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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
ZustG §26 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Puntigam, über die Beschwerde der N-GesmbH & Co KG gegen den Bescheid der Bundeskammer der gewerblichen Wirschaft (Präsident) vom 29. Mai 1990, Zl. Präs 255-18/89/Be/DM, betreffend Feststellung der Umlagepflicht, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid des Präsidenten der Handelskammer Niederösterreich vom 11. September 1989 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erlassung eines Bescheides über Art und Ausmaß der Umlagepflicht für 1989 gemäß § 57g Abs. 1 des Handelskammergesetzes zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß der Antrag der Beschwerdeführerin vom 21. Juni 1989 im Sinne des § 57g leg.cit. als verspätet angesehen werden müsse.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in der sie ausführte, die Vorschreibung der Grundumlage sei erst am 5. Juni 1989 bei der Zentralstelle der Firma X eingelangt.
Mit Bescheid der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft (Präsident) vom 29. Mai 1990 wurde die Berufung abgewiesen und der erstbehördliche Bescheid bestätigt.
Zur Begründung wurde ausgeführt, die Bundeskammer könne aufgrund der bei mehreren Unternehmen durchgeführten Erhebungen davon ausgehen, daß die Grundumlagenvorschreibungen den Mitgliedern in der Gemeinde Y und somit auch der Beschwerdeführerin in der auf den 12. Mai 1989 folgenden Woche, spätestens demnach am Freitag, dem 19. Mai 1989, zugestellt worden seien. Keine rechtliche Relevanz komme dem Hinweis der Beschwerdeführerin zu, die Vorschreibung sei erst am 5. Juni 1989 bei der Zentralstelle der Firma X (in Z) eingegangen. Als Zustelladresse habe für die Kammer Niederösterreich jene Anschrift zu gelten gehabt, die das Mitglied gegenüber der Gewerbebhörde als Standort angegeben habe. Die Kammer Niederösterreich habe zu diesem Punkt auf die Frage der Bundeskammer mitgeteilt, niemals davon in Kenntnis gesetzt worden zu sein, daß Zustellungen an die Beschwerdeführerin nicht an den Standort Y, A-Gasse 22-26, sondern an die Firma X in Z zu ergehen hätten. Das erst am 21. Juni 1989 gestellte Bescheidbegehren der Beschwerdeführerin sei daher verspätet eingebracht worden.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin erachtet sich in dem Recht auf Sacherledigung unter Abstandnahme von dem herangezogenen Zurückweisungsgrund verletzt. Sie trägt in Ausführung dieses Beschwerdepunktes vor, die belangte Behörde hätte durch geeignete Erhebungen prüfen müssen, wann der Beschwerdeführerin die in Rede stehende Vorschreibung zugestellt worden sei. Dabei hätte sich ergeben, daß dies erst am 5. Juni 1989 der Fall gewesen sei.
Das Zustellgesetz regelt zufolge seines § 1 Abs. 1 die Zustellung der u.a. von Verwaltungsbehörden in Vollziehung der Gesetze zu übermittelnden Schriftstücke. Im Grunde des § 1 Abs. 3 leg.cit. gelten bei Zustellungen ohne Zustellnachweis durch Organe der Post neben den Vorschriften über die Zustellung von Postsendungen nur die §§ 6, 7, 8 Abs. 1, 9 bis 12 und sinngemäß auch § 26 Abs. 2 diese Bundesgesetzes.
Nach § 26 Abs. 2 leg.cit. gelten Zustellungen "im Sinne des Abs. 1" - d.h. Zustellungen ohne Zustellnachweis - als mit dem dritten Werktag nach der Übergabe "an die Gemeinde oder den behördlichen Zusteller" - sinngemäß: an die Post - bewirkt, es sei denn, es wäre behauptet, die Zustellung sei nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommen worden. Im Zweifel obliegt es der Behörde, die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung nachzuweisen. War der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 im Zeitpunkt der Zustellung vorübergehend von der Abgabestelle abwesend, so wird die Zustellung erst mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.
Gemäß § 170 der Postordnung, BGBl. Nr. 110/1957 (Stammfassung), sind Postsendungen, soweit nicht im folgenden ausdrücklich anderes bestimmt ist, an den Empfänger, und zwar an der in der Anschrift angegebenen Abgabestelle, zuzustellen. An eine für den Empfänger sonst in Betracht kommende Abgabestelle ist nur zuzustellen, soweit nicht dadurch der Zustellvorgang verzögert wird.
Nach § 171 der Postordnung, in der Fassung der Verordnung BGBl. Nr. 23/1984, ist die Zustellung nichtbescheinigter Postsendungen ordnungsgemäß, wenn sie an der Abgabestelle zurückgelassen oder in Briefkästen eingelegt werden, die an der Abgabestelle des Empfängers (Briefeinwurf) oder für mehrere Empfänger in der Nähe des Gebäudeeinganges (Hausbrieffachanlage) oder für Empfänger im Landzustellbezirk an einer geeigneten Stelle im Freien (Abgabebriefkasten) angebracht sind. Gleiches gilt, wenn sie im Einvernehmen mit dem Inhaber der Abgabestelle in ein Fach einer sonstigen Abgabeeinrichtung eingelegt werden.
Die Begründung des angefochtenen Bescheides besteht, abgesehen von der Darstellung der Zustellung an andere Empfänger als die Beschwerdeführerin, im wesentlichen im Hinweis auf die Anschrift, die gegenüber der Gewerbebehörde als Standort angegeben worden sei, und ferner in der Feststellung der Unterlassung einer Mitteilung, daß Zustellungen an die Beschwerdeführerin nicht an den Standort Y, A-Gasse 22-26, sondern an die Firma X in Z zu ergehen hätten. Der Verwaltungsgerichtshof kann daraus weder ersehen, welche Vorschriften über die Zustellung die belangte Behörde dem angefochtenen Bescheid zugrundelegte, noch, welchen Sachverhalt sie in Ansehung der betreffenden Vorschriften als maßgebend erachte. Die im vorliegenden Fall rechtserhebliche Frage, an welchem Tag die Vorschreibung der Grundumlage der Beschwerdeführerin zugestellt worden war, wurde von der belangten Behörde somit nicht entsprechend der auf dem Gebiet des Zustellrechtes geltenden Rechtslage gelöst. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990040187.X00Im RIS seit
27.02.1991