Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 18. April 1990, Zl. 696.817/2-2.5/89, betreffend Befreiung vom ordentlichen Präsenzdienst, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid des Militärkommandos Oberösterreich vom 20. November 1989 wurde der Beschwerdeführer auf Grund seines Antrages vom 28. August 1989 gemäß § 37 Abs. 2 lit. b des Wehrgesetzes 1978 "wegen der festgestellten besonders rücksichtswürdigen familiären Interessen infolge Mithilfe in der elterlichen Landwirtschaft" von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes bis 15. August 1990 befreit. Zugleich wurde das "Mehrbegehren auf eine befristete Befreiung von 3 Jahren" abgewiesen. Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 18. April 1990 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 abgewiesen "und der angefochtene Bescheid bestätigt".
Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Gemäß § 37 Abs. 2 lit. b Wehrgesetz 1978 können Wehrpflichtige auf ihren Antrag von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes befreit werden, wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern.
Die belangte Behörde hat zwar das Vorliegen wirtschaftlicher Interessen des (am 15. Jänner 1968 geborenen) Beschwerdeführers an der von ihm begehrten Befreiung angenommen, weil er seit 1. April 1989 Pächter des landwirtschaftlichen Betriebes seiner Eltern und "daher bestrebt" sei, "eine ordnungsgemäße Führung dieses Betriebes sicherzustellen", jedoch die besondere Rücksichtswürdigkeit dieser Interessen verneint. Dies hat sie unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im wesentlichen damit begründet, daß alle Wehrpflichtigen im Hinblick auf ihre bestehende Wehrpflicht ihre wirtschaftlichen Angelegenheiten so zu besorgen haben, daß ihnen im Falle ihrer Einberufung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes keine vorhersehbaren Schwierigkeiten entstehen, und der Beschwerdeführer dessen ungeachtet, obwohl er anläßlich seiner Stellung am 29. Oktober 1986 für tauglich erklärt worden sei und demnach mit seiner Einberufung habe rechnen müssen, den Pachtvertrag mit seinen Eltern abgeschlossen habe. Die belangte Behörde führte dazu weiters aus, daß sie zwar - entsprechend dem Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers - einen Zusammenhang zwischen dem angegriffenen Gesundheitszustand seines Vaters, dessen Minderung der Erwerbsfähigkeit sie mit 90 Prozent festgestellt hat, und der Pachtung der gegenständlichen Landwirtschaft durch den Beschwerdeführer sehe, sie aber nicht erkennen könne, "daß diese Pachtung die einzige und zwangsläufige Maßnahme im Hinblick auf den Gesundheitszustand Ihres Vaters bzw. seinen Anspruch auf eine Erwerbsunfähigkeitspension war, zumal einige Ihrer Geschwister zumindest für eine vorübergehende Pachtung ebenfalls in Frage gekommen wären".
Wenn der Beschwerdeführer demgegenüber geltend macht, daß für ihn der Eintritt der Erwerbsunfähigkeit seines Vaters (und im übrigen auch die seiner Mutter mit 70 Prozent) nicht vorhersehbar gewesen sei, so ist ihm entgegenzuhalten, daß es hiebei um die Vorhersehbarkeit der sich erst aus dem Abschluß des Pachtvertrages (zu einem Zeitpunkt, in dem ihm die Erwerbsunfähigkeit seines Vaters bereits bekannt war) ergebenden Schwierigkeiten geht und sich allein daraus noch keineswegs die Notwendigkeit der Pachtung des Betriebes durch ihn vor Ableistung des ordentlichen Präsenzdienstes ableiten läßt, zumal kein Anhaltspunkt dafür besteht, daß der Betrieb nicht auch ohne Pachtung und daher auf Rechnung und Gefahr seiner Eltern unter Mithilfe des Beschwerdeführers hätte weitergeführt werden können. Dem Beschwerdeführer ist zuzugestehen, daß in diesem Falle die für die Zuerkennung einer Pension an seinen Vater aus dem Versicherungsfall der dauernden Erwerbsunfähigkeit notwendige Leistungsvoraussetzung, daß der Versicherte keine entsprechende Erwerbstätigkeit ausübt (siehe § 123 Abs. 1 in Verbindung mit § 121 Abs. 2 und § 2 Abs. 1 Z. 1 BSVG), am 1. April 1989 noch nicht vorgelegen wäre, was bedeutet, daß der Vater des Beschwerdeführers erst zu einem späteren Zeitpunkt pensionsberechtigt geworden wäre. Es kann dahingestellt bleiben, wessen Interessenlage dafür ausschlaggebend war, daß der Beschwerdeführer durch den Abschluß des Pachtvertrages seinem Vater einen (mit der Erhöhung des Familieneinkommens verbundenen) Pensionsbezug bereits ab dem genannten Zeitpunkt ermöglicht hat, hätte doch der Beschwerdeführer nicht nur bei Wahrnehmung seiner eigenen Interessen, sondern auch der seiner Eltern auf seine Einberufung, mit der er zu rechnen hatte, entsprechend Bedacht nehmen müssen (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Juni 1984, Zl. 82/11/0349, und Zlen. 83/11/0017, 84/11/0106). Der Beschwerdeführer hat auch unter diesem Gesichtspunkt die Notwendigkeit des Abschlusses eines Pachtvertrages nicht dargetan, zumal er gar nicht behauptet hat, daß die Erlangung der Pensionsberechtigung seines Vaters (bereits) zu dem genannten Zeitpunkt für diesen eine Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz oder sonstiger lebenswichtiger Interessen hintangehalten hätte.
Dessen ungeachtet könnte von einer Verletzung der Verpflichtung des Beschwerdeführers zur Harmonisierung der Planung und Gestaltung seiner privaten und wirtschaftlichen Angelegenheiten mit der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes nicht die Rede sein, wenn er ohne Pachtung des Betriebes wegen besonders rücksichtswürdiger familiärer Interessen im Sinne des § 37 Abs. 2 lit. b Wehrgesetz 1978 zu befreien wäre, weil der Beschwerdeführer in diesem Falle durch die Pachtung des Betriebes die für den Fall einer Einberufung vorhersehbaren Schwierigkeiten keineswegs vergrößert oder gar erst geschaffen hätte, wären sie doch auch sonst ebenso unvermeidlich gewesen, auch wenn es sich hiebei nicht, wie nunmehr, um eigene wirtschaftliche Interessen des Beschwerdeführers gehandelt hätte. Dies gilt allerdings von vornherein nur dann, wenn nicht die (vorübergehende) Pachtung des Betriebes durch eine andere Person (als den Beschwerdeführer) in Frage gekommen wäre, weil andernfalls den sich aus einer Einberufung des Beschwerdeführers ergebenden Schwierigkeiten hinreichend auf diese Weise hätte begegnet werden können. Dem vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Umstand, daß die Übernahme des Betriebes durch ihn "in einigen Jahren" beabsichtigt sei, kommt dabei keine maßgebliche Bedeutung zu. Die belangte Behörde hat sich aber damit, ob eine Pachtung durch andere Personen im Rahmen des Zumutbaren möglich gewesen wäre, nicht näher auseinandergesetzt, indem sie eine stichhältige Begründung dafür unterlassen hat, wieso sie diese Möglichkeit in Ansehung "einiger" der Geschwister des Beschwerdeführers annimmt. Welche der Geschwister sie dabei im Auge hat und worauf sich jeweils diese Annahme gründet, wurde von ihr nicht dargetan. Die von ihr im Zusammenhang mit der Beurteilung des Vorliegens besonders rücksichtswürdiger familiärer Interessen des Beschwerdeführers gegebene (und von diesem bestrittene) Begründung hinsichtlich der Zumutbarkeit entsprechender Unterstützung der Eltern des Beschwerdeführers durch seine Geschwister bei Fortführung des Betriebes während seiner präsenzbedingten Abwesenheit kann - auch im Falle ihrer Richtigkeit - nicht automatisch auf die Beurteilung dieser Problematik übertragen werden, weil die weitere ordentliche Bewirtschaftung der Landwirtschaft auf Grund eines Pachtvertrages die betreffenden Geschwister wesentlich stärker in Anspruch nehmen würde als ihre bloß teilweise Mithilfe im Betrieb. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, daß als Pächter nur der Beschwerdeführer in Betracht gekommen wäre.
Im Hinblick darauf, daß der Betrieb auf Grund der erfolgten Verpachtung vom Beschwerdeführer geführt wird, ist es sein Betrieb, dessen Existenz - nach der Behauptung des Beschwerdeführers bereits im Verwaltungsverfahren - durch seine Einberufung zum ordentlichen Präsenzdienst gefährdet wäre. Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren nie geltend gemacht, daß auch (noch nach der Pachtung) familiäre Interessen im Sinne des § 37 Abs.2 lit. b Wehrgesetz 1978 gegeben (gewesen) seien, von deren Vorliegen nur dann gesprochen werden kann, wenn ein Familienangehöriger in seinen eigenen Belangen der Unterstützung durch den Wehrpflichtigen bedarf, wobei sie nur dann als besonders rücksichtswürdig zu werten sind, wenn durch die Nichtunterstützung des Angehörigen durch den Wehrpflichtigen eine Gefährdung der Gesundheit oder sonstiger lebenswichtiger Interessen des Angehörigen zu befürchten ist (vgl. u.a. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Jänner 1990, Zl. 89/11/0094, und vom 22. Mai 1990, Zl. 89/11/0193). Es besteht im übrigen auch nach der Aktenlage kein Anhaltspunkt für das (weitere) Vorliegen solcher Interessen, zumal der Vater des Beschwerdeführers eine (ihm durch die Pachtung ermöglichte) Pension bezieht und daher unter diesem Gesichtspunkt keine Existenzgefährdung anzunehmen ist. Die belangte Behörde hatte aber - wie gesagt - im Zusammenhang mit der Beurteilung der wirtschaftlichen Interessen des Beschwerdeführers auf ihre besondere Rücksichtswürdigkeit auch die besondere Rücksichtswürdigkeit seiner familiären Interessen im Falle des Unterbleibens der Pachtung zu prüfen, weshalb ihre diesbezüglichen Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides insofern rechtlich von Belang sind.
Sie hat diese Interessen, deren Vorliegen sie im Hinblick auf die Erwerbsunfähigkeit bzw. Minderung der Erwerbsfähigkeit der Eltern des Beschwerdeführers anerkannt hat und die im Falle der Nichtpachtung auch tatsächlich gegeben wären, deshalb nicht als besonders rücksichtswürdig angesehen, weil "Ihren Eltern bei entsprechender Unterstützung durch Ihre Geschwister die Fortführung des landwirtschaftlichen Betriebes während Ihrer Abwesenheit zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes zumutbar erscheint". Sie hat hinzugefügt, daß "sich die Tätigkeit Ihres Vaters in erster Linie auf die Anleitung Ihrer Geschwister beschränken wird" und "bei dieser Überlegung das Alter und der Gesundheitszustand Ihrer Mutter ebenso berücksichtigt wurde wie die persönliche bzw. familiäre und berufliche Situation Ihrer Geschwister". Sie hat mit Recht auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hingewiesen, wonach zur Unterstützung eines Familienmitgliedes nicht ausschließlich der Sohn, der zur Erfüllung seiner Wehrpflicht einberufen werden soll, sondern vielmehr die gesamte Familie berufen ist, wobei aber zu ergänzen ist, daß eine derartige Unterstützung dann ausscheidet, wenn anderen, an sich dazu geeigneten Angehörigen des betroffenen Angehörigen des Wehrpflichtigen ein vorübergehender Einsatz ihrer Kräfte und Fähigkeiten nicht zumutbar ist (vgl. u.a. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. März 1989, Zl. 88/11/0069, und vom 8. Mai 1990, Zl. 89/11/0056). Der Beschwerdeführer meint zutreffend, daß er seinen "Geschwistern nicht Vorschriften machen kann, welchen Beruf sie ergreifen, welche Arbeitsverträge sie abschließen und wie sie ihren Familienstatus ändern, wann sie für Nachkommen sorgen und in welchem Umfang sie dieser ihrer Unterhaltspflicht gegenüber ihren eigenen Kindern nachkommen"; derartiges unterlassen zu haben, hat aber auch die belangte Behörde dem Beschwerdeführer nicht zum Vorwurf gemacht. Auszugehen war bei Beurteilung der Unterstützungsmöglichkeit der Eltern des Beschwerdeführers vielmehr von der bestehenden Sachlage im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides. Dies hat die belangte Behörde auch getan, wobei es aber dann, wenn während eines Verfahrens über einen Befreiungsantrag neue Umstände eintreten, von denen sich der Antragsteller Auswirkungen auf den Ausgang des Verfahrens über seinen Antrag erhofft, an ihm liegt, diese Umstände der Behörde umgehend mitzuteilen, damit sie darauf bei Erlassung des Bescheides Bedacht nehmen kann, wozu sie auch verpflichtet wäre (vgl. u.a. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Juni 1990, Zlen. 90/11/0110, 0111, und vom 15. Jänner 1991, Zl. 90/11/0051). Darin, daß die belangte Behörde bei Erlassung des Bescheides auf bestimmte Umstände, die der Beschwerdeführer erstmals in der Beschwerde vorbringt, nicht Bedacht genommen hat, liegt daher kein Verfahrensmangel, sondern stellen diese Behauptungen eine unzulässige und daher im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht zu beachtende Neuerung dar. Die belangte Behörde hat des näheren die Ansicht vertreten, daß inbesondere der derzeit noch im gemeinsamen Haushalt mit dem Beschwerdeführer und seinen Eltern wohnhaften Schwester Anna (die verheiratet ist und ein Kleinkind zu betreuen hat) sowie seiner nur in einer Entfernung von ca. 2 km vom Betrieb wohnhaften ledigen und kinderlosen Schwester Ulrike (die im Transportunternehmen ihres Lebensgefährten Büro- und Schreibarbeiten ohne geregelte Arbeitszeit verrichtet) eine maßgebliche Unterstützung der Eltern zuzumuten sei. Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Absicht seiner Schwester Anna, in absehbarer Zeit vom elterlichen Hof wegzuziehen, könne von ihr im Rahmen der Unterstützungspflicht für die Eltern eine Verschiebung dieses Vorhabens erwartet werden. Aber auch den Schwestern Margit (die in Lebensgemeinschaft lebt, kinderlos und Lehrerin an der Sonderschule in derselben Ortschaft ist, wobei sie Montag bis Freitag von 7.25 Uhr bis 12.20 Uhr unterrichtet und die Vorbereitungsarbeiten zu Hause erledigt) und Maria (die verheiratet ist, ein Kleinkind hat und mit ihrem Gatten die von den Schwiegereltern gepachtete Landwirtschaft bearbeitet) sowie fallweise auch dem Bruder Ludwig (der ledig ist und bei einem von seinem Wohnsitz ca. 24 km entfernten Finanzamt als Bodenschätzer berufstätig ist, wobei seine Arbeitszeit täglich um 7.00 Uhr beginnt und der Dauer nach unbestimmt ist, weil er ausschließlich Außendienst versieht) sei bei entsprechender Absprache und Einteilung eine angemessene Unterstützung der Eltern zuzumuten, dies vor allem deshalb, weil alle genannten Geschwister in unmittelbarer Umgebung des gegenständlichen Landwirtschaftsbetriebes wohnhaft seien, die Schwester Margit als Lehrerin nachmittags zu Hause sei und die Schwester Maria auf Grund ihrer landwirtschaftlichen Tätigkeit entsprechende Fachkenntnisse besitze und zeitliche Dispositionen treffen könne, um die Eltern angemessen zu unterstützen. Der Beschwerdeführer, der schon auf Grund einer in diese Richtung gehenden Begründung des erstinstanzlichen Bescheides in seiner erufung vorgebracht hat, daß er (und dies hätte im Falle des Unterbleibens der Pachtung zwangsläufig auch für seine Eltern gegolten) auf Grund ihrer konkreten Lebensverhältnisse von keinem seiner Geschwister eine Unterstützung erwarten könne, wendet sich auch in der Beschwerde (allerdings teilweise mit Neuerungen) hinsichtlich jedes einzelnen dieser Geschwister gegen die gegenteilige Annahme der belangten Behörde.
Dazu ist zunächst zu bemerken, daß es sich nach den (vom Beschwerdeführer unbestritten gebliebenen) Feststellungen der belangten Behörde um einen landwirtschaftlichen Betrieb im Gesamtausmaß von 30 ha, bestehend aus 5 ha Ackerland, 10 ha Wiesen und 15 ha Wald handelt, 2 ha Wiesen dazugepachtet worden sind, die maschinelle Ausstattung des Betriebes aus zwei Traktoren, einem Mähdrescher, einem Ladewagen, einem Miststreuer, einem Güllegefäß, einem Pflug, einer Egge, einem Kreiselmähwerk, einem Motormäher, zwei Anhängern und diversen Kleingeräten besteht und sich der Viehstand aus 11 Milchkühen und 22 "Jungtieren" zusammensetzt. Die belangte Behörde ist - auch für den Fall der von ihr "gegebenenfalls" für notwendig erachteten vorübergehenden Einschränkung der Tierhaltung - nicht davon ausgegangen, daß die für die Aufrechterhaltung des Betriebes erforderliche Arbeit anstelle des Beschwerdeführers zur Gänze von einem seiner Geschwister alleine bewältigt werden könne, sondern nur auf Grund des gemeinsamen Zusammenwirkens aller genannten Geschwister mit den Eltern. Der belangten Behörde ist darin beizupflichten, daß auf dem Boden des von ihr festgestellten Sachverhaltes keines der Geschwister für eine solche Mithilfe überhaupt ausscheidet, wenn man die räumliche Entfernung ihres Wohnortes zum Betrieb (von jeweils ca. 2 bzw. 3 km, während die Schwester Anna noch bei den Eltern wohnt, wobei es auf ihre beabsichtigte Übersiedlung nicht ankommt, da es sich hiebei um ein ungewisses, in der Zukunft liegendes Ereignis handelt) sowie ihre jeweilige private und berufliche Situation in Erwägung zieht. Solange aber nicht feststeht, welcher Arbeitseinsatz im gegenständlichen Betrieb konkret erforderlich ist, ist aber für den Verwaltungsgerichtshof nicht in ausreichendem Maße nachvollziehbar, daß auf diese Weise die Aufrechterhaltung des Betriebes tatsächlich bewerkstelligt werden kann. Insbesondere im Hinblick darauf, daß es sich bei den Geschwistern des Beschwerdeführers zum weit überwiegenden Teil um weibliche Personen handelt, während der einzige Bruder des Beschwerdeführers für eine Mithilfe im Betrieb nur "fallweise" und daher in sehr eingeschränktem Maße zur Verfügung stehen würde, wäre von der belangten Behörde näher zu begründen gewesen, inwieweit ihnen eine Mithilfe im Betrieb zumutbar und ob dadurch die Aufrechterhaltung des Betriebes möglich ist. Allenfalls hätte es zur Beantwortung dieser Frage der zeugenschaftlichen Vernehmung der Geschwister des Beschwerdeführers bzw. auch der Einholung eines entsprechenden Gutachtens eines Sachverständigen auf dem Fachgebiet der landwirtschaftlichen Betriebswirtschaft bedurft. In diesem Zusammenhang hätte auch eine Auseinandersetzung mit der Frage einer allfälligen vorübergehenden Einschränkung der Tierhaltung zu erfolgen gehabt. Die belangte Behörde hat nicht festgestellt, in welchem Ausmaß eine derartige Einschränkung, deren Möglichkeit der Beschwerdeführer (zwar erstmals in der Beschwerde, aber nachdem er erst im angefochtenen Bescheid damit konfrontiert worden war, sodaß insofern keine Neuerung vorliegt) aus wirtschaftlichen Gründen in Abrede stellt, objektiv vertretbar wäre.
Wenn die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides von einer Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes durch den Beschwerdeführer "ab dem Oktober-Termin 1990" spricht und sie in der Gegenschrift zusätzlich damit argumentiert, daß dem Antrag des Beschwerdeführers (abgesehen von seiner teilweisen Stattgebung) "mit der Wahl seines Garnisonsortes und des schließlichen Einberufungstermines (welcher im Hinblick auf landwirtschaftliche Tätigkeiten die Arbeitssaison der Sommermonate ausklammert) mit Einverständnis des Beschwerdeführers seinen Anliegen in größtmöglichem Ausmaß entsprochen worden ist", indem er "für den Einberufungstermin Oktober 1990 einberufen" wurde und er hiebei "in die Garnison Hörsching einzurücken hat", so kann darauf schon deshalb nicht Bedacht genommen werden, weil nur auf die im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides maßgebliche Rechtslage abgestellt werden kann, der betreffende Einberufungsbefehl der Aktenlage aber erst nach Erlassung des angefochtenen Bescheides ergangen ist und überdies kein Rechtsanspruch eines Wehrpflichtigen sowohl hinsichtlich des Einberufungstermins als auch hinsichtlich des Ortes, an dem er Präsenzdienst zu leisten hat, besteht. Im übrigen ist dazu zu bemerken, daß im Winter die Tierhaltung einen gegebenenfalls sogar größeren Arbeitseinsatz als im Sommer erfordert (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Jänner 1988, Zl. 87/11/0139). Den weiteren Hinweisen der belangten Behörde auf die Möglichkeit der Mitarbeit des Beschwerdeführers im Betrieb während seiner dienstfreien Zeit und im Falle vereinzelt anfallender dringender Arbeiten, die seine persönliche Anwesenheit erforderlich erscheinen ließen, auf Grund einer Dienstfreistellung gemäß § 49 Abs. 9 Wehrgesetz 1978 ist lediglich untergeordnetes Gewicht beizumessen, weil das Ausmaß der dienstfreien Zeit, das zum Teil auch von der Entfernung des Betriebes zu seinem Garnisonsort abhängt, jedenfalls nur eine Tätigkeit des Beschwerdeführers in eingeschränktem Maße zuläßt und ihm auch hinsichtlich der Gewährung einer Dienstfreistellung kein Rechtsanspruch zusteht.
Da somit der Sachverhalt in wesentlichen Punkten einer Ergänzung bedarf, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil an Stempelgebühren insgesamt lediglich S 420,-- zu entrichten waren (S 240,-- für die Beschwerde, S 60,-- für die Ausfertigung des angefochtenen Bescheides und S 120,-- für die Vollmacht), zumal die übrigen, erst nach Erlassung des angefochtenen Bescheides ausgestellten Beilagen bei Erledigung der Beschwerde keine Berücksichtigung finden konnten.
Schlagworte
Maßgebende Rechtslage maßgebender SachverhaltSachverständiger Erfordernis der Beiziehung Besonderes FachgebietSachverhalt Sachverhaltsfeststellung MitwirkungspflichtSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel SachverständigenbeweisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990110120.X00Im RIS seit
19.02.1991Zuletzt aktualisiert am
10.06.2009