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60/04 Arbeitsrecht allgemein;Norm
AZG §26 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Großmann und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissär Dr. Kral, über die Beschwerde der N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 1. Februar 1990, Zl. MA 63-K 16/89/Str, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Arbeitszeitgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Bescheid wird im angefochtenen Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 1. Februar 1990 wurde die Beschwerdeführerin unter anderem - das Beschwerdeverfahren ist darauf beschränkt - schuldig erkannt, sie habe als handelsrechtliche Geschäftsführerin und damit als satzungsgemäß zur Vertretung der Arbeitgeberin A. Handelsgesellschaft m.b.H. nach außen Berufene zu verantworten, daß am 7. September 1988 im Betrieb in Wien X, N.-Platz 13, für zwei beschäftigte namentlich genannte Arbeitnehmerinnen keine Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden geführt worden seien und habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 26 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz (AZG) begangen. Über sie wurde gemäß § 28 Abs. 1 AZG eine Geldstrafe in der Höhe von S 4.000,-- (Ersatzarrest von sechs Tagen) verhängt. Ferner wurde die Beschwerdeführerin zur Zahlung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens und des Berufungsverfahrens in der Höhe von jeweils S 400,-- (insgesamt S 800,--) verpflichtet (§ 64 VStG 1950).
Gegen diesen Bescheid - und zwar soweit die Beschwerdeführerin damit wegen der Übertretung des § 26 Abs. 1 AZG bestraft wurde - richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 26 Abs. 1 AZG haben die Arbeitgeber zur Überwachung der Einhaltung der in diesem Bundesgesetz geregelten Angelegenheiten Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden und deren Entlohnung zu führen.
Gemäß Abs. 2 leg. cit. haben die Arbeitgeber der Arbeitsinspektion und deren Organen die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und auf Verlangen Einsicht in die Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden und deren Entlohnung zu geben.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Beschwerdeführerin allein einen Verstoß gegen Abs. 1 der genannten Bestimmung des Arbeitszeitgesetzes zur Last gelegt. Diese Norm verpflichtet den Arbeitgeber zur Führung von Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden und deren Entlohnung. Den von der belangten Behörde gegen sie erhobenen Vorwurf, derartige Aufzeichnungen nicht geführt zu haben, hat die Beschwerdeführerin in ihrer Rechtfertigung ausdrücklich bestritten. Von der Beschwerdeführerin wurde sowohl in ihrer schriftlichen Rechtfertigung vom 20. Oktober 1988 als auch in ihrer Berufung gegen das Straferkenntnis erster Instanz vorgebracht, daß in ihrem Unternehmen genaue Listen über die von jedem einzelnen Dienstnehmer geleisteten Arbeitsstunden geführt würden. Diese Listen würden jeweils wöchentlich dem Arbeitnehmer vorgelegt und von ihm bzw. seinem unmittelbaren Vorgesetzten in seiner Anwesenheit hinsichtlich ihrer Richtigkeit durch Unterschrift bestätigt. Die Eintragungen in die Listen erfolgten vom Arbeitnehmer selbst und handschriftlich. Diese Listen würden über einen Zeitraum von Jahren in den Büroräumlichkeiten in der Zentrale aufbewahrt. Obwohl von der belangten Behörde die Richtigkeit dieses Vorbringens nicht in Zweifel gezogen worden ist, hat sie die Beschwerdeführerin dennoch für schuldig erkannt, "im Betrieb in Wien 10, N.-Platz 13" keine Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden geführt zu haben. Die belangte Behörde ist nämlich - wie der Begründung ihres Bescheides zu entnehmen ist - der Ansicht, daß einerseits Aufzeichnungen, die nicht in den Betriebsräumlichkeiten, in welchen die Arbeitnehmer jeweils beschäftigt werden, vorgewiesen werden könnten, nicht Aufzeichnungen im Sinne des § 26 Abs. 1 AZG darstellten, und andererseits, daß diese Aufzeichnungen eigenhändig vom Arbeitgeber geführt werden müßten.
Insofern hat aber die belangte Behörde die Rechtslage verkannt. § 26 Abs. 1 AZG legt dem Arbeitgeber - wie die Beschwerde zutreffend ausführt - allein die Verpflichtung zur Führung entsprechender Aufzeichnungen über die von den Arbeitnehmern geleisteten Arbeitsstunden und deren Entlohnung auf. An welchem Ort diese Aufzeichnungen zu führen, d.h. anzufertigen sind, bzw. von wem die Eintragungen in den vom Arbeitgeber geführten Aufzeichnungen vorzunehmen sind, wird durch § 26 Abs. 1 AZG nicht vorgeschrieben. Es kann aber auch entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Ansicht aus dem Zweck der genannten Norm nicht der von der belangten Behörde gezogene Schluß abgeleitet werden, daß nur vom Arbeitgeber eigenhändig in den jeweiligen Betriebsräumlichkeiten, in denen die betreffenden Arbeitnehmer beschäftigt werden, angefertigte Aufzeichnungen als vom Arbeitgeber geführte Aufzeichnungen im Sinne des § 26 Abs. 2 AZG anzusehen seien. Daß aber die Beschwerdeführerin auf Verlangen des Arbeitsinspektorates die Einsicht in die Aufzeichnungen nicht gegeben habe, wurde ihr von der belangten Behörde nicht zum Vorwurf gemacht.
Ausgehend von der Richtigkeit des von der belangten Behörde nicht bezweifelten Vorbringens, daß die Beschwerdeführerin Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden und deren Entlohnung geführt habe, hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid durch den Schuldspruch der Beschwerdeführerin gemäß § 26 Abs. 1 AZG mangels Erfüllung des objektiven Tatbestandes mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.
Der Vollständigkeit halber ist noch zu erwähnen, daß der Beschwerde auch insofern Berechtigung zukommt, als sie sich gegen die Strafbemessung wendet.
Zur Strafbemessung führte die Behörde erster Instanz aus, als erschwerend seien die einschlägigen verwaltungsrechtlichen Vorstrafen und die Uneinsichtigkeit der Beschwerdeführerin zu werten. Obwohl von der Beschwerdeführerin in ihrer Berufung das Vorliegen des Erschwerungsgrundes der Uneinsichtigkeit bestritten worden ist, hat sich die belangte Behörde in dem angefochtenen Bescheid mit diesem Vorbringen nicht auseinandergesetzt und das Straferkenntnis erster Instanz auch hinsichtlich der verhängten Strafe bestätigt, ohne Hinweis darauf, ob sie den Erschwerungsgrund der Uneinsichtigkeit der Beschwerdeführerin als gegeben ansieht oder nicht. Bei Entfall dieses erschwerenden Umstandes, für dessen Vorliegen sich im Verwaltungsstrafakt kein Anhaltspunkt findet, hätte die belangte Behörde ausführen müssen, weshalb dennoch die verhängte Strafe angemessen erscheint. Derartige Erwägungen können aber dem angefochtenen Bescheid nicht entnommen werden.
Aus den dargelegten Gründen war der Bescheid im angefochtenen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, daß an Stempelgebühren lediglich S 660,-- zu entrichten waren.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990190246.X00Im RIS seit
04.03.1991