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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Baumann als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 31. Juli 1990, Zl. VerkR-12.784/2-1990-II/Zo, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird 1. hinsichtlich der Verwaltungsübertretung nach § 31 Abs. 1 StVO in der Wortfolge "einen Leitungsmast der OKA abgerissen und" sowie im Strafausspruch, 2. hinsichtlich der Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 1 lit. c StVO im Schuld- und Strafausspruch, weiters
3. hinsichtlich der gesamten Kostenentscheidung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.560,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 8. Dezember 1988 um ca. 3.45 Uhr einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw an einem näher bezeichneten Ort in Brandhof gelenkt und sei dort infolge Glatteis links von der Fahrbahn abgekommen; 1. dabei sei durch seinen Pkw ein Leitungsmast der OKA abgerissen und ein Leitpflock und eine Schneestange zertrümmert worden; 2. er habe es in weiterer Folge unterlassen, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, weil er die Unfallstelle verlassen habe und sein körperlicher und geistiger Zustand zum Tatzeitpunkt nicht mehr feststellbar gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe hiedurch Verwaltungsübertretungen zu 1. nach § 31 Abs. 1 StVO, zu 2. nach § 4 Abs. 1 lit. c StVO begangen. Es wurden Geldstrafen von je S 1.000,-- (Ersatzarreststrafen je 48 Stunden) verhängt.
Hiegegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
1. ZUR ÜBERTRETUNG NACH § 31 ABS. 1 STVO
Gemäß § 31 Abs. 1 StVO dürfen Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs (insbesondere Verkehrsampeln, Signalscheiben, Straßenverkehrszeichen, Verkehrsleiteinrichtungen, Sockel für Verkehrsposten, Verkehrstürme, Schutzinseln, Sperrketten, Geländer, Begrenzungspfeiler, Randsteine, radableitende Randbegrenzungen, Straßenbeleuchtungseinrichtungen, Schneegatter, Verkehrsspiegel und das allenfalls mit solchen Einrichtungen verbundene Rückstrahlmaterial) nicht beschädigt oder unbefugt angebracht, entfernt, verdeckt oder in ihrer Lage oder Bedeutung verändert werden. Gemäß § 99 Abs. 2 lit. e StVO begeht eine Verwaltungsübertretung, wer Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs unbefugt anbringt, entfernt, verdeckt oder in ihrer Lage oder Bedeutung verändert oder solche Einrichtungen beschädigt, es sei denn, die Beschädigung ist bei einem Verkehrsunfall entstanden und die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle oder der Straßenerhalter ist von der Beschädigung unter Bekanntgabe der Identität des Beschädigers ohne unnötigen Aufschub verständigt worden.
Während Schneestangen und Leitpflöcke zu den in § 31 Abs. 1 StVO genannten Verkehrsleiteinrichtungen des § 57 StVO zählen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 28. September 1988, Zl. 88/02/0133), ist die Beschädigung von Leitungsmasten eines Elektrizitätsversorgungsunternehmens in § 31 Abs. 1 StVO nicht pönalisiert; um eine Straßenbeleuchtungseinrichtung handelte es sich nach der Aktenlage nicht. Der Schuldspruch erweist sich daher in der einen Leitungsmast betreffenden Wortfolge als inhaltlich rechtswidrig.
Zum verbleibenden Teil des Schuldspruches ist folgendes auszuführen:
Die belangte Behörde meint, aus dem klaren Wortlaut des § 99 Abs. 2 lit. e StVO ergebe sich nicht, daß ein Verschulden des Beschwerdeführers an der Beschädigung erforderlich sei. Zutreffend verweist der Beschwerdeführer demgegenüber auf das hg. Erkenntnis vom 13. Mai 1987, Zl. 85/18/0067, in dem der Gerichtshof zum Ausdruck gebracht hat, daß Voraussetzung für jede Strafbarkeit eines tatbildmäßigen, rechtswidrigen menschlichen Verhaltens schuldhaftes Handeln des Täters ist. Auch für das Verwaltungsstrafrecht gilt zufolge § 5 Abs. 1 VStG (ungeachtet der Beweislastumkehr für Ungehorsamsdelikte) ebenso wie gemäß § 4 StGB das Schuldprinzip, d.h. eine Bestrafung ist nur bei Vorliegen eines schuldhaften Verhaltens möglich. Die belangte Behörde war daher gehalten, sich mit der Frage des Verschuldens des Beschwerdeführers an der Beschädigung der genannten Verkehrsleiteinrichtungen auseinanderzusetzen, was sie ungeachtet ihrer irrigen Rechtsmeinung auch getan hat.
Der Beschwerdeführer bestreitet ein solches Verschulden. Er bekämpft insbesondere die Feststellung der belangten Behörde, die von ihm befahrene Landesstraße wäre durchgehend vereist gewesen.
Richtig ist zwar, daß sich dies nicht auch aus dem Bericht der Flugsicherungsstelle Linz ergibt, demzufolge die Temperatur am Flughafen Hörsching "gegen Morgen" unter 0 Grad sank. Dem Hinweis der belangten Behörde auf die Zeugenaussage des Beifahrers des Beschwerdeführers, wonach die Straße durchwegs vereist gewesen sei, vermag er aber nur die Vermutung eines Gendarmeriebeamten, der seinen Dienst erst um 7.00 Uhr angetreten hatte, entgegenzusetzen, es wäre möglich, daß die Vereisung an der Unfallstelle begonnen habe. Wenn die belangte Behörde unter den gegebenen Umständen der erwähnten Aussage des Beifahrers des Beschwerdeführers, der den Unfall auf eine den erwähnten Straßenverhältnissen nicht angepaßte Fahrgeschwindigkeit zurückführte, besonderes Gewicht beigemessen und ihr Glauben geschenkt hat, so kann der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der ihm zustehenden eingeschränkten Beweiswürdigungskontrolle (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) eine Rechtswidrigkeit nicht erblicken. Im Hinblick auf dieses Beweisergebnis war die Einholung eines Gutachtens der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik entbehrlich. Ausgehend von ihren Sachverhaltsfeststellungen hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer daher zu Recht eine fahrlässige Beschädigung der Verkehrsleiteinrichtungen angelastet. Zutreffend ist im übrigen auch ihre Bemerkung, daß der Beschwerdeführer unter den damaligen, jahreszeitlich bedingten Verhältnissen selbst mit plötzlich auftretendem Glatteis hätte rechnen müssen.
Eine Bestrafung nach der angeführten Gesetzesstelle hält der Beschwerdeführer auch deshalb für rechtswidrig, weil die nächste Gendarmeriedienststelle ohnehin ohne unnötigen Aufschub verständigt worden sei. Soweit er sich hiebei auf die um
3.50 Uhr erfolgte Anzeige einer unbekannten Autolenkerin berufen will, übersieht er, daß damit keine Verständigung im Sinne des § 99 Abs. 2 lit. e StVO erfolgt ist, da die Identität des Beschädigers nicht bekanntgegeben wurde. Die Bekanntgabe durch den Vater des Beschwerdeführers um 4.45 Uhr wiederum ist nicht "ohne unnötigen Aufschub" im Sinne der zitierten Bestimmung erfolgt. Der Beschwerdeführer ließ sich nach dem Unfall von einem vorbeikommenden Kraftfahrzeuglenker nämlich zunächst nach E. bringen, wobei er am der Unfallstelle nächstgelegenen Gendarmerieposten vorbeikam. Anschließend brachte ihn der Beifahrer des Unfallfahrzeuges mit seinem eigenen Fahrzeug nach Hause. Erst in der Folge suchte der Vater des Beschwerdeführers den Gendarmerieposten auf, um die Beschädigung zu melden. Es kann somit keine Rede davon sein, daß diese Bekanntgabe "ohne unnötigen Aufschub" - dieses Merkmal ist nach der Rechtsprechung streng auszulegen (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 28. November 1990, Zl. 90/02/0049) - geschehen wäre.
Was die Strafbemessung anlangt, zeigt sich der Beschwerdeführer lediglich verwundert darüber, daß über ihn eine strengere Strafe als in der Strafverfügung verhängt wurde. Er verkennt, daß die Behörde im ordentlichen Verfahren auf den Inhalt der durch Einspruch außer Kraft getretenen Strafverfügung keine Rücksicht zu nehmen hat und auch eine andere Strafe aussprechen kann, wobei es einer diesbezüglichen Begründung sodann nicht bedarf (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1990, Zl. 90/02/0197). Wegen der oben dargestellten Rechtswidrigkeit eines Teiles des Schuldspruches war der angefochtene Bescheid hinsichtlich der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung aber auch im Strafausspruch aufzuheben, weil nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde zu einer anderen Strafbemessung gelangt wäre, hätte sie dem Beschwerdeführer nur die Beschädigung eines Leitpflockes und einer Schneestange angelastet.
2. ZUR ÜBERTRETUNG NACH § 4 ABS. 1 lit. c STVO
In seinem Erkenntnis vom 15. Mai 1990, Zl. 89/02/0164, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß nicht nur die Verständigungspflicht nach dem allgemeinen Tatbestand des § 4 Abs. 5 StVO die Mitwirkungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 lit. c StVO nach sich zieht, sondern daß Entsprechendes auch für den Fall des besonderen Tatbestandes nach § 31 Abs. 1 in Verbindung mit § 99 Abs. 2 lit. e StVO gilt. Der Gerichtshof hat weiters auch in diesem Erkenntnis die Meinung vertreten, daß der Tatbestand der Verwaltungsübertretung nach dieser Vorschrift auch durch ein Verlassen der Unfallstelle erfüllt werden kann; Voraussetzung ist, daß die persönliche Anwesenheit des Unfallbeteiligten an der Unfallstelle noch zur ordentlichen Erhebung des Sachverhaltes notwendig war. Die Verpflichtung zur Mitwirkung an der Feststellung des Sachverhaltes reicht nur soweit, als es zur Feststellung von Sachverhaltselementen, insbesondere zur Sicherung von Spuren am Unfallsort oder sonstiger konkreter Beweismittel, aber auch zur Person des beteiligten Fahrzeuglenkers erforderlich ist, so etwa, ob er zur Lenkung des am Verkehrsunfall beteiligten Fahrzeuges berechtigt war oder ob er äußerlich den Anschein erweckt, daß er sich geistig und körperlich in einem zur Lenkung eines Kraftfahrzeuges geeigneten Zustand befindet.
Der Beschwerdeführer behauptet, eine Mitwirkungspflicht könne erst ab dem Zeitpunkt angenommen werden, ab dem er Kenntnis von einer amtswegigen Sachverhaltsermittlung erlangt habe. Dieser Rechtsansicht kann der Verwaltungsgerichtshof nicht zustimmen. Den vom Beschwerdeführer hiezu zitierten hg. Erkenntnissen vom 13. November 1967, Slg. 7219/A, vom 25. Februar 1983, Zl. 81/02/0162, und vom 20. November 1985, Zl. 85/03/0129, kann derartiges nicht entnommen werden. In diesen Erkenntnissen hat der Verwaltungsgerichtshof lediglich ausgeführt, daß eine Mitwirkungspflicht dann besteht, wenn es zu einer amtlichen Aufnahme des Tatbestandes kommt oder zu kommen hat. Daß dies im Beschwerdefall nicht zuträfe, behauptet der Beschwerdeführer selbst nicht.
Zu Recht rügt der Beschwerdeführer aber, daß ihm im Spruch des von der belangten Behörde bestätigten Straferkenntnisses angelastet wurde, die Unfallstelle verlassen zu haben, während in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausgeführt wird, das Verlassen der Unfallstelle sei ihm nicht vorzuwerfen - wohl aber, daß er den Unfall nicht ohne unnötigen Aufschub gemeldet habe, sondern noch nach E. gefahren sei. Dieser Widerspruch zwischen Spruch und Begründung belastet den angefochtenen Bescheid auch hinsichtlich der Übertretung nach § 4 Abs. 1 lit. c StVO mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, Seite 575).
Zur vorliegenden Begründung wird aus verfahrensökonomischen Gründen folgendes bemerkt:
Das Verlassen der Unfallstelle ist dann tatbildmäßig, wenn es dem oben angeführten Zweck der Mitwirkungspflicht zuwiderläuft (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 15. Mai 1990, Zl. 89/02/0048 und Zl. 89/02/0164). Die belangte Behörde gestand dem Beschwerdeführer in der Bescheidbegründung aber zu, daß er die Unfallstelle verlassen durfte, meinte jedoch, die erhebenden Gendarmeriebeamten hätten sich ein Bild über die Person des Beschwerdeführers machen können, wenn er nicht erst um 6.10 Uhr den Gendarmerieposten aufgesucht hätte, sondern schon früher an die Unfallstelle zurückgekehrt wäre. Sie begründet aber nicht, warum es um 6.10 Uhr (somit etwa zweieinhalb Stunden nach dem Unfall) nicht mehr möglich gewesen wäre, Feststellungen zu treffen, aus denen auf den Zustand des Beschwerdeführers im Unfallszeitpunkt hätte geschlossen werden können. Nach der Aktenlage ist beim persönlichen Erscheinen des Beschwerdeführers am Gendarmerieposten jegliche Untersuchung seines Zustandes unterblieben und hatte es mit der schriftlichen Aufnahme eines Verkehrsunfalles mit Sachschaden um 6.40 Uhr sein Bewenden.
Berechtigt ist in diesem Zusammenhang auch die Rüge des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe sich mit den Zeugenaussagen seines Beifahrers und seines Vaters über seine Rückkehr zur Unfallstelle im Anschluß an die Vorsprache des Vaters am Gendarmerieposten nicht auseinandergesetzt.
Der angefochtene Bescheid war somit im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Schlagworte
Mitwirkung und Feststellung des SachverhaltesSpruch und BegründungMeldepflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990020152.X00Im RIS seit
12.06.2001Zuletzt aktualisiert am
27.02.2009