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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
StVO 1960 §19 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Baumann als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 8. November 1990, Zl. I/7-St-B-89327, betreffend Bestrafung wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 8. November 1990 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws zu einem näher angeführten Zeitpunkt im Gemeindegebiet Bergland, Abfahrt "Ybbs/D." der
A 1-Westautobahn, Kreuzung mit der Bundesstraße 25, Fahrtrichtung Ybbs/D., beim Vorschriftszeichen "Halt" nicht vor der Kreuzung angehalten und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach "§ 99 Abs. 3 lit. a, § 19 Abs. 4 letzter Satz, § 52 Z. 24 erster Satz" StVO begangen. Es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
Eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides ergibt sich daraus, daß die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Tat den Vorschriften des § 19 Abs. 4 letzter Satz und des § 52 Z. 24 erster Satz StVO unterstellt und darin eine Verwaltungsübertretung gesehen wurde. Nach der Aktenlage ist davon auszugehen, daß die belangte Behörde das inkriminierte Verhalten des Beschwerdeführers darin erblickt hat, der Beschwerdeführer habe ungeachtet des Vorschriftszeichens des § 52 (lit. c) Z. 24 StVO das Fahrzeug vor der Kreuzung überhaupt nicht angehalten, was die belangte Behörde zu Recht als einen Verstoß gegen die soeben zitierte Vorschrift gewertet hat, zumal sich kein Anhaltspunkt für das Vorhandensein eines vorrangberechtigten Lenkers eines Kraftfahrzeuges im Kreuzungsbereich ergibt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 31. Oktober 1990, Zlen. 90/02/0084, 0087). Allerdings hat die belangte Behörde im Sinne der soeben zitierten hg.
Rechtsprechung die Rechtslage verkannt, weil sie die Tat gleichzeitig der Vorschrift des § 19 Abs. 4 StVO unterstellt hat, zumal die Anwendung dieser Bestimmung jedenfalls das Vorhandensein zweier Fahrzeuge im fließenden Verkehr voraussetzt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 1988, Zl. 88/02/0029). Durch das Mitzitieren des § 19 Abs. 4 letzter Satz StVO als verletzte Verwaltungsvorschrift, die vom Beschwerdeführer nicht verletzt worden ist, ist der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, da diese mitzitierte Norm einen eigenen Tatbestand einer Verwaltungsübertretung bildet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 1989, Zl. 85/18/0175).
Es ist zwar die Ansicht des Beschwerdeführers verfehlt, die belangte Behörde hätte "positiv" festzustellen gehabt, daß der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegte Tat auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr begangen habe (wodurch er offenbar auf § 1 Abs. 1 StVO Bezug nimmt), ergibt sich doch nach der Aktenlage für die gegenteilige Annahme keinerlei Anhaltspunkt. Dennoch ist die Verfahrensrüge des Beschwerdeführers teilweise berechtigt: Zunächst vermag der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht der belangten Behörde in der Gegenschrift, der Beschwerdeführer habe die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung in der Beschwerde (Seite 11) zugegeben, nicht zu teilen. Vielmehr ist dieses Vorbringen des Beschwerdeführers wohl nur dahin zu verstehen, daß er - im Falle seine Beschwerde gegen den Schuldspruch keinen Erfolg haben sollte - die Strafbemessung als rechtswidrig ansieht. Zu Recht rügt der Beschwerdeführer, daß sich die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides im wesentlichen mit den Angaben des Meldungslegers in der Anzeige vom 2. August 1989 auseinandergesetzt hat und in die Ausführungen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren nicht ausreichend eingegangen ist. Wohl hat sich die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausführlich damit befaßt, ob der Beschwerdeführer im Verfahren vor der Behörde erster Instanz eine Stellungnahme abgegeben hat oder nicht, obwohl dem im Ergebnis keine maßgebliche Bedeutung zukam, zumal diese Stellungnahme jedenfalls der belangten Behörde (als Beilage zur Berufung) vorlag, was in der Gegenschrift auch zugestanden wird. Allerdings hat sich die belangte Behörde mit dem Inhalt dieser Stellungnahme nicht auseinandergesetzt, was schon deshalb erforderlich gewesen wäre, da der Beschwerdeführer darin Beweisanträge gestellt hat. Dieser Begründungsmangel ist wesentlich, weil nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei seinem Unterbleiben zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Der Verwaltungsgerichtshof erachtet es für zweckmäßig, darauf hinzuweisen, daß er nicht zu erkennen vermag, welche entscheidungswesentlichen Umstände durch die Durchführung des vom Beschwerdeführer in der erwähnten Stellungnahme beantragten Ortsaugenscheines festgestellt werden könnten. Die Einvernahme der Ehefrau des Beschwerdeführer als Zeugin in Hinsicht auf die Frage, ob der Beschwerdeführer - entsprechend seinem Vorbringen - das Fahrzeug vorschriftsgemäß bei der "Stop-Tafel" angehalten hat, scheint dem Verwaltungsgerichtshof allerdings nach der Aktenlage unumgänglich. Weiters sei darauf verwiesen, daß im Hinblick auf das Vorbringen des Beschwerdeführers eine zeugenschaftliche Einvernahme jenes Gendarmeriebeamten, der gegen den Beschwerdeführer die Anzeige erstattet hat, erforderlich sein wird (vgl. dazu das Erkenntnis eines hg. verstärkten Senates vom 26. Juni 1978, Slg. Nr. 9602/A).
Der angefochtene Bescheid war daher auf Grund der oben aufgezeigten Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß in das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Schlagworte
Verwaltungsvorschrift Mängel im Spruch falsche Subsumtion der TatEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990020186.X00Im RIS seit
12.06.2001Zuletzt aktualisiert am
12.05.2009