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10/10 Auskunftspflicht;Norm
AuskunftspflichtG 1987 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Hoffmann, Dr. Herberth, Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissär Dr. Kral, über die Beschwerde des N gegen den Bundesminister für Inneres wegen Verletzung der Entscheidungspflicht, zu Recht erkannt:
Spruch
Gemäß § 42 Abs. 5 VwGG in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG wird die Berufung gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 6. Juni 1989, Zl. SD 306/89, abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 5.320,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom 2. März 1989 beantragte der Beschwerdeführer bei der Bundespolizeidirektion Wien die Ausfolgung von seiner Ansicht nach "wenigstens teilweise ohne Rechtsgrundlage" angefertigten bzw. aufbewahrten Fotos und Negativen, die die Person des Beschwerdeführers beträfen, zum Teil anläßlich einer Demonstration vom 16. März 1985 angefertigt worden seien und sich laut Auskunft der Behörde vom 21. Februar 1989 in deren Gewahrsam befänden.
Mit Bescheid vom 17. April 1989 wies die Bundespolizeidirektion Wien den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 6 Abs. 1 AVG wegen Unzuständigkeit zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Antrag auf Ausfolgung von Lichtbildern und Negativen gehe "über die Bestimmungen in Frage kommender Gesetze (etwa § 17 AVG, § 1 Auskunftspflichtgesetz 1986) weit hinaus". Ein Anspruch auf Ausfolgung von Lichtbildern, die Aktenteile seien, sei gesetzlich nicht vorgesehen. Es bestehe somit in Übereinstimmung mit der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes weder eine behördliche Zuständigkeit zur meritorischen Behandlung des Antrages noch zu seiner Weiterleitung an eine andere Behörde.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, eines der Fotos sei anläßlich seiner Festnahme im Polizeigefangenenhaus am 14. Februar 1985 gegen seinen ausdrücklichen Willen angefertigt worden. Dafür gebe es ebensowenig eine Rechtsgrundlage wie für das Fotografieren von Teilnehmern an einer Demonstration und das Aufbewahren dieser Fotos. Eine Berechtigung der Behörde für das Anfertigen und Aufbewahren von Lichtbildern bestehe nur bei gesetzlicher Grundlage hiefür. Ohne eine gesetzliche Grundlage sei ein derartiger Vorgang gesetzwidrig, woraus sich ein Anspruch auf Wiederherstellung eines gesetzmäßigen Zustandes ergebe.
Mit Bescheid vom 6. Juni 1989 gab die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. In der Bescheidbegründung vertrat die Behörde die Auffassung, daß eine gesetzliche Grundlage für die vom Beschwerdeführer beantragte Ausfolgung von "Fotomaterial (oder anderen Aktenteilen)" fehle. Die Frage, ob die Fotos erlaubterweise angefertigt worden seien und ob sie zu Recht aufbewahrt würden, sei nicht Gegenstand des Verfahrens.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung betonte der Beschwerdeführer unter Beibehaltung seines bisherigen Rechtsstandpunktes, Fotos seien nicht irgendeine Sache, sondern seien "im engen Kontext mit dem Persönlichkeitsschutz versehen, insbesondere in Hinblick auf Art. 8 EMRK."
Mit am 4. Jänner 1990 zur Post gegebener Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht beantragte der Beschwerdeführer, der Verwaltungsgerichtshof möge über die Berufung selbst entscheiden, weil der Bundesminister für Inneres (die belangte Behörde) es unterlassen habe, innerhalb der sechsmonatigen Frist des § 73 AVG über die Berufung zu entscheiden. Da die belangte Behörde innerhalb der ihr gemäß § 36 Abs. 2 VwGG eingeräumten Frist weder den versäumten Bescheid nachgeholt noch angegeben hat, daß eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege, und auch nicht um Erstreckung der Frist angesucht hat, obliegt es gemäß § 42 Abs. 5 VwGG dem Verwaltungsgerichtshof, über die Berufung zu entscheiden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In Übereinstimmung mit den Behörden erster und zweiter Instanz ist der Verwaltungsgerichtshof der Auffassung, daß die behördlicherseits - das diesbezügliche Handeln der Polizeiorgane ist der Behörde erster Instanz zuzurechnen - vom Beschwerdeführer angefertigten Lichtbilder als Bestandteil von Verwaltungsakten anzusehen und daher als solche nicht an Parteien auszufolgen sind (vgl. Walter - Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes, 4. Auflage, Wien 1987, Rdz. 174).
Beim gegebenen Sachverhalt, dem kein Hinweis auf eine etwa kommerzielle Verwertung der Lichtbilder oder die Ermöglichung eines Zugriffes der Öffentlichkeit auf diese entnommen werden kann, bietet die österreichische Rechtsordnung keine rechtliche Handhabe und damit auch keinen im Verwaltungsverfahren durchsetzbaren Anspruch auf Herausgabe der gegenständlichen Lichtbilder. Für den Bereich des Urherberrechtes ist das im Gesetz ausdrücklich geregelt; (vgl. § 78 in Verbindung mit § 41 Urheberrechtsgesetz). Eine Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden besteht allerdings nicht. Sohin besteht für die Behandlung des vom Beschwerdeführer geltend gemachten Anspruches keine Stelle, an die der Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 6 Abs. 1 AVG hätte weitergeleitet werden können. In einem solchen Fall hat aber die Behörde mit Zurückweisung des Anbringens vorzugehen (vgl. hg. Erkenntnisse vom 21. Dezember 1978, Zl. 2551/76, und vom 26. April 1988, Zl. 88/11/0032, sowie das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Dezember 1984, VfSlg. 10.312).
Soweit der Beschwerdeführer die Herstellung der Lichtbilder als ohne gesetzliche Grundlage erfolgt und daher rechtswidrig erachtet ist ihm entgegenzuhalten, daß dies nicht Gegenstand eines Antrages auf Ausfolgung der Lichtbilder ist.
Wenn der Beschwerdeführer schließlich den Anspruch auf Ausfolgung der Lichtbilder aus Art. 8 MRK ableitet, ist er darauf hinzuweisen, daß Grundrechtsverletzungen gemäß Art. 133 Z. 1 in Verbindung mit Art. 144 Abs. 1 B-VG Angelegenheiten sind, die zur Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes gehören und daher von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen sind. Im übrigen wird auf die in einem im wesentlichen gleichgelagerten Fall ergangene Entscheidung der Europäischen Kommission für Menschenrechte (EKMR) verwiesen (vgl. Entscheidung der EKMR vom 12. Oktober 1973, Nr. 5877/72, Yearbook of the European Convention on Human Rights 1973, S. 329 ff.).
Aus all diesen Gründen konnte der Berufung des Beschwerdeführers kein Erfolg beschieden sein.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff und insbesondere § 55 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206, über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof.
Schlagworte
Weiterleitung an die zuständige Behörde auf Gefahr des EinschreitersEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990010005.X00Im RIS seit
27.02.1991Zuletzt aktualisiert am
01.07.2010