte Behörde hat sich insoweit mit dem Hinweis auf die "nötige Gesundheit" (§ 30 Abs. 1 Z. 2 lit. c KDV 1967) begnügt. Was darunter zu verstehen ist, wird in den lit. a bis f des § 34 Abs. 1 KDV 1967 näher ausgeführt. Welche der dort angeführten Erkrankungen die belangte Behörde im vorliegenden Fall im Auge hatte, ist weder der Begründung des angefochtenen Bescheides zu entnehmen noch sonst ersichtlich.

Bei der Äußerung des Postenkommandanten des Gendarmeriepostens Kleinwalsertal handelt es sich um eine summarische Wertung des Verhaltens des Beschwerdeführers bei Verkehrskontrollen und gegenüber Gendarmerie und Behörden im allgemeinen. Es fehlt jedoch eine Darstellung der zugrundeliegenden Vorfälle und des jeweiligen konkreten Verhaltens des Beschwerdeführers. Daher ist diese Äußerung von vornherein nicht geeignet, Bedenken gegen die geistige und körperliche Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen konkret zu begründen.

Aus diesen Gründen blieb der maßgebende Sachverhalt in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig und wurden Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Vermeidung die belangte Behörde zu einem anders lautenden Bescheid hätte kommen können. Daher war der angefochtene Bescheid, ohne daß auf das Beschwerdevorbringen näher eingegangen werden muß, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil dem Beschwerdeführer Schriftsatzaufwand nur für die Beschwerde gebührt, der dafür vorgesehene Pauschalsatz die darauf entfallende Umsatzsteuer bereits enthält, die Vorlage EINER Ausfertigung des angefochtenen Bescheides zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung genügte und die zwei nachträglich erstatteten Schriftsätze jeweils nur in zweifacher Ausfertigung einzubringen waren, weshalb auch nur die darauf entfallende Stempelgebühr zu ersetzen ist.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990110130.X00

Im RIS seit

12.06.2001

Zuletzt aktualisiert am

23.07.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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