TE Vwgh Erkenntnis 1991/2/22 90/12/0227

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Veröffentlicht am 22.02.1991
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Index

63/05 Reisegebührenvorschrift;

Norm

RGV 1955 §72 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Knell, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde des N gegen den Bundesminister für Landesverteidigung vom 12. Juni 1990, Zl. 52.320/57-4.9/90, betreffend Reisezulage nach § 13 RGV, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Vizeleutnant in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle ist das Militärkommando Burgenland. Er ist als Hilfsreferent der Truppenbetreuung in der Abteilung X tätig.

Der Beschwerdeführer erhielt vom Militärkommando Burgenland die Dienstaufträge im Sinne des § 2 Abs. 1 bis 4 RGV, im Zusammenhang mit der Durchführung folgender Vorhaben jeweils eine Lautsprecheranlage aufzubauen, zu betreiben und nach Beendigung der erforderlichen Betriebsbereitschaft diese wieder abzubauen:

Am 27. Jänner 1989 Angelobung in Eltendorf,

am 28. April 1989 Angelobung in Stegersbach,

am 10. Juni 1989 Tag der offenen Tür in Bruckneudorf und

am 28. Juli 1989 Angelobung in Willersdorf.

Die erforderlichen Reisebewegungen wurden mit Heereskraftfahrzeugen durchgeführt. Mit Reiserechnungen für die Monate Jänner, April, Juni und Juli 1989 beantragte der Beschwerdeführer die Auszahlung von Reisegebühren für diese Dienstreisen gemäß dem Abschnitt II der RGV, da er der Auffassung war, es handle sich um Dienstreisen im Sinne des § 2 Abs. 1 RGV.

Da die Reiserechnungen nicht anerkannt wurden, beantragte der Beschwerdeführer mit Eingaben vom 4. April, 22. Mai, 13. Juli und 15. September 1989 bescheidmäßige Absprachen über seine reisegebührenrechtlichen Ansprüche.

Mit Bescheid vom 15. Dezember 1989 stellte das Korpskommando I fest, daß für die genannten Dienstverrichtungen weder Übungs- noch Reisegebühren gemäß Abschnitt II der RGV zustünden. Es handle sich bei der Tätigkeit des Beschwerdeführers um Teilnahme an militärischen Dienstverrichtungen in geschlossener Formation außerhalb des Garnisonsortes. Es sei § 72 Abs. 1 RGV anzuwenden, wonach ein Anspruch auf Übungsgebühren nur bei einer Dienstverrichtung von mehr als 24 Stunden bestünde. Die An- und Rückreise wäre zwar als Dienstreise zu behandeln, doch bestehe kein Gebührenanspruch, weil die Dienstreisen in allen Fällen nicht mehr als fünf Stunden gedauert hätten.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 als unbegründet ab und bestätigte den Bescheid der Dienstbehörde erster Instanz. In der Bescheidbegründung wird im wesentlichen die Feststellung des Militärkommandos Burgenland vom 4. Mai 1990 übernommen, wonach der Beschwerdeführer die genannten Dienstverrichtungen weder eigenverantwortlich noch direkt im Auftrag des Militärkommandanten durchgeführt habe. Er sei für die Dauer der Dienstverrichtungen dem dafür Verantwortlichen unterstellt gewesen. Die Gesamtleitung und Verantwortung sei nicht beim Militärkommando Burgenland, sondern bei nachgeordneten Kommandanten gelegen. Die Unterstellung des Beschwerdeführers für die Dauer und zum Zweck der genannten Dienstverrichtungen sei analog einer Zuordnung im Wege einer Truppeneinteilung erfolgt. Der für die erwähnten Veranstaltungen Verantwortliche sei somit gemäß § 1 Z. 5 ADV Vorgesetzter des Beschwerdeführers für die Dauer und zum Zweck der gegenständlichen Dienstverrichtungen durch besondere Anordnungen in Form eines Befehls gewesen und habe alle konkreten erforderlichen Maßnahmen betreffend Errichtung und Betrieb der Lautsprecheranlage bei der Veranstaltung, für die ihm die Verantwortung oblegen sei, zu regeln gehabt. Der Beschwerdeführer sei von seinen Funktionen beim Militärkommando Burgenland entbunden gewesen und habe aufgrund konkreter Aufträge ausschließlich die genannten Dienstverrichtungen durchzuführen gehabt. Damit sei erwiesen, daß der Beschwerdeführer den "geschlossenen Formationen" angehört habe. Die Dienstverrichtungen des Beschwerdeführers seien nur durch das Zusammenwirken aller Beteiligten zu einem erfolgreichen Abschluß zu bringen gewesen. Daraus ergebe sich das Erfordernis des funktionellen Zusammenhangs der Tätigkeiten aller Beteiligten. Der ordnungsgemäße Ablauf der Veranstaltungen sei u. a. durch die Tätigkeit des Beschwerdeführers gewährleistet gewesen. Aufbau, Betrieb und Abbau der Lautsprecheranlage könne nicht gelöst von der zugrundeliegenden militärischen Veranstaltung gesehen werden, denn ohne diese (Veranstaltung) wären die vom Beschwerdeführer durchgeführten Arbeiten nicht erforderlich gewesen. Es habe daher ein unabdingbarer Zusammenhang zwischen den Veranstaltungen und den Dienstverrichtungen des Beschwerdeführers bestanden. Daß die Verrichtungen des Beschwerdeführers spezieller Natur gewesen seien und ihm daher keine Weisungen hätten erteilt werden können, begründe keine Herauslösung dieser Tätigkeiten aus der organisatorischen Einheit des betreffenden Gesamtvorhabens. Bei den Dienstverrichtungen des Beschwerdeführers handle es sich um einen notwendigen Teil der militärischen Veranstaltungen, was auch daraus hervorgehe, daß der Beschwerdeführer in organisatorischer Hinsicht im Einzelfall seine Tätigkeit mit dem Gesamtvorhaben abzustimmen gehabt habe. Auch daraus gehe eindeutig hervor, daß der Beschwerdeführer der jeweiligen geschlossenen Formation angehört habe. Die Beistellung oder Teilnahmemöglichkeit an der Verpflegung sei unbestrittenermaßen gewährleistet gewesen. Eine Nächtigungsmöglichkeit sei wegen der ausschließlich während der Tageszeit durchgeführten Dienstverrichtungen nicht vorzusehen gewesen. Die Tatbestandsmerkmale einer "Dienstreise" seien für die Dauer der Aufenthalte des Beschwerdeführers in den Orten der Dienstverrichtungen nicht erfüllt, weil er nicht selbständige Aufträge zu erfüllen, sondern die befohlenen Dienstverrichtungen in funktionellem Zusammenhang mit anderen Angehörigen des Bundesheeres durchzuführen gehabt habe. Bei den An- und Rückreisen in die bzw. von den Orten der Dienstverrichtungen handle es sich um Dienstreisen im Sinne des § 2 Abs. 1 RGV, die jedoch gemäß § 17 Abs. 1 RGV hinsichtlich des Anspruches auf Reisegebühren hätten unberücksichtigt bleiben müssen, da in keinem Fall die An- und Rückreise zusammen mehr als fünf Stunden gedauert habe.

Die vom Beschwerdeführer beantragte Vernehmung als Partei bzw. Abhaltung einer mündlichen Verhandlung sei nicht erforderlich gewesen, da die entscheidungswesentlichen Tatbestände schriftlich beim Militärkommando Burgenland erhoben worden seien. Dem Beschwerdeführer sei gemäß § 37 AVG 1950 Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Der Gebührenanspruch richte sich im Rahmen der Bestimmungen der RGV ausschließlich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Die tatsächlichen Verhältnisse hinsichtlich des Unterstellungsverhältnisses seien dem Beschwerdeführer ausführlich zur Kenntnis gebracht worden. Daß dem Beschwerdeführer bei seiner Dienstverrichtung nicht alle erforderlichen Maßnahmen durch die jeweiligen Leitenden ausdrücklich befohlen worden seien, vermöge seiner Unterstellung keinen Abbruch zu tun. Eine konkrete schriftliche Weisung, in der alle befehlsmäßigen Anordnungen im Detail enthalten seien, sei im militärischen Ablauf meist nicht üblich und entbehrlich, insbesondere wenn es sich um Tätigkeiten handle, die im Regelfall durch erläuternde mündliche Weisungen ergänzt würden und die Arbeiten so gelagert seien, daß sie einem qualifizierten Mitarbeiter nicht punktuell angeführt werden müßten. Da alle Merkmale des § 72 Abs. 1 RGV mit Ausnahme der erforderlichen Dauer des Verlassens des Garnisonsortes zuträfen, sei eine Abfindung mit Reisegebühren gemäß Abschnitt II der RGV ausgeschlossen, wie auch der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 9. September 1977, Zl. 1308/77, ausgesprochen habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist allein strittig ob der Beschwerdeführer die gegenständlichen Dienstverrichtungen in einer "geschlossenen Formation" im Sinn des § 72 Abs. 1 der Reisegebührenvorschrift 1955, BGBl. Nr. 133, die gemäß § 92 Abs. 1 des Gehaltsgesetzes 1956, BGBl. Nr. 54, als Gesetz in Geltung steht, ausgeführt hat. Die genannte Sonderbestimmung im zweiten Hauptstück der RGV wurde mit Verordnung der Bundesregierung vom 27. September 1955, BGBl. Nr. 203, eingefügt.

Über das Verhältnis der in § 72 RGV geregelten Gegebenheiten zum Anspruch auf Reisezulagen ist eine ausdrückliche Regelung nicht getroffen. Der Gerichtshof hat jedoch bereits mit Erkenntnis vom 11. März 1971, Zl. 1877/70, Slg. NF Nr. 7988/A, ausgesprochen, daß der Anspruch auf Ersatz des Mehraufwandes für alle Fälle, in denen ein Berufsoffizier oder ein Beamter der Heeresverwaltung in einer geschlossenen Formation und unter Beistellung von Verpflegung zu Übungszwecken den Garnisonsort verläßt, im § 72 RGV direkt oder indirekt geregelt ist. Es handelt sich hier nämlich um einen eigenen Typus der Reisebewegung, der von der allgemeinen Regelung ausgenommen ist. § 72 Abs. 1 RGV erfaßt nach seiner Formulierung den Gesamtzeitraum der Abwesenheit vom Garnisonsort in einer geschlossenen Formation, sodaß für eine weitere Reisezulage zur Bestreitung des Mehraufwandes für Verpflegung und Unterkunft sowie zur Deckung der sonstigen Reiseauslagen kein Raum bleibt. Wäre man der Anschauung, daß für den Fall einer kürzeren Dauer der Übung die Ansprüche nach § 2 Abs. 1 RGV bestünden, so würde sich daraus bei sonst gleichen Gegebenheiten eine Besserstellung für den Fall einer kürzeren Dauer der Übung ergeben. Treffen alle Merkmale der Regelung des § 72 bis auf das Moment der Dauer zu, so hat der Gesetzgeber keine Leistung vorgesehen.

Eine geschlossene Formation im Sinn des § 72 RGV wird immer dann als gegeben anzunehmen sein, wenn mehrere Angehörige des Bundesheeres zum Zwecke einer militärischen Verrichtung zu einer unter einem bestimmten Befehl stehenden Truppe zusammengefaßt werden (vgl. Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. März 1971, Zl. 1877/70, Slg. NF Nr. 7988/A, vom 9. September 1977, Zl. 1308/77 und vom 20. Oktober 1982, Zl. 82/09/0084, Slg. NF Nr. 10865/A).

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid zur Unterstellung des Beschwerdeführers für die Dauer und zum Zweck der gegenständlichen Dienstverrichtungen festgestellt, sie sei "analog einer Zuordnung im Wege einer Truppeneinteilung" erfolgt. Eine konkrete schriftliche Weisung, in der befehlsmäßige Anordnungen im Detail enthalten seien, sei "im militärischen Ablauf meist nicht üblich und entbehrlich".

Die Anwendung des § 72 RGV setzt jedoch nach der dargestellten Rechtslage voraus, daß mehrere Angehörige des Bundesheeres zum Zwecke einer militärischen Verrichtung zu einer unter EINEM BESTIMMTEN BEFEHL stehenden Truppe zusammengefaßt werden. Ein spezieller den Beschwerdeführer erfassender Unterstellungsakt, der den Beschwerdeführer bei den einzelnen Verrichtungen in eine solche geschlossene Formation einbezogen hätte, ist aber von der belangten Behörde nicht festgestellt worden und auch den Akten des Verwaltungsverfahrens nicht zu entnehmen. Daß sich aus den tatsächlichen Umständen der Dienstverrichtungen ein Unterstellungsverhältnis ergeben hätte, vermag nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshof eine jeweils vorübergehende Einbindung in eine "geschlossene Formation" nicht zu begründen und schließt damit einen Anspruch auf Reisezulage nicht aus.

Da die belangte Behörde von einer unrichtigen Rechtsansicht ausgehend die Reisegebührenansprüche des Beschwerdeführers abgewiesen hat, mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990120227.X00

Im RIS seit

22.02.1991

Zuletzt aktualisiert am

11.07.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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