TE Vwgh Erkenntnis 1991/2/27 91/01/0020

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Veröffentlicht am 27.02.1991
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §68 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Hoffmann, Dr. Herberth, Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissär Dr. Kral, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 1. Februar 1991, Zl. 4.219.549/2-III/13/91, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste erstmals am 21. Juli 1986 in das Bundesgebiet ein und stellte am folgenden Tag Antrag auf Asylgewährung. Bei der niederschriftlichen Einvernahme am 20. August 1986 führte der Beschwerdeführer aus, er sei wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden unterdrückt worden. Von der Polizei sei ihm mehrmals vorgehalten worden, daß er für die PKK tätig sei; er wisse aber nicht, was diese Organisation sei.

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 4. November 1986 wurde der Antrag abgewiesen.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 5. März 1987 als verspätet zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer habe sich nach den Feststellungen der belangten Behörde, die in der vorliegenden Beschwerde unbestritten geblieben sind, sodann nach Deutschland begeben, von wo er im Jahre 1988 illegal wieder in das Bundesgebiet zurückgekehrt sei. Die Bezirkshauptmannschaft Bregenz habe am 4. November 1988 gegen den Beschwerdeführer ein bis 4. November 1993 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen und ihn nach Deutschland zurückgestellt. Bis Mitte August 1990 habe sich der Beschwerdeführer in Deutschland aufgehalten, von wo er sich, nachdem sein Asylansuchen von den deutschen Behörden im Juni 1990 rechtskräftig abgewiesen worden sei, trotz aufrechten Aufenthaltsverbotes abermals illegal nach Österreich begeben habe.

Durch seinen Rechtsfreund stellte der Beschwerdeführer sodann neuerlich einen Asylantrag mit der Begründung, wegen seiner Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe in der Türkei politisch verfolgt zu werden; die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft seien erfüllt. Am 19. November 1990 sei der Beschwerdeführer in Linz auf Grund des bestehenden Aufenthaltsverbotes festgenommen und die vorläufige Verwahrung angeordnet worden. Am 27. November 1990 sei der Beschwerdeführer von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich zu seinem Antrag neuerlich einvernommen worden, wobei er angegeben habe, er sei Kurde und von 1982 bis 1984 bei einer französischen Firma als Kellner in Saudiarabien tätig gewesen. Am dritten Tag nach seiner Rückkehr in sein Heimatland sei er bereits von Militärangehörigen aufgesucht und verprügelt worden. Er sei drei Tage lang in einem Militärgefängnis inhaftiert gewesen, wo man ihm vorgeworfen habe, Terrorist zu sein und auch Terroristen zu beherbergen. In den Jahren 1984 bis 1986 sei er ca. sieben bis acht Mal vom Militär aufgesucht und "willkürlich geschlagen" worden. Ca. vier Mal sei er auch inhaftiert gewesen. Einige Male hätte er sich "freikaufen" können. Da er auf Grund dieser Vorkommnisse in seinem Heimatland "keine Zukunft gesehen" habe, sei er im Juli 1986 nach Österreich gereist. Der Beschwerdeführer habe in der Türkei der türkisch-kommunistischen Partei angehört und würde sich auch heute noch zu dieser Partei bekennen.

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 11. Dezember 1990 wurde abermals festgestellt, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes ist.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer im wesentlichen aus, die Behörde erster Instanz habe nichts unternommen, um seine Angaben auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Beweisergebnisse, die seinen Angaben zuwiderlaufen würden, lägen offensichtlich nicht vor, jedenfalls seien sie dem Beschwerdeführer nicht zur Kenntnis gebracht worden. Die Angaben des Beschwerdeführers reichten durchaus hin, um den Asylantrag begründet erscheinen zu lassen. Sollten tatsächlich entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers Beweisergebnisse vorliegen, die seine Angaben widerlegten, seien ihm diese nicht zur Kenntnis gebracht worden. Insoweit läge eine Verletzung des Parteiengehörs vor.

Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 1. Februar 1991 wurde die Berufung abgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, die Zugehörigkeit eines Asylwerbers zu einer Minderheit allein könne nicht als Grund für seine Anerkennung als Konventionsflüchtling angesehen werden. Dem Vorbringen bei der Einvernahme am 27. November 1990 könne keine Glaubwürdigkeit beigemessen werden. Aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers sei zu ersehen, daß er vor seiner Ausreise nach Saudiarabien offensichtlich keine "Probleme" mit den Behörden seines Heimatlandes gehabt habe. Es sei unglaubwürdig und "nicht nachvollziehbar", auf Grund welcher Verdachtsmomente das Militär gegen den Beschwerdeführer vorgegangen sein solle, wo er sich doch zwei Jahre mit Kenntnis der Behörden im Ausland aufgehalten habe. Aus der Zugehörigkeit zu der vom Beschwerdeführer angeführten Partei und dem auch heute noch aufrechten Bekenntnis zu dieser lasse sich keine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung oder konkrete Verfolgung ableiten, da der Beschwerdeführer ja niemals behauptet habe, daß er für diese Partei Aktivitäten entwickelt hätte und die Behörden überhaupt davon Kenntnis erlangt hätten. Das nunmehrige Vorbringen im Asylverfahren divergiere überdies von den Angaben aus dem Jahre 1986, obwohl sie ebenfalls den Zeitraum vor der Ausreise des Beschwerdeführers aus seinem Heimatland im Jahre 1986 beträfen. Erfahrungsgemäß machten Asylwerber gerade bei der ersten Befragung spontan jene Angaben, die der Wahrheit am nächsten kämen. Den nunmehrigen Ausführungen müsse somit die Glaubwürdigkeit versagt bleiben. Im Asylverfahren sei das Vorbringen des Flüchtlings als zentrales Entscheidungskriterium heranzuziehen. Da, wie im vorliegenden Fall, der für die Entscheidung maßgebende Sachverhalt genügend geklärt gewesen sei, sei ein Vorhalt bzw. "eine Zurkenntnisbringung" nicht notwendig gewesen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könne es nicht Aufgabe der Behörde sein, den Asylwerber dahingehend zu unterweisen, wie er sein Vorbringen auszuführen habe, damit seinem Antrag allenfalls stattgegeben werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht, als Flüchtling anerkannt zu werden, verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Absätzen 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Unbestritten steht fest, daß das vom Beschwerdeführer im Jahre 1986 gestellte Ansuchen um Asylgewährung rechtskräftig abgewiesen worden ist. Bei dem vom Beschwerdeführer im Jahre 1990 gestellten neuerlichen Ansuchen um Asylgewährung, mit dem der Beschwerdeführer in Wahrheit eine Abänderung eines der Berufung nicht mehr unterliegenden Bescheides begehrt, war zunächst zu prüfen, ob Identität der Sache vorliegt. Dies war schon deshalb zu bejahen, weil sich nach dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers der Sachverhalt nach der rechtskräftigen Entscheidung über das erste Asylansuchen offensichtlich nicht geändert hat. Die im zweiten Ansuchen des Beschwerdeführers aus dem Jahre 1990 angegebenen neuen Gründe betreffen allein den Zeitraum vor der Ausreise des Beschwerdeführers aus seinem Heimatland im Jahre 1986. Auch die Rechtslage hat sich seit der ersten rechtskräftigen Entscheidung nicht geändert. Solche Anbringen sind gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. In dem Umstand, daß die belangte Behörde indes das neuerliche Ansuchen durch eine Sachentscheidung im Instanzenzug abgewiesen hat, statt dieses zurückzuweisen, ist der Beschwerdeführer in keinem Recht verletzt worden, insbesondere nicht in dem von ihm behaupteten Recht auf Asylgewährung.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 VwGG abzuweisen.

Da damit bereits in der Sache selbst eine Entscheidung getroffen ist, erübrigt es sich, über den Antrag der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, zu entscheiden.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991010020.X00

Im RIS seit

27.02.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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