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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §73 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Mag. Meinl und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Disziplinar-Oberkommission beim Bundeskanzleramt vom 15. Juni 1988, GZ 21 - DOK/88, betreffend Suspendierung und Bezugskürzung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der beantragten Höhe von S 9.840,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nach Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens hatte die Disziplinarkommission beim Stadtschulrat für Wien mit Bescheid vom 4. März 1988 gemäß § 112 Abs. 3 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333 (BDG 1979), die Suspendierung des Beschwerdeführers verfügt und unter Bezugnahme auf den Abs. 4 dieser Gesetzesstelle weiters ausgesprochen, daß sein Monatsbezug - unter Ausschluß der Haushaltszulage - für die Dauer der Suspendierung auf zwei Drittel gekürzt werde. Zur Begründung war ausgeführt worden, dem Stadtschulrat für Wien sei durch den Schulerhalter der Schulen des Berufsförderungsinstitutes zur Kenntnis gebracht worden, es bestehe der Verdacht, daß sich der Beschwerdeführer Geldmittel des Schulerhalters bzw. Spenden zur Förderung der Schulen ungerechtfertigt angeeignet hätte. Das Landesgericht für Strafsachen Wien hätte dem Stadtschulrat für Wien mit Schreiben vom 15. Feber 1988, Zl. 21b Vr 846/88, mitgeteilt, daß gegen den Beschwerdeführer wegen §§ 153 Abs. 1 und 2 bzw. 133 Abs. 1 und 2 StGB sowie wegen § 33 Abs. 1 und 3 lit. a FinStrG das Strafverfahren eingeleitet worden sei und der Beschwerdeführer sich seit 11. Feber 1988 in Untersuchungshaft befinde.
Die Disziplinar-Oberkommission beim Bundeskanzleramt als Disziplinarbehörde zweiter Rechtsstufe gab der vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung mit Bescheid vom 15. Juni 1988 keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der zunächst an ihn wegen Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie der Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm gerichteten Beschwerde gegen den obgenannten Bescheid mit Beschluß vom 24. September 1990, B 1464/88, ab, weil das Beschwerdevorbringen vor dem Hintergrund der Rechtsprechung der EKMR sowie des Verfassungsgerichtshofes die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen lasse, daß es - unter dem Blickwinkel der vom Verfassungsgerichtshof wahrzunehmenden Rechtsverletzungen - keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Gleichzeitig wurde die Beschwerde nach Art. 144 Abs. 3 B-VG antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.
In der über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in dem ihm zustehenden Recht auf Entscheidung über eine von ihm eingebrachte Berufung durch die nach den anzuwendenden Verfahrensvorschriften - insbesondere § 73 AVG - zuständige Behörde sowie in dem Recht auf Nichtverfügung der Suspendierung und Nichtkürzung des Monatsbezuges verletzt. Er trägt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde im Einklang mit seinem Vorbringen vor dem Verfassungsgerichtshof vor, er hätte, weil die belangte Behörde ihrer in § 119 BDG 1979 normierten Verpflichtung, binnen der einmonatigen Frist über die Berufung gegen die Suspendierung zu entscheiden, nicht nachgekommen sei, am 15. Juni 1988 einen Devolutionsantrag an den Bundesminister für Unterricht, Kunst und Sport gerichtet. Da der nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtene Bescheid der belangten Behörde vom 15. Juni 1988 dem Rechtsfreund des Beschwerdeführers erst am 11. Juli 1988 zugestellt worden sei, habe über die Berufung des Beschwerdeführers eine unzuständige Behörde entschieden.
Der Verwaltungsgerichtshof leitete mit Verfügung vom 7. Jänner 1991 gemäß § 35 Abs. 3 und § 36 Abs. 1 VwGG das Vorverfahren ein, stellte der belangten Behörde eine Ausfertigung der Beschwerdeergänzung zu und forderte sie auf, innerhalb sechs Wochen hiezu eine Gegenschrift zu erstatten und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen, wobei auf die Bestimmungen des § 38 Abs. 2 und 3 leg. cit. hingewiesen wurde.
Die belangte Behörde legte innerhalb der sechswöchigen Frist die Akten des Disziplinarverfahrens vor und teilte mit, daß von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen werde. Nicht vorgelegt wurden jene Aktenteile, die den an den Bundesminister für Unterricht, Kunst und Sport gerichteten Devolutionsantrag des Beschwerdeführers vom 15. Juni 1988 betreffen.
Der Gerichtshof hat daher über die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Nach § 38 Abs. 1 VwGG ist das Verfahren auch dann fortzuführen, wenn die im § 36 Abs. 1 und 8 angeführten Schriftsätze nicht eingebracht oder die Akten nicht vorgelegt wurden. Hat die belangte Behörde die Akten nicht vorgelegt, so kann der Verwaltungsgerichtshof, wenn er die Behörde auf diese Säumnisfolge vorher ausdrücklich hingewiesen hat, auf Grund der Behauptungen des Beschwerdeführers erkennen. Da - wie dargelegt - die Akten des Verwaltungsverfahrens im vorliegenden Beschwerdefall dem Verwaltungsgerichtshof nur unvollständig vorgelegt wurden und die belangte Behörde auf die Säumnisfolge des § 38 Abs. 2 VwGG ausdrücklich hingewiesen worden ist, konnte der Verwaltungsgerichtshof über die Beschwerde - insoweit Teile der Akten des Verwaltungsverfahrens durch die belangte Behörde nicht vorgelegt wurden - auf Grund der Behauptungen des Beschwerdeführers erkennen, zumal die erwähnte Vorschrift auch auf den Fall anzuwenden ist, daß die belangte Behörde die Akten nur teilweise vorgelegt hat (VwSlg. 8148/A und 8947/A) und die belangte Behörde das Zutreffen der Beschwerdebehauptung betreffend den Devolutionsantrag in der Gegenschrift an den Verfassungsgerichtshof bestätigt hat.
Gemäß § 119 BDG 1979 in der für den Beschwerdefall maßgebenden Fassung vor der BDG-Novelle 1989, BGBl. Nr. 346, war § 73 AVG mit der Maßgabe anzuwenden, daß bei der Entscheidung über die Berufung gegen eine Suspendierung diese Frist einen Monat betrug.
Im Grunde des § 180 BDG 1979, der nunmehr in der Fassung des Art. I Z. 5 des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 148/1988 mit Wirkung vom 1. Oktober 1988 die Bezeichnung § 222 erhielt, sind für Schulleiter und sonstige Lehrer sowie für Erzieher, die an einer dem Landesschulrat unterstehenden Schule (Schülerheim) verwendet werden, Disziplinarkommissionen bei jedem Landesschulrat einzurichten. Der Rechtszug gegen Erkenntnisse dieser Kommissionen geht an die Disziplinaroberkommission.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. VwSlg. 10256/A und 10742/A) ging vor der oben dargestellten Novellierung des § 119 BDG 1979 für den Fall, daß die Disziplinar-Oberkommission säumig wurde, die Entscheidungspflicht auf Grund eines Parteiantrages nach § 73 AVG auf den zuständigen Bundesminister als die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde über.
Dies trifft bei der hier noch anzuwendenden Rechtslage, wie der Beschwerdeführer zutreffend erkannt hat, auch im Beschwerdefall zu. Der angefochtene Bescheid war, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war, im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.
Die Entscheidung über den Anspruch auf Ersatz des Aufwandes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990090161.X00Im RIS seit
29.01.2001Zuletzt aktualisiert am
22.09.2008