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L7 WirtschaftsrechtNorm
StGG Art6 Abs1 / ErwerbsausübungLeitsatz
Bedarfsprüfung bei der Verleihung von Lichtspielbewilligungen schwerer Eingriff in die Erwerbsausübungsfreiheit - zur Durchsetzung öffentlicher Interessen ungeeignetes, jedenfalls inadäquates Mittel; die angestrebten Ziele - Wahrung des kulturellen Niveaus der öffentlich aufgeführten Filme, Jugendschutz - können auch durch Subventionen und Steuerbegünstigungen erreicht werdenSpruch
Als verfassungswidrig werden folgende Bestimmungen des Tiroler Lichtspielgesetzes, LGBl. Nr. 5/1986, aufgehoben:
a) im §5 Abs1 die Wortfolge "für diese Betriebsart und die Arten der vorzuführenden Filme in dem Gebiet, aus dem mit Rücksicht auf die Verkehrsverhältnisse Besucher zu erwarten sind (Einzugsgebiet), ein Bedarf besteht und";
b) im §5 Abs3 lita die Wortfolge "bei einem Standkino auf die bestehenden Bewilligungen für Standkinos,";
c) der §5 Abs4 zur Gänze.
Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Mai 1989 in Kraft.
Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.
Der Landeshauptmann von Tirol ist verpflichtet, diese Aussprüche unverzüglich im Landesgesetzblatt kundzumachen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim VfGH ist zu B28/87 das Verfahren über eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig. Diese wendet sich gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 28. November 1986, mit dem unter Bezugnahme auf §3 des Tiroler Lichtspielgesetzes, LGBl. 5/1986, (LichtspielG) der Antrag des Bf. auf Erteilung einer Bewilligung zur regelmäßigen Vorführung von pornographischen Spielfilmen im "Amor-Video-Center" in Innsbruck, Innrain 109, abgewiesen wurde. Der Bescheid wurde damit begründet, daß der im §5 des LichtspielG vorgesehene Bedarf nicht gegeben sei.
2.a) Der VfGH beschloß aus Anlaß dieser Beschwerde, gemäß Art140 Abs1 B-VG von amtswegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der im Spruch näher bezeichneten und in der folgenden litb hervorgehobenen Bestimmungen des §5 LichtspielG einzuleiten.
b) Die hier in Betracht zu ziehenden Bestimmungen des LichtspielG lauten:
§3
"Bewilligungspflicht,
Art und Umfang der Bewilligung
(1) Die öffentliche Vorführung von Filmen bedarf einer Bewilligung der Landesregierung (Lichtspielbewilligung).
(2) Die Bewilligung kann für folgende Betriebsarten erteilt werden:
a) die regelmäßige Vorführung von Filmen in einer ortsfesten Betriebsanlage (Standkino);
b) ......
(3) Die Bewilligung kann
a) für die Vorführung aller oder nur bestimmter Arten
von Filmen, wie Spielfilme, Lehrfilme, Kulturfilme,
b) ......
erteilt werden.
§4
Persönliche Voraussetzungen
..........
§5
Sachliche Voraussetzungen
(1) Die Bewilligung für ein Standkino darf nur erteilt werden, wenn für diese Betriebsart und die Arten der vorzuführenden Filme in dem Gebiet, aus dem mit Rücksicht auf die Verkehrsverhältnisse Besucher zu erwarten sind (Einzugsgebiet), ein Bedarf besteht und der Bewerber, soweit im §8 Abs7 nichts anderes bestimmt ist, über eine geeignete Betriebsanlage verfügt.
(2) Die Bewilligung für ein Wanderkino darf nur erteilt werden, wenn für diese Betriebsart und die Arten der vorzuführenden Filme in dem Gebiet, für das die Bewilligung beantragt wurde, ein Bedarf besteht.
(3) Bei der Beurteilung des Bedarfes ist
a) bei einem Standkino auf die bestehenden Bewilligungen für Standkinos, bei einem Wanderkino auf die bestehenden Bewilligungen für Standkinos und für Wanderkinos,
b) auf die Einwohnerzahl und
c) auf die Interessen des Fremdenverkehrs
in dem jeweils in Betracht kommenden Gebiet Bedacht zu nehmen.
(4) Für ein Standkino besteht jedenfalls kein Bedarf, wenn in seinem Einzugsgebiet bestehende Standkinos in ihrem Bestand wirtschaftlich gefährdet würden."
c) Der VfGH begründete im Einleitungsbeschluß seine Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung gezogenen landesgesetzlichen Vorschriften - nach einer Wiedergabe seiner bisherigen hier maßgebenden Rechtsprechung (s.u. II.2.a) - im wesentlichen wie folgt:
"...... Auf dem Boden dieser Judikatur wird zu klären sein, ob die vorgesehene Prüfung des Bedarfes (eine der sachlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Standkino-Bewilligung) im öffentlichen Interesse liegt, m.a.W., ob es das öffentliche Interesse gebietet, Angebot und Nachfrage nach Plätzen in Standkinos für den Fall des Betriebes eines neuen Standkinos in einem solchen Verhältnis zu halten, daß bestehende Standkinos in ihrem Bestand wirtschaftlich nicht gefährdet würden (§5 Abs4 LichtspielG).
Der VfGH kann vorerst keine derartigen öffentlichen Interessen erkennen. Insbesondere dürfte die Bedarfsprüfung kein geeignetes, zumindest aber kein adäquates Mittel zur Erreichung der Ziele sein, eine entsprechende Ausstattung der Standkinos zu gewährleisten und Interessen des Jugendschutzes zu wahren.
.......".
3.a) Die Tiroler Landesregierung erstattete im Gesetzesprüfungsverfahren eine ausführliche, sorgfältig begründete Äußerung, in der sie - auf das Wesentlichste zusammengefaßt - ausführt:
Die getroffene Regelung ziele darauf ab, ein Absinken des bestehenden kulturellen Niveaus der Kinos zu verhindern; sie diene weiters dem Jugendschutz. Zur Zielerreichung sei es nötig, das Angebot im Wege einer Bedarfsprüfung zu beschränken, damit die bestehenden Standkinos in ihrem Bestand wirtschaftlich nicht gefährdet werden. In den letzten Jahrzehnten seien die Zahlen der Kinobesucher, aber auch das Angebot an (seriösen) Filmen stark zurückgegangen. Würde die Bedarfsprüfung entfallen, sei zu erwarten, daß die Zahl der Lichtspielbewilligungen, insbesondere bei den "Kinogruppen", stark ansteigen würde. Der dadurch entstehende verschärfte Konkurrenzkampf unter den Lichtspielbetreibern wäre notwendigerweise mit einem Absinken des Niveaus der vorgeführten Filme verbunden:
"...... Es ist davon auszugehen, daß ein Kino für einen wirtschaftlichen Betrieb ca. 30 bis 50 (neue) Filme pro Jahr benötigt, da Nachaufführungen erfolgreicher Filme nur so lange von einigem wirtschaftlichen Interesse sind, als der Film nicht im Videoverleih erhältlich ist. Derzeit sind Nachaufführungen in den Innsbrucker Kinogruppen nicht üblich, sondern finden regelmäßig in anderen Kinos und in anderen Landesteilen statt. Es ist nun zu erwarten, daß die Kinogruppen weitere Abspielstätten zu dem Zweck errichten, auch die Nachaufführung publikumswirksamer Filme selbst vorzunehmen, also eine Tätigkeit, die bisher auf Grund der begrenzten Anzahl der Vorführstätten in der Regel unterblieben ist. Einzelprogrammierende Nachaufführungskinos würden daher auf Dauer vom Bezug solcher Filme ausgeschlossen. Bei den publikumswirksamen Filmen handelt es sich in der Regel um prädikatisierte, also um kulturell wertvolle Filme. Reprisen derartiger Filme sichern das Niveau in den Nachaufführungskinos und schaffen gleichzeitig dem Kinobetreiber den erforderlichen finanziellen Rückhalt, der es ihm wiederum ermöglicht, in relativer Unabhängigkeit vom Geschmack der breiten Masse andere kulturell wertvolle Filme als Erstaufführer vorzuführen. Dies ist beispielsweise in zwei der acht Kinos in Innsbruck der Fall, und zwar beim 'Cinematograph' und beim 'Cine-Royal'. Ein verschärfter Konkurrenzkampf zwischen den Kinobetreibern würde also bewirken, daß kulturell wertvolle, aber weniger publikumswirksame Filme in einem Standkino nicht mehr vorgeführt werden können, da die stärkere Abhängigkeit der Kinobetreiber vom jeweiligen Publikumsgeschmack derartige Aufführungen wirtschaftlich nicht mehr vertretbar erscheinen ließen. Damit ginge aber ein wesentlicher Teil des Tiroler Kulturlebens im Bereich des Lichtspielwesens verloren. ...."
Ein im Wirtschaftsleben üblicher Wettbewerb gehe von der Vermehrbarkeit der Unternehmen aus. Diese sei aber im Bereich der Kinowirtschaft nicht möglich. Eine Erhöhung des Kontingentes der aufführbaren neuen Filme liege außerhalb des Einflußbereiches der Kinobetreiber; ein echter Konkurrenzkampf zwischen den Kinobetrieben scheitere am Urheberrechtsschutz und an der bestehenden Struktur der Kinowirtschaft. Als Fimverleiher träten hauptsächlich Großkonzerne auf, wobei praktisch nur drei den Markt beherrschten, die also wirtschaftliche Übermacht besäßen. Da ein Kino im Durchschnitt ca. 30 bis 50 Filme jährlich je Abspielstelle benötige, werteten die großen Filmverleihunternehmen praktisch alles aus, was in einem seriös geführten Kino vorgeführt werden kann. Auch nach dem Wegfall der Bedarfsprüfung vor der Erteilung der Bewilligung für ein Standkino würde somit kein echter Wettbewerb um gute und publikumswirksame Filme stattfinden. Auf Grund der umfangreichen Investitionen, die die großen Verleihfirmen für den Ausbau der gepachteten Kinos getätigt haben, und wegen der hohen Konventionalstrafen dürfte es unrealistisch sein, anzunehmen, daß die Verleihfirmen die bestehenden langfristigen Pacht- bzw. Programmierungsverträge lösen, um Filme in einem neuen nicht von ihnen errichteten Standkino vorzuführen. Ein echter Konkurrenzkampf zwischen den Betreibern neu errichteter Kinos sei somit nur in einem Marktsegment denkbar, nämlich auf dem Gebiet der Brutalität und der Pornographie.
Es sei zu erwarten, daß der Wegfall der Bedarfsprüfung zu einer Explosion der Bewilligungen führen würde, so vor allem in Beherbergungs- und Gastbetrieben sowie in anderen öffentlich zugänglichen Aufenthaltsräumen; die Vorführung von Videofilmen sei technisch und wirtschaftlich sehr leicht möglich. Die Überwachung der Jugendschutzvorschriften des LichtspielG (§21 Abs6) wäre dann aber praktisch ausgeschlossen, da eine vermehrte behördliche Überwachungstätigkeit nicht finanzierbar wäre.
Der Trend zur Eröffnung von Kinos, die ausschließlich pornographische Filme vorführen wollen, halte in Tirol an. Die in Innsbruck bestehenden zwei derartigen Kinos seien aber nur zu 20 % ausgelastet. Das Pornographiegesetz, BGBl. 97/1950, verbiete nach der Rechtsprechung nur die sogenannte "harte Pornographie". Der Landesgesetzgeber habe außer den in Prüfung gezogenen Bestimmungen keine andere Handhabe, das Überhandnehmen von "Pornokinos" einzuschränken, weshalb diese Bestimmung nicht nur als im öffentlichen Interesse liegend, sondern auch als adäquat anzusehen sei. Sämtliche vier im Jahre 1986 gestellten Ansuchen um die Erteilung einer Bewilligung zur regelmäßigen Vorführung pornographischer Filme seien mangels Bedarfes abgewiesen worden. Fehlte eine derartige Bestimmung, so würden heute in Innsbruck bereits in jedem zweiten Kino ausschließlich pornographische Filme vorgeführt werden.
Schließlich weist die Tiroler Landesregierung darauf hin, daß es in den letzten zehn Jahren keinen einzigen Fall gegeben habe, bei dem eine Lichtspielbewilligung gegen Entgelt zugunsten eines anderen zurückgelegt wurde. Daraus ergebe sich, daß die Bedarfsregelung hier nicht dem Schutz der bestehenden Unternehmen vor Konkurrenz diene.
b) Die Tiroler Landesregierung stellt den Antrag, die in Prüfung gezogenen Bestimmungen des LichtspielG nicht als verfassungswidrig aufzuheben. Falls der VfGH diese Vorschriften doch aufheben sollte, wird begehrt, für das Inkrafttreten der Aufhebung eine Frist von einem Jahr zu bestimmen, damit rechtzeitig Vorsorge für eine gesetzliche Neuregelung getroffen werden könnte.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Die Anlaßbeschwerde ist zulässig. Der VfGH hätte bei der sohin zu treffenden Sachentscheidung die den Bedarf nach einem Standkino regelnden - das sind die in Prüfung gezogenen Vorschriften des LichtspielG anzuwenden. Diese landesgesetzlichen Bestimmungen sind daher präjudiziell in der Bedeutung des Art. 140 Abs1 B-VG.
Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist das Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.
2. Die im Einleitungsbeschluß geäußerten Bedenken des VfGH (s.o. I.2.c) haben sich als zutreffend erwiesen. Die Äußerung der Tiroler Landesregierung (s.o. I.3.) war nicht geeignet, sie zu zerstreuen:
a) Den in Prüfung gezogenen landesgesetzlichen Bestimmungen zufolge ist eine der sachlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Lichtspielbewilligung für ein Standkino, daß ein - im Gesetz näher umschriebener - Bedarf vorliegt. Diese Bestimmungen schränken daher augenscheinlich die Möglichkeit ein, einem bestimmten Erwerb nachzugehen und greifen sohin in das durch Art6 StGG verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit ein.
Der Gesetzgeber ist nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 3968/1961, 4011/1961, 5871/1968, 9233/1981) dem Art6 StGG zufolge ermächtigt, die Ausübung der Berufe dergestalt zu regeln, daß sie unter gewissen Voraussetzungen erlaubt oder unter gewissen Umständen verboten ist (also auch den Erwerbsantritt behindernde Vorschriften zu erlassen), sofern er dabei den Wesensgehalt des Grundrechtes und die sonstigen Vorschriften der Bundesverfassung nicht verletzt. Die jüngere Judikatur (zB VfSlg. 10179/1984, S 303, 10386/1985, S 288, 10932/1986, 11276/1987, 11483/1987, 11558/1987) hat dies dahin ergänzt und präzisiert, daß dem einfachen Gesetzgeber bei der Entscheidung, welche Ziele er mit seinen Regelungen verfolgt, innerhalb der Schranken der Verfassung ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum eingeräumt ist. Der VfGH hat nicht zu beurteilen, ob die Verfolgung eines Zieles etwa aus wirtschaftspolitischen oder sozialpolitischen Gründen zweckmäßig ist. Er kann dem Gesetzgeber nur entgegentreten, wenn dieser Ziele verfolgt, die keinesfalls als im öffentlichen Interesse liegend anzusehen sind (vgl. VfSlg. 9911/1983). Gesetzliche, die Erwerbsausübungsfreiheit beschränkende Regelungen sind nur dann zulässig, wenn sie durch das öffentliche Interesse geboten, zur Zielerreichung geeignet, adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen sind (siehe auch die in VfSlg. 10932/1986 zitierte Literatur).
Die Freiheit der Erwerbsausübung, wie sie verfassungsgesetzlich verbürgt ist, hat grundsätzlich einen freien Wettbewerb und damit einen Konkurrenzkampf zur Folge; er ist vom Verfassungsgesetzgeber also mitgedacht und darf sohin von Gesetzes wegen nur aus besonderen Gründen, etwa weil überwiegende volkswirtschaftliche Erwägungen dafür sprechen, unterbunden werden (VfSlg. 11483/1987, 11625/1988).
Errichtet das Gesetz eine Schranke schon für den Antritt eines Gewerbes, die der Betroffene, der alle subjektiven Voraussetzungen erfüllt, aus eigener Kraft nicht überwinden kann - eine Schranke, wie sie etwa eine Bedarfsprüfung darstellt - so liegt grundsätzlich ein schwerer Eingriff in die verfassungsgesetzlich gewährleistete Erwerbsausübungsfreiheit vor, der nur angemessen ist, wenn dafür besonders wichtige öffentliche Interessen sprechen und wenn keine Alternativen bestehen, um den erstrebten Zweck in einer gleich wirksamen, aber die Grundrechte weniger einschränkenden Weise zu erreichen (VfSlg. 11483/1987).
b) Auf dem Boden dieser Judikatur, von der abzugehen kein Anlaß besteht, sind die in Prüfung gezogenen Vorschriften wie folgt zu beurteilen:
aa) Die Erläuternden Bemerkungen zum Entwurf des LichtspielG (Sten. Berichte des Tiroler Landtages, X. Periode, 1. Sitzung der 4. Tagung am 20. November 1985) führen zu §5 u.a. aus:
".......
Einer Anregung der Fachgruppe der Lichtspieltheater und Audiovisionsveranstalter in der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Tirol folgend wird mit dem Abs4 eine Bestimmung in den Entwurf aufgenommen, die einen ruinösen Wettbewerb zwischen den einzelnen Standkinos, der erfahrungsgemäß mit einem Absinken der Qualität der Filme verbunden ist, verhindert. Damit soll gleichzeitig auch auf die wirtschaftlich schwierige Lage Bedacht genommen werden, in der sich die Lichtspielunternehmer auf Grund des Rückganges der Besucherzahlen befinden. ....."
Die Tiroler Landesregierung betont in ihrer Äußerung gleichfalls, daß es das Ziel der in Prüfung gezogenen Regelung sei, "den bestehenden niveauvollen und seriösen Kulturbetrieb im Bereich des Lichtspielwesens aufrechtzuerhalten".
Wenngleich es nicht in allen Fällen bloß eine einzige (richtige) Meinung geben mag, ob ein Film Qualität habe und niveauvoll und seriös sei, liegt das genannte Ziel - ohne daß dies weiterer Erörterungen bedarf - im öffentlichen Interesse.
Hingegen ist das in den Erläuterungen weiters angegebene Motiv, daß auf die wirtschaftlich schwierige Lage der bestehenden Lichtspieltheater Bedacht zu nehmen sei, unter dem Gesichtspunkt der Erwerbsausübungsfreiheit nicht ohne weiteres akzeptabel. Der Schutz bestehender Unternehmen vor Konkurrenz ist nämlich - wie in der vorstehenden lita dargetan wurde - nur dann gerechtfertigt, wenn hiefür besondere Gründe (etwa überwiegende volkswirtschaftliche Erwägungen) sprechen. Derartige Umstände wurden aber im Verfahren nicht einmal angedeutet; vielmehr stellt die Tiroler Landesregierung eine solche Zielsetzung ausdrücklich in Abrede.
c) Die von der Tiroler Landesregierung zur Begründung dafür, daß die in Prüfung gezogene Regelung zur Zielerreichung geeignet, adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen ist, vorgetragenen Argumente sind nicht überzeugend:
Zwar ist es - wie die Landesregierung annimmt - sehr wahrscheinlich, daß bei Wegfall der Bedarfsprüfung die Zahl der Kinos zumindest zunächst zunehmen würde. Entweder würden dann wegen der dadurch bewirkten erhöhten Besucherfreundlichkeit (leichtere Erreichbarkeit, bessere Ausstattung der Kinos usw.) mehr Personen als bisher Filme - und zwar auch seriöse - ansehen (dies auch dann, wenn die in Betracht kommende Zahl neuer Filme nicht vermehrbar ist) ein Effekt, der gerade in jenem öffentlichen Interesse läge, das zu fördern als Gesetzeszweck angegeben wird; oder aber es würden bestehende, wirtschaftlich schwächere, schlechter ausgestattete Kinos schließen (dies würde das öffentliche Interesse nicht tangieren). Weshalb durch eine Vermehrung und einen kundenfreundlicheren Betrieb von Kinos eine Verminderung der Besucher guter Filme eintreten sollte, ist sinnvoll nicht zu prognostizieren; ist doch nicht zu erwarten, daß damit die Nachfrage nach seriösen Filmen sinken und ihr Angebot veringert würde.
Die Tiroler Landesregierung meint jedoch weiters, eine (wesentliche) Vermehrung der Standkinos würde das Angebot an unseriösen Filmen erhöhen. Abgesehen von der Schwierigkeit, von Staats wegen die "unseriösen" von den "seriösen" Filmen abzugrenzen, ohne die verfassungsgesetzlich verankerte Kunst- und Meinungsäußerungsfreiheit zu verletzen, läßt sich aus der von der Landesregierung angestellten Prognose (auch wenn sie zutreffen sollte) noch nicht ableiten, daß das vermehrte Angebot von den potentiellen Kunden auch angenommen wird. Der Hinweis der Tiroler Landesregierung, daß die in Innsbruck bestehenden Kinos, die pornographische Filme spielen, nur zu 20 % ausgelastet sind, läßt dies eher nicht erwarten.
Dem klaren Wortlaut des Gesetzes zufolge - und von diesem ist bei rechtmäßigen Gesetzesvollzug auszugehen - ist die Kinokonzession zu verleihen, wenn ein Bedarf nach Kinos, die solche Filme spielen, besteht und nur dann zu versagen, wenn ohnehin keine Nachfrage besteht. Die im Gesetz vorgesehene Bedarfsprüfung ist also ein ungeeignetes Mittel, die Aufführung von Sex- oder Brutalfilmen hintanzuhalten oder zu restringieren. Gleiches gilt für die Aufführung von Filmen, deren Aufführung aus Gründen des Jugendschutzes abgelehnt wird.
Die Förderung des guten gegenüber dem schlechten Film kann im übrigen - wie die Landesregierung selbst ausführt - etwa durch entsprechende Subventionen und steuerliche Begünstigungen (siehe §2 Z6 und 7 des Tiroler Vergnügungssteuergesetzes, LGBl. 60/1982 und §1 des Tiroler Kriegsopferabgabegesetzes LGBl. 42/1953) auf direkte und zumindest gleich effektvolle Weise wie durch die Bedarfsprüfung erfolgen.
c) Zusammenfassend ist festzuhalten:
Die Bedarfsprüfung bei der Verleihung von Lichtspielbewilligungen ist ein schwerer Eingriff in die Erwerbsausübungsfreiheit und ein zur Durchsetzung öffentlicher Interessen ungeeignetes, jedenfalls aber inadäquates Mittel. Es gibt durchaus Wege, um die angestrebten Ziele (Wahrung des kulturellen Niveaus der öffentlich aufgeführten Filme, Jugendschutz) auf andere Weise als durch einen schweren Eingriff in das Grundrecht auf Erwerbsausübungsfreiheit zu erreichen.
Die in Prüfung gezogenen landesgesetzlichen Bestimmungen laufen also aus den im Prüfungsbeschluß vorläufig angenommenen Gründen, die sich durchwegs als stichhältig herausgestellt haben, dem auch den Gesetzgeber bindenden Grundrecht der Erwerbsausübungsfreiheit zuwider.
Diese Gesetzesvorschriften waren daher als verfassungswidrig aufzuheben.
3. Die übrigen Aussprüche gründen sich auf Art140 Abs5 und 6 B-VG.
Schlagworte
GewerberechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1988:G228.1987Dokumentnummer
JFT_10119379_87G00228_00