Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §52 Abs1;Beachte
Besprechung in:DRdA 1992/1, 39;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher und Dr. Weiss als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Puntigam, über die Beschwerde der Kammer für Arbeiter und Angestellte gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 19. Oktober 1990, Zl. 313.568/1-III/5/90, betreffend Zurückweisung einer Berufung (mitbeteiligte Partei: X-GesmbH in Z), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Nach dem Beschwerdevorbringen im Zusammenhalt mit der vorgelegten Kopie des angefochtenen Bescheides wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 22. Juni 1990, Zl. MA 63-U 112/89, mit dem der mitbeteiligten Partei gemäß § 25 GewO 1973 die Konzession für das Gewerbe der Überlassung von Arbeitskräften, beschränkt auf die Beistellung von Montagearbeitskräften im Rohrleitungs- und Heizungsbau, eingeschränkt auf 35 Arbeitskräfte, im Standort Wien, A-Gasse 24, und gemäß § 39 Abs. 5 GewO 1973 die Genehmigung der Bestellung des M zum Geschäftsführer für die Ausführung dieses Gewerbes erteilt wurde, gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 323d Abs. 1 GewO 1973 als unzulässig zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, mit Schreiben vom 13. Oktober 1989 sei die Beschwerdeführerin von der Erstbehörde aufgefordert worden, innerhalb einer Frist von sechs Wochen ein Gutachten über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung der Konzession abzugeben. Diese Aufforderung sei ihr am 30. Oktober 1989 zugekommen. Mit Schreiben vom 31. Oktober 1989, zur Post gegeben am 7. November 1989, sei von der Beschwerdeführerin mitgeteilt worden, daß seitens der Ermittlungsbehörden keinerlei Unterlagen zur Verfügung gestellt worden seien, welche die Erstellung eines Gutachtens ermöglichen würden und es werde gleichzeitig um Übermittlung von Unterlagen nach Abschluß des Ermittlungsverfahrens ersucht. Eine nochmalige Aufforderung seitens der Erstbehörde, ein Gutachten im gegenständlichen Fall abzugeben, sei nicht erfolgt bzw. seien der Beschwerdeführerin keine Unterlagen zur Verfügung gestellt worden. In der Berufung werde ausgeführt, daß das gemäß § 323d Abs. 1 GewO 1973 eingeräumte Recht auf Abgabe eines Gutachtens über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung der Konzession verletzt worden sei und es werde hiezu ausgeführt, daß das Recht auf gutächtliche Äußerung voraussetze, daß alle für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage erforderlichen Fakten und Sachverhalte mitgeteilt werden müßten. Die von der Behörde gewählte Vorgangsweise, bereits anläßlich der Antragstellung zu einem Gutachten aufzufordern, verkenne die Funktion des festgelegten Begutachtungsrechtes und es finde das "Verlangen nach Übermittlung der erforderlichen Unterlagen nach Abschluß des Ermittlungsverfahrens eine gesetzliche Deckung". Aus diesen Gründen beantrage die Beschwerdeführerin den angefochtenen Bescheid aufzuheben und der Erstbehörde aufzutragen, die verabsäumte Begutachtung nachzuholen und unter Zugrundelegung des so zu ergänzenden Ermittlungsverfahrens neuerlich zu entscheiden. Nach dem klaren Wortlaut des § 323d Abs. 1 erster Satz GewO 1973 werde u.a. der zuständigen Kammer für Arbeiter und Angestellte lediglich das Recht eingeräumt, vor der Erteilung der Konzession für das Gewerbe der Überlassung von Arbeitskräften ein Gutachten über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung der Konzession aus ihrer Sicht abzugeben. Die Beschwerdeführerin verkenne die Rechtslage, wenn sie vermeine, daß ihr das Recht auf Parteiengehör gemäß § 37 AVG 1950 nach Durchführung des gesamten Ermittlungsverfahrens durch die Gewerbebehörde zustehe. Den Anspruch auf uneingeschränktes Parteiengehör hätten nur jene Personen, denen in der betreffenden Verwaltungsangelegenheit eine uneingeschränkte Parteistellung zukomme. Durch den zweiten Satz des § 323d Abs. 1 GewO 1973, wonach u.a. den im ersten Satz dieses Paragraphen genannten Stellen dann das Recht der Berufung gegen einen Bescheid zukomme, mit dem die Konzession für das Gewerbe der Überlassung von Arbeitskräften erteilt worden sei, wenn die Entscheidung ihrem fristgerecht abgegebenen Gutachten widerspreche oder wenn sie nicht gehört worden sei, werde klargestellt, daß den in Betracht kommenden Stellen neben dem Recht auf Erstattung eines Gutachtens lediglich ein aus allen übrigen Parteirechten herausgelöstes Berufungsrecht zustehe. Die Rechtsansprüche u.a. der Beschwerdeführerin im Konzessionserteilungsverfahren beschränkten sich daher auf die Erstattung eines Gutachtens über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung der Konzession und allenfalls auf Erhebung der Berufung gegen die von der Behörde zu treffende Entscheidung. Da die Beschwerdeführerin zur Abgabe eines Gutachtens aufgefordert worden sei, sie mit Schreiben vom 31. Oktober 1989 erklärt habe, ein Gutachten mangels Unterlagen nicht abgeben zu können und sie somit innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Aufforderung durch die Behörde kein Gutachten abgegeben habe, in dem sie sich gegen die Erteilung der gegenständlichen Konzession ausgesprochen habe, stehe ihr im gegenständlichen Verfahren das Recht der Berufung nicht zu.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende
Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Ihrem Vorbringen zufolge erachtet sich die Beschwerdeführerin a) in dem Recht auf Abgabe eines Gutachtens über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung der Konzession für das Gewerbe der Überlassung von Arbeitskräften an die mitbeteiligte Partei gemäß § 323d Abs. 1 erster Satz GewO 1973 in der Fassung des Art. V Z. 3 des Bundesgesetzes vom 23. März 1988, BGBl. Nr. 196, einerseits und b) in dem Recht auf Erhebung einer Berufung gegen den zustimmenden Bescheid in obiger Sache gemäß § 323d Abs. 1 zweiter Satz, zweiter Tatbestand GewO 1973 verletzt. Sie bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften u. a. vor, auf Grund der - im angefochtenen Bescheid bezeichneten - seitens der Erstbehörde mit Schreiben vom 13. Oktober 1989 ergangenen Aufforderung habe sie mit Schreiben vom 30. Oktober 1989 der Erstbehörde mitgeteilt, daß seitens der Behörde keine Unterlagen übermittelt worden seien, welche die Erstellung eines Gutachtens im Sinne des § 323d GewO 1973 erst ermöglichten, wozu ihrer Ansicht nach unbedingt Muster von Dienstzetteln und Überlassungsmitteilungen im Sinne der §§ 11 und 12 Arbeitskräfteüberlassungsgesetz gehörten. Die Erstbehörde sei daher ersucht worden, nach Abschluß des Ermittlungsverfahrens ihr die Ergebnisse des Verfahrens sowie die Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Ohne weitere Reaktion auf dieses Schreiben sei mit Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung vom 27. Juni 1990, ihr zugegangen am 2. August 1990, der mitbeteiligten Partei die beantragte Konzession bewilligt worden. Gegen diesen Bescheid sei fristgerecht Berufung erhoben worden, die jedoch mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid als unzulässig zurückgewiesen worden sei. Was die Frage der Beschwerdelegitimation betreffe, werde auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. September 1976, Slg. N.F. Nr. 9135/A, verwiesen, in welchem klargestellt worden sei, daß den ins gewerberechtliche Verwaltungsverfahren einbezogenen Interessenvertretungen zwar kein objektives Beschwerderecht zukomme, ein solches aber dann gegeben sei, wenn den Interessenvertretungen die subjektiven Rechte auf Abgabe eines Gutachtens, auf Erhebung der Berufung oder auf Sachentscheidung verweigert worden sei. Die belangte Behörde begründe ihren Zurückweisungsbescheid vor allem damit, daß seitens der Beschwerdeführerin auf das Schreiben der Gewerbebehörde erster Instanz nur formal, nicht aber inhaltlich reagiert worden sei. Die Erstbehörde hätte jedoch mit ihrer Aufforderung ihrer gesetzlichen Verpflichtung entsprochen. Eine solche formaljuristische Interpretation des in der Gewerbeordnung 1973 verankerten Begutachtungsrechtes der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit der Erteilung der Konzession für die Ausübung des Gewerbes der Arbeitskräfteüberlassung stehe nicht nur mit den eindeutig erklärten Intentionen des Gesetzgebers des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes in Widerspruch, sondern würde auch das Begutachtungsrecht ad absurdum führen. Darüber hinaus sei eine solche "Interpretation des Verwaltungshandelns" mit den Grundsätzen eines demokratischen Rechtsstaates in keiner Weise vereinbar. Die belangte Behörde verkenne aber auch den materiellen Inhalt des Begutachtungsrechtes und verwechsle in ihrer Bescheidbegründung die Begriffe "Gutachten" und "Anhörungsrecht", zwei wesentlich unterschiedliche Termini, die im Arbeitskräfteüberlassungsgesetz Verwendung fänden. Während es sich bei der einfachen Anhörung, wie z.B. im § 19 Abs. 6 Arbeitskräfteüberlassungsgesetz im Zusammenhang mit der grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung, um die Einholung einer interessenpolitischen Meinungsäußerung der gesetzlichen Interessenvertretung handle, stelle ein Gutachten die schriftliche oder mündliche Aussage eines Sachverständigen in einer sein Fachgebiet betreffenden Frage dar. Im Rechtswesen werde daher unter "Gutachten" Aussagen eines Sachverständigen über den Bereichsgegenstand verstanden. Sie beträfen gewöhnlich Tatsachenfragen, seltener Tatsachenurteile, Erfahrungs- und Rechtssätze. Zur Erfüllung seines Auftrages bedürfe der Sachverständige der Tatsachen, die den Rahmen des Gutachtens darstellten und die dem Sachverständigen entweder mitgeteilt würden oder die er sich selbst verschaffe. Aufgabe des Sachverständigen und damit Gegenstand des Gutachtens sei in erster Linie die Schlußfolgerung aus Tatsachen, nicht aber deren Ermittlung. Im Prozeßrecht sei ein Gutachten in erster Linie die begründete Darstellung von Erfahrungssätzen und die Abwertung von Schlußfolgerungen für die tatsächliche Beurteilung eines Geschehens oder Zustandes durch einen Sachverständigen im Rahmen des Sachverständigenbeweises, ausnahmsweise auch die Feststellung von Tatsachen, wenn dazu besondere Sachkunde erforderlich sei. Aus dieser Definition des Begriffes "Gutachten" erkläre sich auch die Einbeziehung der im § 323d Abs. 1 GewO 1973 genannten Stellen bzw. deren Inanspruchnahme als Sachverständige im Rahmen des Konzessionserteilungsverfahrens für die Ausübung des Gewerbes der Arbeitskräfteüberlassung. Von der Sachlage her dürfte dabei das Schwergewicht der Befundung durch die Handelskammer bei der Prüfung der gewerbe- und wettbewerbsrechtlichen Seite liegen, während das Landesarbeitsamt primär das Verhältnis der angestrebten Gewerbeausübung zur Arbeitsvermittlung zu untersuchen haben werde. Die Aufgabe der Arbeiterkammer sei nach Ansicht der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang vor allem darin zu sehen, als gesetzliche Interessenvertretung der Arbeitnehmer zu prüfen, ob die Rahmenbedingungen für die künftig zu beschäftigenden Arbeitnehmer den vielfältigen arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften entsprächen. Um dieser Zielsetzung gerecht zu werden, bedürfe es der Ermittlung zahlreicher Fakten und Informationen durch die Gewerbebehörde, und erst wenn diese vorlägen, sei eine abschließende Begutachtung im obigen Sinn möglich. Mangels Behördeneigenschaft könne z.B. die Arbeiterkammer selbst weder die Konzessionswerberin zur Vorlage der benötigten Unterlagen verhalten, noch vom zuständigen Sozialversicherungsträger Einblick in die sozialversicherungsrechtlichen Verhältnisse erlangen. Zur Wahrnehmung des den Arbeiterkammern eingeräumten Begutachtungsrechtes bedürfe es daher der tätigen Mithilfe der Gewerbebehörde. Die von der belangten Behörde als gesetzmäßig dargestellte Vorgangsweise der Gewerbebehörde erster Instanz verkenne daher die Funktion des gesetzlich normierten Begutachtungsrechtes.
Gemäß § 323d Abs. 1 GewO 1973 hat die Behörde vor der Erteilung der Konzession für das Gewerbe der Überlassung von Arbeitskräften die zuständige Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft, die zuständige Kammer für Arbeiter und Angestellte und das zuständige Landesarbeitsamt aufzufordern, innerhalb einer Frist von sechs Wochen Gutachten über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung der Konzession abzugeben. Gegen den Bescheid, mit dem die Konzession für das Gewerbe der Überlassung von Arbeitskräften erteilt wird, steht jeder dieser Stellen jeweils dann das Recht der Berufung zu, wenn die Entscheidung ihrem fristgerecht abgegebenen Gutachten widerspricht, oder wenn sie nicht gehört worden ist.
Nach dem zweiten Satz des § 323d Abs. 1 GewO 1973 kommt danach den im ersten Satz dieses Paragraphen genannten Stellen jeweils das Recht der Berufung - d.h. die Berechtigung zu ihrer zulässigen Erhebung - nur dann zu, wenn die behördliche Entscheidung entweder ihrem fristgerecht abgegebenen Gutachten widerspricht, oder wenn sie nicht gehört worden ist. Im Beschwerdefall - in dem nach dem sachverhaltsbezogenen Vorbringen im Zusammenhalt mit dem Inhalt des angefochtenen Bescheides der erste Tatbestand des § 332d Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973 ausscheidet - wird auch in der Beschwerde dargestellt, daß an die Beschwerdeführerin seitens der Erstbehörde die Aufforderung zur Gutachtenserstattung im Sinne des § 323d Abs. 1 erster Satz GewO 1973 ergangen sei. Damit wurde sie aber im Sinne des zweiten Tatbestandes des zweiten Satzes der bezogenen Gesetzesstelle auch "gehört". Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin ergibt sich nämlich auch aus der Verwendung des Wortes "Gutachten" im ersten Satz dieser Gesetzesstelle kein von der Annahme der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid abweichender Begriffsinhalt dieses für die Berufungslegitimation bestimmenden Tatbestandsmerkmales, wobei in diesem Zusammenhang insbesondere darauf hinzuweisen ist, daß den im § 323d Abs. 1 erster Satz GewO 1973 angeführten Stellen im Hinblick auf die ihnen dort eingeräumte verfahrensrechtliche Stellung - wie im übrigen auch in den in der Gewerbeordnung 1973 geregelten gleichartigen Fällen - schon begrifflich weder die Eigenschaft eines Amtssachverständigen im Sinne des § 52 Abs. 1 AVG 1950 noch die eines nichtamtlichen Sachverständigen im Sinne des § 52 Abs. 2 AVG 1950 zukommt; abgesehen davon räumen aber die bestehenden Verfahrensgesetze auch einem Sachverständigen nicht die Möglichkeit ein, durch ein an die erkennende Behörde gerichtetes allfälliges Erhebungsbegehren auf den von dieser unter der Sanktion des § 73 Abs. 1 AVG 1950 zu bestimmenden Verfahrensgang inhibierend einzuwirken.
Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war diese gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
Amtssachverständiger Person VerneinungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991040029.X00Im RIS seit
29.01.2002Zuletzt aktualisiert am
26.06.2017