TE Vwgh Erkenntnis 1991/2/27 90/03/0133

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Veröffentlicht am 27.02.1991
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §52;
StVO 1960 §20 Abs1;
StVO 1960 §20 Abs2;
StVO 1960 §52 lita Z10a idF 1976/412 ;
StVO 1960 §52 lita Z10a;
StVO 1960 §99 Abs3 lita idF 1971/274;
VStG §44a lita;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Baumgartner und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Puntigam, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 12. März 1990, Zl. IIb2-V-7950/3/90, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Von der Verkehrsabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Tirol wurde der Beschwerdeführer der Behörde angezeigt, weil er am 6. Juli 1988 um 20.25 Uhr auf der Inntalautobahn A 12 bei km 95,5 im Gemeindegebiet von Pettnau in Fahrtrichtung Zirl fahrend die gesetzlich zulässige Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen um 48 km/h überschritten habe. Die Geschwindigkeitsüberschreitung sei durch Nachfahren in gleichbleibendem Abstand mit einem Zivilstreifenwagen festgestellt worden. Die Geschwindigkeit sei vom Tacho der geeichten Traffipaxanlage abgelesen und fotografiert worden. In der Anzeige heißt es ferner, der Beschwerdeführer habe die Übertretung zugegeben, jedoch keinen Grund für die Geschwindigkeitsüberschreitung angeben können.

Die gegen den Beschwerdeführer wegen dieser Übertretung erlassene Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 3. November 1988 trat zufolge rechtzeitig erhobenen Einspruches außer Kraft.

In dem daraufhin gegen den Beschwerdeführer eingeleiteten ordentlichen Verfahren gab er, wie der mit ihm aufgenommenen Niederschrift am 28. Jänner 1989 zu entnehmen ist, die ihm zur Last gelegte "Übertretung des zu Schnellfahrens" zu. Er sei etwas zu schnell unterweges gewesen, aber keinesfalles in dem von dem Beamten durch Nachfahren in "gleichbleibendem Abstand" angegebenen Ausmaß.

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 21. Juli 1989 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 6. Juli 1988 um 20.25 Uhr einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw in Pettnau auf der A 12 bei km 95,5 in Fahrtrichtung Zirl fahrend gelenkt und dabei die gesetzlich zulässige Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen laut Radarmessung um 48 km/h überschritten. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs. 2 StVO begangen, weshalb über ihn gemäß § 99 Abs. 3 lit. a leg. cit. eine Geldstrafe von S 2.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 4 Tage) verhängt wurde.

In der gegen dieses Straferkenntnis eingebrachten Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, es sei nicht richtig, daß der Streifenwagen in gleichbleibendem Abstand hinter ihm hergefahren sei und die Geschwindigkeitsüberschreitung festgestellt habe. Richtig sei, daß der Streifenwagen mit hoher Geschwindigkeit auf sein Fahrzeug aufgeschlossen, sein Fahrzeug mit der Radaranlage fotografiert habe und mit unverminderter Geschwindigkeit an ihm vorbeigefahren sei und er sodann angehalten worden sei.

Im Zuge des Berufungsverfahrens wurde der Meldungsleger als Zeuge vernommen. Er gab an, die Geschwindigkeitsüberschreitung sei eindeutig durch Nachfahren mit dem Zivilstreifenwagen in gleichbleibendem Abstand festgestellt worden. Zum Beweise lege er drei, innerhalb von sechs Sekunden angefertigte Fotos bei. Beim Foto Nr. 3 sei ersichtlich, daß sich die Geschwindigkeit des Zivilstreifenwagens erhöht habe und trotzdem der Abstand zum Fahrzeug des Beschwerdeführers größer geworden sei. Vom Meldungsleger wurde ferner die Fotokopie der Gebührenvorschreibung für die am 31. März 1988 vorgenommene Überprüfung und Eichung der Traffipaxanlage und des Tachometers des Zivilstreifenwagens zu den Akten gegeben.

Mit Bescheid vom 12. März 1990 wies die Tiroler Landesregierung die Berufung des Beschwerdeführers ab. Zur Begründung führte die Behörde aus, nach dem vorliegenden Meßergebnis habe der Beschwerdeführer die gesetzlich zulässige Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen um 48 km/h überschritten. Wenn der Beschwerdeführer nun geltend mache, daß eine Überschreitung der höchsten zulässigen Geschwindigkeit in diesem Ausmaß nicht erfolgt sei, sondern daß das hohe Meßergebnis vielmehr darauf zurückzuführen sei, daß die Radarmessung durch die Geschwindigkeitsdifferenz mit dem Meßfahrzeug entstanden sei, so sei darauf hinzuweisen, daß die Geschwindigkeit seines Fahrzeuges nicht einmal, sondern dreimal gemessen worden sei, wobei Geschwindigkeiten von 177 km/h, 178 km/h und 181 km/h festgestellt worden seien. Die Messungen seien während einer Zeitdauer von sechs Sekunden durchgeführt worden. Allein schon daraus ergebe sich, daß der Verantwortung des Beschwerdeführers nicht gefolgt gewesen könne. Dieser Umstand finde Deckung in der Zeugenaussage des Meldungslegers, der angegeben habe, daß die Geschwindigkeitsüberschreitung eindeutig durch Nachfahren mit dem Zivilstreifenwagen in gleichbleibendem Abstand festgestellt worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragte in der von ihr erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt vor, im Beschwerdefall stehe seiner Verantwortung die Zeugenaussage des Meldungslegers entgegen. Es sei nicht richtig, daß der Zivilstreifenwagen in gleichbleibendem Abstand hinter seinem Fahrzeug hergefahren sei. Vielmehr habe sich der Zivilstreifenwagen mit hoher Geschwindigkeit genähert und sein Fahrzeug mit fast unverminderter Geschwindigkeit überholt. Keinesfalls habe der Beschwerdeführer eine Geschwindigkeitsüberschreitung in dem vom Meldungsleger angegebenen Ausmaß begangen. Vor allem treffe die Behauptung des Meldungslegers, es sei aus dem Lichtbild Nr. 3 ersichtlich, daß sich die Geschwindigkeit des Zivilstreifenwagens erhöht habe und trotzdem der Abstand zum Fahrzeug des Beschwerdeführers größer geworden sei, nicht zu. Aus dem Lichtbild ergebe sich vielmehr das Gegenteil. Die Zeugenaussage des Meldungslegers sei sohin unschlüssig und zum übrigen Akteninhalt in Widerspruch. Es hätte daher einer eingehenden Untersuchung der Lichtbilder, etwa durch einen Sachverständigen, bedurft. Ungeklärt bleibe weiters, ob die Geschwindigkeitsmessung durch Radarmessung oder durch Nachfahren in gleichbleibendem Abstand erfolgt sei. Schließlich habe die belangte Behörde bestehende Meßfehler und Ungenauigkeiten in der Geschwindigkeitsermittlung zu Ungunsten des Beschwerdeführers nicht berücksichtigt. Entsprechend dem Grundsatz des § 25 VStG, wonach die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umständen in gleicher Weise zu berücksichtigen seien wie die belastenden, hätte diesem Umstand durch Vornahme eines Sicherheitsabzuges in der Höhe von 10 Prozent bis 15 Prozent Rechnung getragen werden müssen.

Gemäß § 20 Abs. 2 StVO darf der Lenker eines Fahrzeuges, sofern die Behörde nicht eine geringere Höchstgeschwindigkeit erläßt (§ 43 Abs. 1) oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt (§ 43 Abs. 4), auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h fahren.

Wie der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen hat, kommt es für die Tatbestandsmäßigkeit eines Übertretung des § 20 Abs. 2 StVO nicht auf das Ausmaß der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit an. Das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung stellt demnach kein Tatbestandsmerkmal des § 20 Abs. 2 StVO dar. Das Tatbild des § 20 StVO ist vielmehr schon dann erfüllt, wenn die zulässigen Höchstgeschwindigkeiten - gegebenenfalls auch nur geringfügig - überschritten werden (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Juli 1986, Zl. 86/02/0049, ferner vom 9. Jänner 1987, Zl. 86/18/0226, und vom 11. Februar 1987, Zl. 85/03/0060, und die weitere darin angeführte Vorjudikatur). Die belangte Behörde durfte daher schon auf dem Boden der Rechtfertigung des Beschwerdeführers davon ausgehen, daß der Beschwerdeführer zur Tatzeit am Tatort mit seinem Fahrzeug schneller als 130 km/h gefahren ist, weshalb in der Subsumtion seines Verhaltens unter den Tatbestand des § 20 Abs. 2 StVO keine Rechtswidrigkeit zu erblicken ist.

Der Beschwerdeführer wurde aber auch dadurch, daß die belangte Behörde - überflüssigerweise - auch das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung in den Schuldspruch aufnahm, im Beschwerdefall in keinem Recht verletzt. Es entspricht nämlich ferner der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß das Nachfahren mit einem Streifenwagen und das Ablesen des damit ausgestatteten Tachometers grundsätzlich ein taugliches und zulässiges Beweismittel zur Feststellung einer von einem Fahrzeug eingehaltenen Fahrgeschwindigkeit darstellt und bei entsprechendem Ausmaß der festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung selbst dem Umstand, daß der Tachometer des Dienstfahrzeuges nicht geeicht war, keine Bedeutung zukommt; hiebei wird eine Beobachtungsstrecke von ca. 100 m für ausreichend erachtet (vgl. dazu n.v.a. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. August 1990, Zl. 90/02/0058, und vom 10. Oktober 1990, Zl. 89/03/0272). Die belangte Behörde stützte die maßgebenden Feststellungen auf die mit der Anzeige übereinstimmenden Angaben des als Zeugen vernommenen Meldungslegers, denen zufolge er im Zivilstreifenwagen in gleichbleibendem Abstand hinter dem Fahrzeug des Beschwerdeführers nachgefahren sei, wobei die gefahrene Geschwindigkeit vom geeichten Tachometer abgelesen und überdies von einer damit verbundenen Traffipaxanlage fotografisch festgehalten wurde, von der drei Lichtbilder in einem Zeitraum von sechs Sekunden angefertigt wurden. Es handelt sich demnach nicht - wie im erstinstanzlichen Straferkenntnis irrtümlich angeführt wurde - um eine Messung der Geschwindigkeit mit einem Radargerät, sondern um eine durch eine Tachometerangabe gestützte und überdies durch eine Traffipaxanlage fotografisch festgehaltene Schätzung der Geschwindigkeit (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. April 1984, Zl. 83/02/0333, und vom 27. Mai 1988, Zl. 87/18/0069). Der Umstand, daß im Spruch des von der belangten Behörde bestätigten Straferkenntnisses angeführt ist, es sei die Geschwindigkeitsüberschreitung "lt. Radarmessung" festgestellt worden, bewirkt jedoch keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, zumal die Art der Feststellung der Geschwindigkeitsüberschreitung kein Tatbestandsmerkmal der Übertretung des § 20 Abs. 2 StVO darstellt und sich aus der Begründung der Straferkenntnisse beider Instanzen eindeutig ergibt, daß die "Messung" durch die im Zivilstreifenwagen angebrachte Traffipaxanlage erfolgte. Im übrigen ist den von dieser Anlage angefertigten Lichtbildern - wie die belangte Behörde in der Gegenschrift zutreffend darlegte - zu entnehmen, daß sich der Abstand zwischen dem vom Beschwerdeführer gelenkten Kraftfahrzeug und dem hinter ihm fahrenden Gendarmeriefahrzeug im wesentlichen nicht geändert hat, weshalb der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden kann, wenn sie der Verantwortung des Beschwerdeführers ungeachtet dessen, ob sich nun dieser Abstand, wie er auf Lichtbild 3 ersichtlich ist, gegenüber dem Abstand, wie er auf Lichtbild 2 ersichtlich ist, verringert - wie der Beschwerdeführer meint - oder vergrößert hat - wie vom Meldungsleger behauptet wird - nicht folgte, zumal es sich hiebei jeweils nur um geringfügige Abweichungen in der einen oder anderen Richtung handelt konnte. Solcherart war auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens in dieser Frage entbehrlich, ganz abgesehen davon, daß ein solches Gutachten vom Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren nie beantragt wurde. Welche "bestehende Meßfehler und Ungenauigkeiten in der Geschwindigkeitsermittlung" schließlich von der belangten Behörde nicht berücksichtigt worden seien, wird vom Beschwerdeführer nicht aufgezeigt und vermag auch der Verwaltungsgerichtshof in Hinsicht auf die ca. 3 Monate vor der Tat vorgenommene Eichung des Tachometers nicht zu erkennen. Mit der Vornahme eines "Sicherheitsabzuges in der Höhe von 10 Prozent bis 15 Prozent" wäre für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen, weil ein solcher Abzug an der Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens des Beschwerdeführers nichts ändern würde und selbst in diesem Falle noch immer eine erhebliche Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit durch den Beschwerdeführer gegeben wäre.

Die Beschwerde erweist sich sohin zur Gänze als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Sachverständiger Entfall der BeiziehungFeststellen der GeschwindigkeitÜberschreiten der Geschwindigkeitfreie BeweiswürdigungBeweismittel Amtspersonen Meldungsleger Anzeigen Berichte ZeugenaussagenSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Sachverständigenbeweis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990030133.X00

Im RIS seit

12.06.2001

Zuletzt aktualisiert am

18.06.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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