TE Vwgh Beschluss 1991/3/5 91/08/0023

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Veröffentlicht am 05.03.1991
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §62 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs3;

Betreff

Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr.Vesely, über den Antrag der Vorarlberger Gebietskrankenkasse auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einbringung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 29. Mai 1990, Zl. IVb-69-30/1989, betreffend Beitragspflicht nach dem ASVG, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Gemäß § 46 VwGG wird dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattgegeben.

Begründung

Zur Vorgeschichte verweist der Verwaltungsgerichtshof auf seinen Beschluß vom 13. November 1990, Zl. 90/08/0169, 0170, aus dem sich folgendes ergibt:

Die Antragstellerin stellte mit Bescheid vom 14. Juni 1989 zu Spruchpunkt I. fest, daß die in diesem Bescheid genannten Personen in den dort ausgewiesenen Zeiträumen aufgrund ihrer Beschäftigung in einem die Pflichtversicherung nach § 4 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit Abs. 2 ASVG begründenden Beschäftigungsverhältnis gestanden sind. Der vom Dienstgeber gegen diesen Bescheid erhobene Einspruch wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 25. April 1990 abgewiesen. Dieser Bescheid der belangten Behörde erwuchs in Rechtskraft.

Mit Spruchpunkt II. und III. des Bescheides der Antragstellerin vom 14. Juni 1989 wurden dem Dienstgeber für diese Dienstnehmer und Beitragszeiträume Beiträge und Verzugszinsen nachverrechnet. Auch gegen diesen Teil des Bescheides der Antragstellerin hat der Dienstgeber Einspruch erhoben. Nach Eintritt der Rechtskraft des Bescheides betreffend die Versicherungspflicht vom 25. April 1990 entschied die belangte Behörde über den gegen die Beitragsnachverrechnung erhobenen Einspruch mit Bescheid vom 29. Mai 1990 wie folgt:

"Gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 wird dem Einspruch Folge gegeben und der angefochtene Bescheid hinsichtlich der Punkte II. und III. behoben."

In der Begründung dieses Bescheides heißt es, daß die Feststellung einer Beitragsverpflichtung die Feststellung des Bestehens der Versicherungspflicht der vom Dienstgeber beschäftigten Arbeitnehmer zur Voraussetzung habe; dann heißt es in dieser Begründung wörtlich:

    "Der Bescheid ... hinsichtlich der Feststellung der

Versicherungspflicht der in diesem Bescheid angeführten

Personen in den dort ausgewiesenen Zeiträumen gemäß § 4 Abs. 1

Z. 1 iVm Abs. 2 ASVG ... wurde mit Bescheid des

Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 25. April 1990 ...

behoben. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen. Mangels

Vorliegen einer Versicherungspflicht der darin angeführten

Personen aufgrund ihrer Tätigkeit ... war daher spruchgemäß zu

entscheiden."

Dieser Bescheid wurde der Antragstellerin am 7. Juni 1990 zugestellt. Innerhalb der sechswöchigen Beschwerdefrist, nämlich am 20. Juni 1990, wurde der Beschwerdeführerin der Bescheid der belangten Behörde vom 12. Juni 1990 zugestellt.

Dieser Bescheid enthielt folgenden Spruch:

"Gemäß § 62 Abs. 4 AVG 1950 wird der Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 29. Mai 1990 ... dahingehend berichtigt, daß gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 dem Einspruch keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid hinsichtlich der Punkte II. und III. bestätigt wird."

In der Begründung dieses Bescheides führt die belangte Behörde aus, der Bescheid vom 29. Mai 1990 (mit welchem der Beitragsbescheid der Antragstellerin mangels Versicherungspflicht der Dienstnehmer aufgehoben worden ist) sei irrtümlich ergangen: Im Bescheid der belangten Behörde vom 25. April 1990 sei die Versicherungspflicht der Dienstnehmer bejaht (und nicht verneint) und der Inhalt dieses Bescheides im Bescheid vom 29. Mai 1990 (über die Beitragspflicht) daher unrichtig wiedergegeben worden. Es handle sich um eine offenkundige Unrichtigkeit, die von den Personen, für die der Bescheid bestimmt gewesen sei, habe erkannt werden können (woraus die belangte Behörde die Anwendbarkeit des § 62 Abs. 4 AVG 1950 ableitet).

Gegen diesen Berichtigungsbescheid erhob die mitbeteiligte Partei die zu hg. Zl. 90/08/0136 protokollierte Beschwerde; mit Erkenntnis vom 11. Dezember 1990 hat der Verwaltungsgerichtshof in Stattgebung dieser Beschwerde den Berichtigungsbescheid der belangten Behörde vom 12. Juni 1990 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Dieses Erkenntnis wurde der Beschwerdeführerin am 30. Jänner 1991 zugestellt.

Mit dem (gemäß § 46 Abs. 3 VwGG fristgerecht) am 11. Februar 1991 zur Post gegebenen vorliegenden Schriftsatz beantragt die Antragstellerin, ihr gegen die Versäumung der Beschwerdefrist hinsichtlich des oben erwähnten Bescheides der belangten Behörde vom 29. Mai 1990 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen: Der mit dem zitierten Erkenntnis aufgehobene Berichtigungsbescheid der belangten Behörde vom 12. Juni 1990 sei der Antragstellerin innerhalb der gegen den Bescheid vom 29. Mai 1990 laufenden Beschwerdefrist zugestellt worden. Die Antragstellerin habe deshalb gegen den Bescheid vom 29. Mai 1990 keine Beschwerde erhoben. Die nunmehrige Aufhebung des Berichtigungsbescheides stelle "ein unvorhergesehenes bzw. unabwendbares Ereignis dar", durch welches die Antragstellerin die Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 29. Mai 1990 versäumt habe.

Der Antrag ist im Ergebnis berechtigt:

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf deren Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erlitten hat. Gemäß Abs. 2 der zitierten Gesetzesbestimmung ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist auch dann zu bewilligen, wenn die Beschwerdefrist versäumt wurde, weil der anzufechtende Bescheid fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen hat.

Um einen dem § 46 Abs. 2 VwGG ähnlichen Fall handelt es sich hier: Die Antragstellerin war zwar nicht dadurch an der Einbringung der Beschwerde gehindert, daß der anzufechtende Bescheid fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt hat, wohl aber dadurch, daß die belangte Behörde durch die Erlassung eines Berichtigungsbescheides innerhalb der Beschwerdefrist den Gegenstand der möglichen Anfechtung zunächst aus dem Rechtsbestand beseitigt hat. Ab dem Zeitpunkt der Erlassung des Berichtigungsbescheides war daher eine Beschwerde gegen den berichtigten Bescheid im Umfang der Berichtigung nicht mehr möglich (vgl. den in dieser Sache ergangenen Beschluß vom 13. November 1990, Zl. 90/08/0169, 0170, mit weiteren Hinweisen).

Durch die mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Dezember 1990, Zl. 90/08/0136, erfolgte Aufhebung des Berichtigungsbescheides ist dieses Verfahren in die Lage zurückgetreten, in der es sich vor Erlassung des Berichtigungsbescheides befunden hatte (§ 42 Abs. 3 VwGG). Damit entfaltet der berichtigte Bescheid (ungeachtet des zwischenzeitigen Verstreichens der Beschwerdefrist) wieder seine volle rechtliche Wirksamkeit. Mit der Zustellung des den Berichtigungsbescheid aufhebenden Erkenntnisses vom 11. Dezember 1990 ist das Hindernis, welches die Antragstellerin ohne ihr Verschulden an der Einbringung einer Beschwerde gegen den (sie belastenden) berichtigten Bescheid gehindert hat, weggefallen. Aufgrund des fristgerecht eingebrachten Antrages war der Antragstellerin sohin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 Abs. 1 VwGG spruchgemäß zu bewilligen.

Über die gleichzeitig eingebrachte Beschwerde wird der Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung des Vorverfahrens erkennen.

Schlagworte

Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Nichterschöpfung des Instanzenzuges Allgemein Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetze

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991080023.X00

Im RIS seit

05.03.1991

Zuletzt aktualisiert am

29.04.2016
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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