TE Vwgh Erkenntnis 1991/2/27 90/04/0291

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Veröffentlicht am 27.02.1991
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
58/01 Bergrecht;

Norm

AVG §1;
AVG §6;
AVG §68 Abs4 lita;
BergG 1975 §146 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Puntigam, über die Beschwerde der N-GesmbH gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 6. September 1990, Zl. 63 170/1-VII/A/90, betreffend Nichtigerklärung eines Bescheides, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.590,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin stellte am 19. März 1990 an die Berghauptmannschaft X das "Ansuchen um Erteilung der bergrechtlichen Bewilligung zur Errichtung einer Bergbauanlage für die Verhaldung von Reststoffen aus dem Eisensteinbergbau A und ähnlicher Materialien im Bereich des B-Sturzes auf Seehöhe 1250 m des Erzberges der N-GesmbH im Bergbaugebiet". Sie führte dazu aus, sie sei auf Grund des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft X vom 24. November 1989 und des Bescheides des "Amtes der Y Landesregierung" vom 20. August 1980 als bergbauberechtigte Antragstellerin verpflichtet, den ursprünglichen morphologischen Zustand weitestgehend wiederherzustellen und die Bodenflächen zu rekultivieren. In Befolgung und Ausführung dieser Behördenbescheide sowie zur Erfüllung der auf den Bergbauberechtigten im Sinne der Bestimmungen des § 182 Berggesetz zur Sicherung der Oberflächennutzung zukommenden Auflagen beabsichtige sie nunmehr das in Rede stehende Projekt einschließlich der dafür notwendigen Bauten und Anlagen zu errichten und zu betreiben. Sie stelle somit das Ansuchen um "Erteilung der bergrechtlichen Bewilligung für die projektgegenständliche Bergbauanlage".

Mit Bescheid der Berghauptmannschaft X vom 2. Mai 1990 wurde der Beschwerdeführerin daraufhin auf Grund des § 146 Berggesetz die Bewilligung zur Errichtung einer Bergbauanlage für die Verhaldung von Reststoffen aus dem Erzberg und ähnlicher Materialien auf näher bezeichneten Grundstücken im Bereich des B-Sturzes im Bergbaugebiet der N-GesmbH als Bergbauberechtigte und Grundeigentümerin, deren es für die gemäß § 2 Abs. 1 im Zusammenhalt mit § 182 Abs. 1 leg. cit. angeführten bergbaulichen Tätigkeiten bedarf, unter Vorschreibung zahlreicher Bedingungen und Auflagen erteilt. Zur Begründung führte die Berghauptmannschaft X nach Darstellung des Verfahrensganges unter anderem aus, sie habe in freier Beweiswürdigung auf Grund der angeführten gesetzlichen Bestimmungen nach eingehender Prüfung der Gutachten der Sachverständigen und Feststellung, daß keine Gefährdung von Personen und der Bewilligungswerberin nicht zur Benützung überlassenen Sachen und keine über das zumutbare Ausmaß hinausgehende Belästigung der Umwelt zu erwarten sei, die Bewilligung zur Herstellung der gegenständlichen Bergbauanlage zu erteilen gehabt.

Mit Bescheid vom 6. September 1990 erklärte der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde in Ausübung seines Aufsichtsrechtes gemäß § 68 Abs. 4 lit. a AVG 1950 in Verbindung mit den §§ 134, 145, 146, 176 Abs. 2 und 182 des Berggesetzes den Bescheid der Berghauptmannschaft X vom 31. Jänner 1990 betreffend die befristete Genehmigung zur deponiemäßigen Entsorgung von Hausmüll und hausmüllähnlichen Stoffen aus 15 Gemeinden des Bezirkes X auf dem Müllablagerungsplatz der Stadtgemeinde Z im Bereich des B-Sturzes am Erzberg und den vorzitierten Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 2. Mai 1990 als nichtig. Zur Begründung der Nichtigerklärung des zuletzt genannten Bescheides führte der Bundesminister unter anderem aus, eine Beurteilung der Rechtsfrage fehle in den Begründungen beider Bescheide. Nach § 134 Berggesetz bestehe eine gesetzliche Sicherungspflicht des Bergbauberechtigten. § 146 leg. cit. sehe eine Bewilligungspflicht hinsichtlich der Herstellung (Errichtung) und des Betriebes (der Benützung) bestimmter Bergbauanlagen vor. Er gebe weiters die Bewilligungsvoraussetzungen an, wer Partei im Bewilligungsverfahren sei und vor Erteilung der Bewilligung zu hören sei. Antragslegitimiert bezüglich derartiger Bewilligungen sei jeweils der Bergbauberechtigte. Unter einer Bergbauanlage sei nach § 145 leg. cit. jedes für sich bestehende, örtlich gebundene und künstlich geschaffene Objekt zu verstehen, das den im § 2 Abs. 1 des Berggesetzes 1975 angeführten Tätigkeiten zu dienen bestimmt sei. Wer als Bergbauberechtigter gelte, sei dem § 1 Z. 21 des Berggesetzes zu entnehmen. § 176 Abs. 2 leg. cit. bestimme, daß in Bergbaugebieten Bauten und andere Anlagen, soweit es sich nicht um Bergbauanlagen handle, nach Maßgabe des § 179 leg. cit. nur mit Bewilligung der Berghauptmannschaft errichtet werden dürften. § 182 leg. cit. verpflichte den Bergbauberechtigten ex lege zur Sicherung der Oberflächennutzung nach Beendigung der Bergbautätigkeit. Die "Bergbauanlage für die Verhaldung von Reststoffen aus dem Erzberg und ähnlicher Materialien" könne mangels Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen nicht als Bergbauanlage im Sinne des § 145 des Berggesetzes gelten. Aus den dem Bewilligungsansuchen vom 19. März 1990 beigefügt gewesenen Unterlagen sei nämlich zu ersehen, daß angelieferte Reststoffe durch chemisch-pysikalische Verfahren verfestigt, biologisch abgebaut und sodann einer "Verhaldung" zugeführt werden sollen. Hiezu sei eine über 100 m lange und über 20 m breite Lager- und Maschinenhalle mit einem 30 m langen und etwa 20 m breiten angebauten Seitentrakt vorgesehen. In diesem solle eine DCR-Anlage, eine Werkstätte und ein Öllager untergebracht werden. Außerhalb der Halle sollten eine Zementmischanlage, verschiedene Silos und Container aufgestellt werden. Weiters seien ein Absetzbecken, ein Waschplatz, eine Dieseltankstelle, Manipulationsflächen, Betriebsstraßen und eine Halde für die behandelten Reststoffe vorgesehen. Diese sei für ein Fassungsvermögen von etwa 1,000.000 m3 geplant. Nach der über die hierüber von der Berghauptmannschaft durchgeführten Verhandlung aufgenommenen Niederschrift habe der Verfasser des Projektes ausgeführt, daß die Abfallprodukte, die "verhaldet" werden sollten, zu einem wesentlichen Teil aus Reststoffen aus der Verhüttung des Erzes am Erzberg stammen würden. In der weiteren Folge seien die zu "verhaldenden" Stoffe unter Bezugnahme auf die Schlüsselnummern der Ö-Norm S 2100 wie folgt angegeben worden: 312 metalurgische Schlacken, Krätzen und Stäube, 313 Aschen, Schlacken, Staub aus Verbrennungsanlagen, 31411 Bodenaushub und 31423 ölverunreinigter Boden. Es handle sich demnach um keine bergbauspezifischen Abfälle, die bei den in § 2 Abs. 1 des Berggesetzes angeführten Tätigkeiten der Beschwerdeführerin anfielen, sondern um bergbaufremde Abfälle. Daran ändere auch nichts, daß diese teilweise bei der Verhüttung von Eisenerz vom Erzberg entstünden. Es ergebe sich sohin, daß die erteilten Bewilligungen bzw. Genehmigungen nicht durch das Berggesetz oder von den Bergbehörden anzuwendende andere Rechtsvorschriften gedeckt seien und die Berghauptmannschaft X für die Erlassung der bezüglichen Bescheide unzuständig gewesen sei. Die Bescheide unterlägen nicht mehr einem ordentlichen Rechtsmittel.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin "in ihren gesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt, die ihr aus dem nichtig erklärten Bescheid erwachsen sind". In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes trägt die Beschwerdeführerin im wesentlichen vor, sie habe schon in ihrem dem nichtig erklärten Bescheid zugrundeliegenden Antrag dargelegt, daß die in Rede stehende Anlage in erster Linie der Rekultivierung und sohin bergrechtlichen Zwecken zu dienen bestimmt sei. Daraus leite sich die Zuständigkeit der Bergbehörde ab. Unabhängig davon, welche Stoffe durch die im nichtigerklärten Bescheid bewilligten Anlagen einer Verarbeitung, Verhaldung und anschließenden Haldendeckung (Humus) zugeführt würden, handle es sich bei der gegenständlichen Anlage eindeutig und ausschließlich um einen Bergbaubetrieb, und zwar schon allein im Hinblick auf die gesetzliche Bestimmung des § 182 des Berggesetzes, in welcher dem Bergbauberechtigten die Verpflichtung auferlegt werde, die von ihm genützten Grundstücke bzw. Grundstücksteile wieder in den früheren Zustand zu versetzen, ganz abgesehen davon, daß die Beschwerdeführerin dazu auch bescheidmäßig verpflichtet sei. Die Frage, ob die Stoffe, die zur Wiederherstellung des früheren Zustandes verwendet würden, aus dem Bergbau kämen oder nicht, stelle sich in diesem Zusammenhang gar nicht. Die Beschwerdeführerin wäre in keinem Falle in der Lage, den früheren Zustand des Erzberges, im gegenständlichen Fall im Bereich des B-Sturzes, aus Material aus ihrer Bergbautätigkeit wiederherzustellen. Es müsse ihr freistehen, wie sie diese Verpflichtung erfülle. Es könne von ihr nicht gefordert werden, worauf der angefochtene Bescheid hinauslaufe, daß sie ihren Verpflichtungen so nachkomme, daß sie das Material zur Wiederauffüllung sowie zur Humusierung anderweitig zuführe. Es müsse ihr erlaubt sein, aus ihrer Bergbautätigkeit stammendes Material (Hüttenrestmaterial) zur Erfüllung ihrer Verpflichtung wie auch bergfremde Materialen im Rahmen ihrer Bergbautätigkeit in den Berg wieder einzubringen. Dazu komme noch, daß bei der naßmechanischen Aufbereitung der Erze im Bergbau erhebliche Schlammengen anfielen, welche zum Teil in dieser Anlage zur Verfestigung und Inertisierung verwendet werden sollten, was die Beschwerdeführerin bisher in Ermangelung einer entsprechenden Anlage nicht durchführen habe können. Die gegenständlichen Anlagen dienten somit ausschließlich dem Bergbau der Beschwerdeführerin und unterlägen daher den bergrechtlichen Bestimmungen, für welche ausschließlich die Berghauptmannschaft X zuständig sei. Die Frage, ob andere gesetzliche Bestimmungen auch noch zur Anwendung zu kommen hätten, sei in diesem Zusammenhang bedeutungslos. Aber selbst wenn man die in Rede stehende Anlage nicht als "Bergbauanlage" im Sinne des § 145 Berggesetz ansehe, so ergebe sich die Zuständigkeit der Berghauptmannschaft X auch aus § 176 Abs. 2 leg. cit., wonach in Bergbaugebieten Bauten und andere Anlagen, die nicht Bergbauanlagen darstellten, nach Maßgabe des § 179 leg. cit. nur mit Bewilligung der Berghauptmannschaft errichtet werden dürften. Es werde auch von der belangten Behörde nicht in Zweifel gezogen, daß es sich beim Standort der in Rede stehenden Anlage um ein Bergbaugebiet im Sinne des Berggesetzes handle. In derartigen Bergbaugebieten sei nach den zitierten Gesetzesstellen aber für alle Bauten und Anlagen, die auch keine Bergbauanlagen seien, die Berghauptmannschaft zur Bewilligung der Errichtung kompetent. Schließlich habe es die belangte Behörde auch unterlassen, ein erforderliches Ermittlungsverfahren durchzuführen.

Gemäß § 68 Abs. 4 lit. a AVG 1950 können Bescheide von Amts wegen in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde als nichtig erklärt werden, wenn der Bescheid von einer unzuständigen Behörde oder von einer nicht richtig zusammengesetzten Kollegialbehörde erlassen wurde.

Gemäß § 146 Abs. 1 Berggesetz sind zur Herstellung (Errichtung) und zum Betrieb (zur Benützung) von obertägigen Bergbauanlagen, ferner von Zwecken des Bergbaus dienenden Stollen, Schächten, Bohrungen ab 100 m Tiefe und Sonden sowie von untertägigen Bergbauanlagen, soweit diese wegen ihrer Ausstattung mit Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise oder sonst geeignet sind, das Leben oder die Gesundheit von Arbeitnehmern zu gefährden, sowie bei wesentlichen Änderungen an derartigen Bergbauanlagen Bewilligungen der Berghauptmannschaft einzuholen. Die Berghauptmannschaft ist somit zur Behandlung und Entscheidung von Anträgen auf Bewilligungen zur Herstellung und zum Betrieb von Bergbauanlagen berufen. Ein derartiger Fall liegt hier vor.

Wie sich aus dem eingangs dargestellten Gang des Verwaltungsverfahrens ergibt, stellte die Beschwerdeführerin an die Berghauptmannschaft X das Ansuchen, die Herstellung und den Betrieb des von ihr näher dargestellten Projektes als Bergbauanlage zu bewilligen. Nach der diesbezüglich eindeutigen Anordnung des § 146 Abs. 1 Berggesetz hatte über diesen Antrag die Berghauptmannschaft X (deren örtliche Zuständigkeit nicht zweifelhaft sein kann) zu entscheiden. An der Zuständigkeit zu dieser Entscheidung vermag der Umstand, daß die Berghauptmannschaft X möglicherweise das in Rede stehende Projekt zu Unrecht als Bergbauanlage im Sinne des § 146 Abs. 1 Berggesetz qualifizierte und damit möglicherweise zu Unrecht die beantragte Bewilligung erteilte, anstatt sie zu versagen, nichts zu ändern.

War aber die Zuständigkeit der Berghauptmannschaft X zur Erlassung des in Rede stehenden Bescheides vom 2. Mai 1990 gegeben, so erweist sich dessen Nichtigerklärung durch die belangte Behörde mangels Vorliegens des von ihr herangezogenen gesetzlichen Tatbestandes des § 68 Abs. 4 lit. a AVG 1950 als rechtswidrig.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Damit war ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen entbehrlich.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

sachliche Zuständigkeit in einzelnen Angelegenheiten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990040291.X00

Im RIS seit

19.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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