Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §52;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 22. März 1990, Zl. 9/01-30.472/12-1989, betreffend Erteilung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 22. März 1990 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 30. August 1988 auf Verlängerung der Gültigkeit seiner (bis 17. September 1988 befristeten) Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B gemäß § 64 Abs. 2 in Verbindung mit § 69 Abs. 1 lit. d KFG 1967 abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der angefochtene Bescheid beruht auf dem (aufgrund der amtsärztlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 24. November 1988 erstellten) Gutachten einer ärztlichen Amtssachverständigen der belangten Behörde vom 19. Juni 1989. Laut Gutachten seien beim (im Jahre 1928 geborenen) Beschwerdeführer festgestellt worden: erhöhter Blutdruck, vor allem rechts, eingeschränktes Sehvermögen von beidseits 6/12, Restlähmungen der Beine nach Poliomyelitis im Jahr 1951, verminderte grobe Kraft des linken Armes und Absinken und Pronieren links beim Arm-Vorhalteversuch, leicht verwackelter Finger-Finger- und Finger-Nase-Versuch. Im Gespräch und während der Untersuchung des Beschwerdeführers seien deutlich erkennbar eine allgemeine Verlangsamung, Weitschweifigkeit, eingeschränkte Wahrnehmungsfähigkeit, Gedächtnisstörungen im Sinne von Erinnerungsstörungen im Kurzzeitgedächtnis, eine verzögerte Entscheidungsfähigkeit und eine unkritische Haltung gegenüber seinen bestehenden Grundkrankheiten, welche sich auch in der mangelnden Complience hinsichtlich der Therapie ausdrücke. Laut augenfachärztlichem Befund Dris. S vom 29. November 1988 sei mit Brillenkorrektur eine bedingte Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe B gegeben. Nach den internistischen Fachbefunden des Univ.Prof. Dr. X vom 15. Februar 1989 und vom 13. März 1989 bestünden beim Beschwerdeführer ein Diabetes mellitus, eine arterielle Hypertonie, eine kompensierte sklerotische Cardiopathie, ein Verdacht auf eine Narbe in der (Herz-)Vorderwand, eine Cholelithiasis, ein Zustand nach Poliomyelitis im Jahr 1951 und ein Zustand nach linkshirnigem apoplektischem Insult im Jahr 1977. Der Diabetes mellitus und der Hochdruck seien derzeit nicht zufriedenstellend eingestellt; erst bei entsprechender Einstellung und öfterer Kontrolle der Blutzuckerwerte werde eine Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe B gesehen. Laut Bericht des Instituts für Forensische Psychiatrie der Universität Salzburg vom 16. Mai 1989 sei nach einem eineinhalbstündigen Gespräch mit dem Beschwerdeführer von einer Untersuchung Abstand genommen worden, weil aufgrund seiner derzeitigen psycho-physischen Verfassung (zu ergänzen: aus neuropsychiatrischer und verkehrspsychologischer Sicht) eine Untersuchung nur zu einem negativen Ergebnis führen könne. Weiters sei mitgeteilt worden, daß sich der Beschwerdeführer nach einer Kur einer neuerlichen Untersuchung stellen möchte. Zusammenfassend heißt es im Gutachten der Amtssachverständigen, es bestünden beim Beschwerdeführer ein Diabetes mellitus und eine Hochdruckerkrankung, die im Zusammenhang mit der mangelnden Bereitschaft zu einer Therapie infolge der unkritischen Haltung gegenüber seinen Grundkrankheiten Durchblutungsstörungen auch des Gehirns und damit Konzentrationsstörungen nach sich ziehen könnten, sowie ein vermindertes Erinnerungsvermögen, eine eingeschränkte Anpassungs- und Wahrnehmungsfähigkeit und eine allgemeine Verlangsamung. Aufgrund dieser vor allem kraftfahrspezifischen Leistungsmängel in Verbindung mit den seit der Poliomyelitis und dem apoplektischen Insult bestehenden körperlichen Leistungsmängeln (Restlähmungen der Beine und Schwäche im linken Arm), welche einer Kompensationsmöglichkeit durch gute kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit bedürften, sei der Beschwerdeführer derzeit nicht mehr geeignet, Kraftfahrzeuge der Gruppe B zu lenken.
Aus diesem von ihr als schlüssig erachteten Gutachten zog die belangte Behörde den Schluß, daß der Beschwerdeführer zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe B derzeit nicht geeignet sei, da er an Diabetes mellitus und Hochdruckerkrankung leide und infolge dessen die erforderliche kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit bei ihm nicht mehr vorliege. Von der Möglichkeit der Beibringung eines verkehrspsychologischen Befundes über seine kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit habe der Beschwerdeführer keinen Gebrauch gemacht.
Dem Beschwerdeführer ist zunächst einzuräumen, daß das Gutachten vom 19. Juni 1989 deshalb nicht mehr als Grundlage für die Beurteilung seiner körperlichen und geistigen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen hätte herangezogen werden dürfen, weil es sich auf Befunde stützt, die im Zeitpunkt der (durch seine Zustellung an den Beschwerdeführer am 29. März 1990 bewirkten) Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits älter als ein Jahr waren. Stützt sich nämlich ein Gutachten in entscheidenden Punkten auf Unterlagen, die bereits vor mehr als einem Jahr vor der Erlassung des betreffenden Bescheides zustande gekommen sind, so wird damit dem § 67 Abs. 2 KFG 1967, wonach das ärztliche Gutachten im Zeitpunkt der Entscheidung nicht älter als ein Jahr sein darf, nicht Genüge getan (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Mai 1990, Zl. 89/11/0185, mit weiteren Judikaturhinweisen). Eben dies trifft im vorliegenden Fall zu, und zwar nicht nur auf die im Gutachten der Amtssachverständigen vom 19. Juni 1989 erwähnten fachärztlichen Befunde, sondern auch auf ihre eigene Untersuchung des Beschwerdeführers, ist diese doch bereits am 24. November 1988 erfolgt.
Der geschilderte Verfahrensmangel ist allerdings nicht relevant, weil die belangte Behörde auch bei seiner Vermeidung zu keinem anders lautenden Bescheid hätte kommen können.
Gemäß § 64 Abs. 2 KFG 1967 darf die Lenkerberechtigung nur Personen erteilt werden, die zum Lenken von Kraftfahrzeugen der entsprechenden Gruppe geistig und körperlich geeignet sind. Als in diesem Sinne geeignet gilt gemäß § 30 Abs. 1 KDV 1967, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften 1.) ausreichend frei von psychischen Krankheiten und geistigen Behinderungen ist, 2.) die nötige a) Körpergröße,
b) Körperkraft und c) Gesundheit besitzt und 3.) ausreichend frei von Gebrechen ist. Darüber hinaus müssen die nötige kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit und Bereitschaft zur Verkehrsanpassung gegeben sein. Wesentliche Voraussetzung für die Bejahung der körperlichen und geistigen Eignung einer Person zum Lenken von Kraftfahrzeugen ist demnach unter anderem das Vorliegen der nötigen kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit.
Bereits der Amtsarzt der Erstbehörde stellte in seinem die geistige und körperliche Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen verneinenden Gutachten vom 13. September 1988 unter anderem fest: "Hochgradige Verlangsamung, red. Allgemeinzustand, Mängel in Überblicksgewinnung/Reaktionsvermögen/Beobachtungsleistung". Damit zog er die nötige kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers in Zweifel. Auch die Amtssachverständige der belangten Behörde verneinte in ihrem Gutachten vom 19. Juni 1989 die besagte Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers, und zwar aufgrund ihrer Wahrnehmungen bei seiner Untersuchung. In ihrem Gutachten bezog sie sich weiters ausdrücklich auf die Mitteilung des Instituts für Psychiatrie der Universität Salzburg vom 16. Mai 1989, wonach unter anderem von einer verkehrspsychologischen Untersuchung des Beschwerdeführers deshalb Abstand genommen worden sei, weil sie beim damaligen Zustand des Beschwerdeführers nur zu einem negativen Ergebnis hätte führen können, wobei der Beschwerdeführer selbst angegeben habe, sich erst nach einer Kur einer derartigen Untersuchung unterziehen zu wollen. Der Beschwerdeführer legte in der Folge mit seinem Schreiben vom 28. August 1989 das Gutachten eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie vom 2. September 1988, einen Bericht der Landesnervenklinik Salzburg vom 20. Februar 1987, ein "Kurzparere" vom 20. Februar 1987 und einen "Psychologischen Kurzbefund" vom 31. August 1987, nicht jedoch einen verkehrspsychologischen Befund vor. Die ärztliche Amtssachverständige hielt in ihrer Äußerung vom 24. November 1989 an ihrem Gutachten vom 19. Juni 1989 fest und wies darauf hin, daß es Sache des Beschwerdeführers sei, die als Beurteilungshilfe unter anderem erforderliche, am 16. Mai 1989 in Aussicht gestellte verkehrspsychologische Untersuchung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit nachzuholen. Unter Hinweis darauf räumte die belangte Behörde mit ihrer Erledigung vom 4. Jänner 1990 dem Beschwerdeführer eine Frist von zwei Monaten zur Beibringung eines Befundes zur Beurteilung seiner kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit ein. (Bei dieser Erledigung handelt es sich um eine Verfahrensanordnung im Sinne des § 63 Abs. 2 AVG; vgl. zur rechtlichen Qualifikation derartiger Aufforderungen in Verfahren zur Erteilung einer Lenkerberechtigung die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. November 1981, Slg. Nr. 10.598/A, und vom 3. Juli 1985, Zl. 83/11/0139). Der Beschwerdeführer brachte keinen derartigen Befund bei. Er ist damit der ihm gemäß § 67 Abs. 2 letzter Satz KFG 1967 obliegenden Verpflichtung, die zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde beizubringen, trotz gebotener Gelegenheit nicht nachgekommen. Bei dieser Sachlage hatte die belangte Behörde davon auszugehen, daß eine wesentliche Erteilungsvoraussetzung - die durch ein ärztliches Gutachten erwiesene kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit und mithin die geistige und körperliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen - beim Beschwerdeführer nicht gegeben ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Mai 1990, Zl. 89/11/0283). Gegen die Richtigkeit der Meinung der ärztlichen Amtssachverständigen, es bedürfe zur Beurteilung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers einer entsprechenden verkehrspsychologischen Untersuchung, hegt der Verwaltungsgerichtshof bei der gegebenen Sachlage und angesichts des Fehlens eines konkreten Vorbringens des Beschwerdeführers dazu keine Bedenken.
Im Hinblick auf dieses Ergebnis sind die übrigen vom Beschwerdeführer gerügten Verfahrensmängel - unbeschadet der Frage der Berechtigung des jeweiligen Vorbringens - deshalb nicht wesentlich, weil sie nicht die hier allein entscheidende Frage der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers betreffen. Die belangte Behörde hätte auch bei ihrer Vermeidung zu keinem anders lautenden Bescheid kommen können. Im Hinblick darauf erübrigt sich eine nähere Auseinandersetzung mit dem diesbezüglichen Beschwerdevorbringen.
Da sich die Beschwerde im Ergebnis als nicht berechtigt erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als nicht begründet abzuweisen.
Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Schlagworte
Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Techniker KraftfahrzeugtechnikerEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990110099.X00Im RIS seit
19.03.2001Zuletzt aktualisiert am
03.07.2009