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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §37;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):90/06/0159Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Dr. Leukauf und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde der N gegen die Bescheide der Tiroler Landesregierung vom 10. Juli 1990, Zl. Ib-8410/6-1990 und Ib-8410-7/1990, betreffend Übertretungen der Tiroler Feuerpolizeiordnung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.840,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Bezirkshauptmannschaft Lienz verhängte mit zwei Straferkenntnissen vom 7. November 1989 über die Beschwerdeführerin eine Geldstrafe von jeweils S 4.000,-- (Ersatzarrest von je 4 Tagen) weil sie es als Eigentümerin der zu reinigenden Zentralheizungsanlage im Privathaus in Z Nr. nn zu verantworten habe, daß den Rauchfangkehrern die Reinigung der Zentralheizungsanlage durch ihren Ehemann am 17. Mai 1989 (Zl. A-563/89a) bzw. am 12. Juli 1989 (Zl. A-563/89b) verweigert worden sei, obwohl die Reinigung für die beiden Tage jeweils in der Zeit von 13 Uhr bis 13.30 bekanntgegeben worden sei. Sie habe dadurch Verwaltungsübertretungen nach § 39 Abs. 1 lit. e in Verbindung mit § 12 Abs. 2 erster Satz der Tiroler Feuerpolizeiordnung, LGBl. Nr. 47/1978, begangen. Der gegen beide Bescheide eingebrachten Berufung wurde insofern Folge gegeben, als die Strafe jeweils auf S 3.000,-- (Ersatzarrest je 3 Tage) herabgesetzt wurde.
Mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 25. September 1990, Zlen. B 1021,1022/90-3, wurde die Behandlung der gegen diese Bescheide gerichteten Beschwerde abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
In der vorliegenden Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die hier maßgebenden Bestimmungen der Tiroler
Feuerpolizeiordnung, LGBl. Nr. 47/1978, in der Fassung LBGl.
Nr. 19/1979, lauten:
"§ 11
Reinigungs- und Überprüfungsfristen
(1) Benützte Feuerungsanlagen sind, soweit es sich nicht um Feuerungsanlagen im Sinne der Abs. 2 und 3 handelt, innerhalb folgender Fristen vom Rauchfangkehrer zu reinigen:
a) alle sechs Monate: Feuerungsanlagen, die ausschließlich mit Gas befeuert werden;
b) alle vier Monate:
1. Ölfeuerungsanlagen mit Zerstäubungsbrennern, die mit Heizöl "extra leicht" befeuert werden, wenn sich auf Grund der dem Rauchfangkehrer vorgelegten Überprüfungsbefunde nach § 11 Abs. 4 des Ölfeuerungsgesetzes ergibt, daß der Staub- und Rußgehalt der Abgase die von der Landesregierung in der Verordnung nach § 11 Abs. 6 des Ölfeuerungsgesetzes für diese Ölfeuerungsanlagen festgesetzten Betriebswerte nicht übersteigt. Die verlängerte Reinigungsfrist gilt ab der Vorlage des Überprüfungsbefundes an den Rauchfangkehrermeister für die Dauer eines Jahres ab dem Zeitpunkt der Ausstellung des Überprüfungsbefundes;
2. schliefbare Rauchfänge offener Feuerstätten;
c) alle zwei Monate: die übrigen Feuerungsanlagen, die mit
festen oder flüssigen Brennstoffen befeuert werden........"
"§ 12
Durchführung der Reinigung und Überprüfung
(1) Der Rauchfangkehrer hat den Zeitpunkt der Reinigung bzw. Überprüfung dem Eigentümer der reinigungspflichtigen Anlage bzw. dem sonst hierüber Verfügungsberechtigten rechtzeitig, mindestens jedoch einen Tag vorher, bekanntzugeben. Diese Mindestfrist kann mit Zustimmung des Eigentümers bzw. Verfügungsberechtigten unterschritten werden.
(2) Die Eigentümer der zu reinigenden bzw. zu überprüfenden Anlagen bzw. die sonst hierüber Verfügungsberechtigten haben dafür zu sorgen, daß die Reinigung bzw. die Überprüfung am bekanntgegebenen Tag durchgeführt werden kann. Ist die Reinigung bzw. Überprüfung an diesem Tag nicht möglich, so hat der Rauchfangkehrer die Reinigung bzw. Überprüfung unverzüglich nachzuholen."
Betreffend den Tatzeitpunkt 17. Mai 1989 wurden die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann Josef N mit Schreiben des Bürgermeisters der Gemeinde Z vom 10. Mai 1989 davon verständigt, daß am Mittwoch, dem 17. Mai 1989 in der Zeit zwischen 13.00 Uhr und 13.30 Uhr Kehrarbeiten gemäß der Tiroler Feuerpolizeiordnung im Privathaus sowie in den Hotelgebäuden durchgeführt werden. Mit Ladungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 2. August 1989 wurde der Beschwerdeführerin zur Last gelegt, sie habe am 17. Mai 1989 als Eigentümerin der zu reinigenden bzw. zu überprüfenden Zentralheizungsanlage im Privathaus in Z Nr. nn den Rauchfangkehrern K. und M. die Reinigung und Überprüfung der Zentralheizungsanlage verweigert, obwohl die Reinigung bzw. Überprüfung für den 17. Mai 1989 bekanntgegeben worden sei. In einer Stellungnahme vom 10. August 1989 bestritt die Beschwerdeführerin das Vorliegen des strafbaren Tatbestandes. Anläßlich einer Einvernahme der Zeugen K. und M. vom 20. September 1989 brachten diese vor, die Beschwerdeführerin sei vom Bürgermeister der Gemeinde Z verständigt worden, daß für Mittwoch, den 17. Mai 1989, in der Zeit von 13.00 Uhr bis 13.30 Uhr nach der Tiroler Feuerpolizeiordnung wieder Kehrarbeiten im Privathaus sowie in den Hotelgebäuden vorgesehen seien. Gegen 13.30 Uhr hätten die Zeugen dann daher im Privathaus die vorgesehenen Kehrungen vornehmen wollen, jedoch habe N jegliche Kontrolle und Kehrung im Privathaus mit der Begründung, daß zur Zeit nicht geheizt werde, verweigert. Im Hotel "XY" und in der Dependance habe N die Kontroll- und Kehrmaßnahmen durchführen lassen.
Nach Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme wurde der Beschwerdeführerin mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 7. November 1989 zur Last gelegt, sie habe es als Eigentümerin der zu reinigenden Zentralheizungsanlage im Privathaus in Z Nr. nn zu verantworten, daß den Rauchfangkehrern K.P. und M.M. die Reinigung der Zentralheizungsanlage durch den Ehemann N Josef am 17. Mai 1989, gegen 13.30 Uhr, verweigert worden sei, obwohl die Reinigung für den 17. Mai 1989 in der Zeit von 13.00 Uhr bis 13.30 Uhr durch die Gemeinde Z durch Schreiben vom 10. Mai 1989 bekanntgegeben worden sei. Dieses Straferkenntnis wurde nach seinem Zustellnachweis am 23. November 1989 zur Post gegeben und der Beschwerdeführerin am 24. November 1989 zugestellt.
Gemäß § 31 Abs. 1 VStG 1950 ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen worden ist. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung beträgt die Verjährungsfrist bei den Verwaltungsübertretungen der Gefährdung, Verkürzung oder Hinterziehung von Landes- und Gemeindeabgaben ein Jahr, bei allen anderen Verwaltungsübertretungen sechs Monate.
Weder im Beschuldigtenladungsbescheid vom 2. August 1989 noch anläßlich der Zeugeneinvernahme am 20. September 1989 wurden Verfolgungshandlungen dahingehend gesetzt, daß es die Beschwerdeführerin zu verantworten habe, daß DURCH IHREN EHEMANN die angekündigte Reinigung verweigert worden sei. Das Straferkenntnis vom 7. November 1989, mit dem dieser Vorwurf erstmals erhoben wurde, verließ den Behördenbereich erst am 23. November 1989, somit nach Verstreichen der Verjährungsfrist (§ 32 Abs. 2 VStG 1950).
Da die belangte Behörde diesen Mangel nicht aufgegriffen und das Strafverfahren nicht eingestellt hat, ein die Verfolgung ausschließender Umstand jedoch von Amts wegen wahrzunehmen ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Oktober 1970, Zl. 442/70) belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Betreffend den Tatzeitpunkt 12. Juli 1989 wurde der Beschwerdeführerin und ihrem Ehemann Josef N mit Schreiben des Bürgermeisters der Gemeinde Z vom 4. Juli 1989 mitgeteilt, daß der Rauchfangkehrer am Mittwoch, dem 12. Juli 1989 in der Zeit zwischen 13.00 Uhr und 13.30 Uhr Kehrarbeiten gemäß der Tiroler Feuerpolizeiordnung im Privathaus sowie in den Hotelgebäuden durchführen werde. Diese Mitteilung wurde in einer einheitlichen Sendung an Josef und Annemarie N adressiert und durch die Post übermittelt. Die Übernahmebestätigung wurde am 6. Juli 1989 durch Josef N als Empfänger unterfertigt. Dieser richtete auch am 6. Juli 1989 ein Schreiben an das Gemeindeamt Z. Mit Ladungsbescheid vom 2. August 1989 wurde der Beschwerdeführerin zur Last gelegt, sie hätte am 12. Juli 1989 als Eigentümerin der zu reinigenden bzw. zu überprüfenden Zentralheizungsanlage im Privathaus in Z Nr. nn dem Rauchfangkehrer die Reinigung der Zentralheizungsanlage verweigert, obwohl die Reinigung für den 12. Juli 1989 bekanntgegeben worden sei. Mit Straferkenntnis vom 7. November 1989 wurde der Beschwerdeführerin vorgeworfen, sie habe es als Eigentümerin der zu reinigenden Zentralheizungsanlage im Privathaus Z Nr. nn zu verantworten, daß dem Rauchfangkehrer die Reinigung der Zentralheizungsanlage am 12. Juli 1989, gegen 13.10 Uhr durch ihren Ehemann verweigert worden sei, obwohl die Reinigung für den 12. Juli 1989 in der Zeit von 13.00 Uhr bis 13.30 Uhr mit Schreiben vom 4. Juli 1989 bekanntgegeben worden sei.
Die Beschwerdeführerin bringt vor, es sei anhand der Rückscheine zu rekonstruieren, daß sie lediglich den Rückschein zum Kehrtermin am 17. Mai 1989 gezeichnet habe, nicht aber jenen vom 12. Juli 1989. Vom letztgenannten Termin habe sie keine Ahnung gehabt, sie sei daher auch gar nicht in die Lage gekommen dafür zu sorgen, daß die angekündigte Reinigung am bekanntgegebenen Tag durchgeführt werden könne.
§ 12 Abs. 1 erster Satz der Tiroler Feuerpolizeiordnung bestimmt, daß der Zeitpunkt der Reinigung bzw. Überprüfung dem Eigentümer der reinigungspflichtigen Anlage bzw. dem sonst hierüber Verfügungsberechtigten rechtzeitig bekanntzugeben ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom 6. Mai 1986, Zl. 85/04/0185, ausgesprochen, daß keine ordnungsgemäße Zustellung vorliegt, wenn bei Vorhandensein mehrerer Adressaten eine einheitliche Sendung an beide Adressaten gerichtet war. Die Aktenlage bietet keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Beschwerdeführerin der Zeitpunkt der Reinigung bzw. Überprüfung bekanntgegeben wurde. Da die Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes an die vorherige Bekanntgabe des Kehr- bzw. Überprüfungszeitpunktes geknüpft ist, die belangte Behörde aber ohne diesbezügliche Deckung durch die Aktenlage davon ausging, daß der Kehrtermin der Beschwerdeführerin bekanntgegeben worden war, belastete sie auch diesen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Entgegen der in der Gegenschrift der belangten Behörde vertretenen Ansicht verstößt das Beschwerdevorbringen hinsichtlich der Zustellung des Schreibens des Bürgermeisters vom 4. Juli 1989 nicht gegen das aus § 41 Abs. 1 VwGG ableitbare Neuerungsverbot. Mit dem Hinweis auf die Zustellnachweise wurde keine neue Tatsache vorgebracht, sondern nur ein durch den Verwaltungsstrafakt belegter Umstand aufgezeigt. Die angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989 im Rahmen des Kostenbegehrens.
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Verjährung im öffentlichen Recht VwRallg6/6Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Offizialmaxime Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht VwRallg10/1/1Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Materielle WahrheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990060158.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
01.07.2010