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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
FinStrG §33 Abs2 litb;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr Reichel sowie die Hofräte Dr Hnatek und Dr Karger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr Cerne, über die Beschwerde des T gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 19. Juli 1990, Zl B 64-6/90, betreffend Einleitung eines Finanzstrafverfahrens, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen von 2.760 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war seit der Gründung der Ing Gerhard T GmbH (in der Folge: GmbH) im Jahr 1984 bis zur Eröffnung des Konkurses über deren Vermögen am 8. Feber 1990 deren alleiniger Geschäftsführer.
Zwischen der GmbH und einer WirtschaftstreuhandGmbH bestand seit dem Jahr 1984 ein Vollmachtsverhältnis mit Zustellvollmacht, das am 30. Juni 1989 von der WirtschaftstreuhandGmbH aufgelöst wurde.
Wie sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt, war die GmbH seit August 1985 zur Lohnsteueranmeldung verpflichtet, wobei die Erklärungen bis Mai 1989 stets von der WirtschaftstreuhandGmbH ausgefüllt und unterfertigt wurden.
Gegen Ende des Jahres 1989 führte das Finanzamt eine Lohnsteuerprüfung für die Jahre 1985 bis 1988 durch. In einer vor Beginn der Prüfung erstatteten Selbstanzeige gab der Beschwerdeführer an, er habe bei Durchsicht der Unterlagen festgestellt, daß im Jahr 1987 für die bei der GmbH beschäftigten Arbeitnehmer (ein Angestellter, zehn Arbeiter) keine lohnabhängigen Abgaben entrichtet worden seien. Die von der WirtschaftstreuhandGmbH für den Zeitraum Jänner 1987 bis Jänner 1988 erstatteten Lohnsteueranmeldungen hätten lediglich die ihn betreffenden lohnabhängigen Abgaben (Geschäftsführergehalt) beinhaltet. Er sei der Ansicht gewesen, die lohnabhängigen Abgaben für die übrigen Arbeitnehmer würden entweder von der WirtschaftstreuhandGmbH oder von dem von ihm bis Jänner 1988 mit der Lohnverrechnung beauftragen Rechenzentrum dem Finanzamt bekanntgegeben. Der Prüfer stellte sodann fest, daß die Lohnkonten in den Streitjahren nicht ordnungsgemäß geführt worden seien, woraus sich insgesamt eine Nachforderung an lohnabhängigen Abgaben von 262.318 S ergebe.
Das Finanzamt folgte den Feststellungen des Prüfers und erließ gegenüber der GmbH einen dementsprechenden Haftungs- und Zahlungsbescheid. In der gegen diesen Bescheid ergriffenen Berufung wurde bloß ausgeführt, "der Bescheid erscheint mir (gemeint offenkundig dem Beschwerdeführer als Geschäftsführer) unklar und nicht nachvollziehbar und die festgestellten Nachforderunges- bzw Haftungsbeträge bei weitem überhöht". In einer abweisenden, in Rechtskraft erwachsenen Berufungsvorentscheidung hielt das Finanzamt der GmbH vor, der bekämpfte Bescheid basiere ausschließlich auf den mit dem Beschwerdeführer durchbesprochenen und von ihm zur Kenntnis genommenen Prüfungsfeststellungen. Es werde auch nunmehr nicht behauptet, die Feststellungen des Prüfers seien unrichtig gewesen.
Wie sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt, wurden weder die für die Jahre 1985 bis 1988 nachgeforderten noch die für die Monate Juni bis November 1989 abzuführenden lohnabhängigen Abgaben entrichtet.
Mit Bescheid vom 12. Jänner 1990 wurde gegen den Beschwerdeführer das Finanzstrafverfahren eingeleitet, weil der Verdacht bestehe, er habe als Geschäftsführer der GmbH vorsätzlich lohnabhängige Abgaben nicht abgeführt und so eine Verkürzung derselben bewirkt.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde behauptet, die Voraussetzungen für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens lägen nicht vor, wobei zur Begründung auf die Ausführungen in der Berufung gegen den Haftungs- und Zahlungsbescheid verwiesen wurde.
In Erfüllung des daraufhin erteilten Mängelbehebungsauftrages gab der Beschwerdeführer bekannt, die Lohnverrechnung sei nicht von ihm, sondern - wie bereits in der Selbstanzeige ausgeführt - von einem Rechenzentrum vorgenommen worden. Die sodann erstellten Lohnlisten seien der WirtschaftstreuhandGmbH übermittelt worden. Er habe sodann die ihm von der WirtschaftstreuhandGmbH mitgeteilten Beträge an das Finanzamt abgeführt. Falls lohnabhängige Abgaben tatsächlich nicht abgeführt worden sein sollten, sei dies auf einen Irrtum zurückzuführen. Von einer vorsätzlichen Nichtabfuhr lohnabhängiger Abgaben könne daher keine Rede sein, weswegen die Einleitung des Finanzstrafverfahrens rechtswidrig sei.
In Beantwortung eines Auskunftsersuchens gab die WirtschaftstreuhandGmbH bekannt, sie habe für die GmbH die Lohnverrechnung durchgeführt und auch die dementsprechenden Lohnsteueranmeldungen erstattet. Es sei ihr aber bis einschließlich der Lohnsteueranmeldung für Jänner 1988 nicht bekannt gewesen, daß die GmbH neben ihrem Geschäftsführer (Beschwerdeführer) noch andere Arbeitnehmer beschäftige. Dies habe ihr der Beschwerdeführer erst im Feber 1988 mitgeteilt. In den ab Feber 1988 erstatteten Lohnsteueranmeldungen seien auch die lohnabhängigen Abgaben der anderen Arbeitnehemr berücksichtigt worden. Da ihr aber die von einem Rechenzentrum erstellten Lohnlisten erst zu einem späteren Zeitpunkt zur Verfügung gestanden seien, entziehe es sich ihrer Kenntnis, ob die Lohnsteueranmeldungen ab Feber 1988 richtig seien. Sie habe den Beschwerdeführer auch darauf aufmerksam gemacht, daß bis Jänner 1988 von der GmbH zuwenig lohnabhängige Abgaben abgeführt worden seien.
Im nunmehr angefochtenen Bescheid vertrat die belangte Behörde die Ansicht, die Einleitung des Finanzstrafverfahrens entspreche der Rechtslage, wobei sie nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der einschlägigen Bestimmungen des Finanzstrafgesetzes zur Begründung im wesentlichen ausführte, der Verdacht, der Beschwerdeführer sei in den Jahren 1985 bis 1988 seiner Verpflichtung, Lohnkonten ordnungsgemäß zu führen, nicht nachgekommen und habe somit lohnabhängige Abgaben von 262.318 S nicht entrichtet, gründe sich auf die unbestrittenen Feststellungen des Prüfers. Der Verdacht, der Beschwerdeführer habe die Verkürzung dieser Abgaben nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten, sei durch die Höhe der Nachforderung in einem Zeitraum von vier Jahren im Vergleich zur Anzahl der Beschäftigten (ein Angestellter, zehn Arbeiter) ausreichend begründet. Der Einwand des Beschwerdeführers, er habe die Lohnverrechnung einem (sachkundigen) Rechenzentrum überlassen, sei nicht geeignet, den Verdacht zu zerstreuen, er habe wissentlich lohnabhängige Abgaben nicht entrichtet. Der Beschwerdeführer habe nämlich nicht davon ausgehen können, daß die lohnabhängigen Abgaben vom Rechenzentrum abgeführt würden, weil es im Wirtschaftsleben völlig unüblich sei, finanzielle Verpflichtungen eines anderen ohne Besicherung zu übernehmen. Die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe die vom Rechenzentrum erstellten Lohnlisten stets an die WirtschaftstreuhandGmbH weitergeleitet, werde von dieser bestritten. Vielmehr habe die WirtschaftstreuhandGmbH bekanntgegeben, sie habe erstmals im Feber 1988 über das Vorhandensein weiterer Arbeitnehmer neben dem Geschäftsführer Kenntnis erhalten. Dies stimme auch mit den von der WirtschaftstreuhandGmbH erstatteten Lohnsteueranmeldungen überein. Auch aus dem Umstand, daß die WirtschaftstreuhandGmbH den Beschwerdeführer darauf aufmerksam gemacht habe, bis Jänner 1988 seien zuwenig lohnabhängige Abgaben abgeführt worden, eine Korrektur der bis dahin erstatteten unrichtigen Lohnsteueranmeldungen vom Beschwerdeführer jedoch nicht vorgenommen worden sei, geschweige denn, die bereits fällig gewordenen lohnabhängigen Abgaben entrichtet worden seien, ergebe sich der Verdacht, daß der Beschwerdeführer wissentlich Abgaben nicht entrichtet habe. Letztlich bleibe völlig offen, wieso der Beschwerdeführer glauben habe können, mit der Einzahlung der von der WirtschaftstreuhandGmbH monatlich mitgeteilten lohnabhängigen Abgaben von 1.286 S seinen abgabenrechtlichen Verpflichtungen für elf Arbeitnehmer nachgekommen zu sein. Die tatsächlich zu entrichtenden lohnabhängigen Abgaben hätten nämlich monatlich rund 20.000 S betragen. Da somit insgesamt ausreichende Verdachtsmomente gegen den Beschwerdeführer bestünden, sei die Einleitung des Finanzstrafverfahrens gerechtfertigt. Über die Frage, ob vom Beschwerdeführer tatsächlich Abgaben hinterzogen worden seien, werde im noch abzuführenden Finanzstrafverfahren zu entscheiden sein.
In der Beschwerde wird sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde habe nicht dargetan, weshalb sie zu dem Schluß gelangt sei, er habe vorsätzlich lohnabhängige Abgaben nicht entrichtet und ihm keine Gelegenheit geboten, zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen; überdies habe die belangte Behörde keine weiteren Beweise aufgenommen.
In ihrer Gegenschrift beantragt die belangte Behörde, die Beschwerde möge als unbegründet und kostenpflichtig abgewiesen werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 82 Abs 1 und 2 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz die ihr gemäß §§ 80 oder 81 leg cit zukommenden Verständigungen und Mitteilungen darauf zu prüfen, ob genügende Verdachtsgründe für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gegeben sind. Das gleiche gilt, wenn sie in anderer Weise, insbesondere aus eigener Wahrnehmung vom Verdacht eines Finanzvergehens Kenntnis erlangt. Die Prüfung ist nach den für die Feststellung des maßgebenden Sachverhalts im Untersuchungsverfahrens geltenden Bestimmungen vorzunehmen. Ergibt diese Prüfung, daß die Durchführung des Strafverfahrens nicht in die Zuständigkeit des Gerichtes fällt, so hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz nach der Anordnung des Abs 3 erster Satz der zuletzt zitierten Gesetzesstelle das Strafverfahren einzuleiten.
Im Beschwerdefall geht der Streit darum, ob die belangte Behörde die sich auf der Grundlage des § 82 Abs 1 FinStrG stellende Rechtsfrage des Vorliegens von genügenden Verdachtsgründen für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens dem Gesetz entsprechend beantwortet hat.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat (vgl das hg Erkenntnis vom 20. Juni 1990, Zl 89/13/0231, und die in weiterer Kette angeführte Vorjudikatur), muß im Spruch eines Einleitungsbescheides das dem Beschuldigten zur Last gelegte Verhalten, das als Finanzvergehen erachtet wird, nur in groben Umrissen beschrieben werden. Die einzelnen Fakten müssen nicht "bestimmt", somit in dem für eine Subsumtion relevanten Einzelheiten geschildert werden. In der Begründung eines solchen Bescheides ist darzulegen, von welchem Sachverhalt die Finanzstrafbehörde ausgegangen ist und welches schuldhafte Verhalten dem Beschuldigten vorgeworfen wird. Der Verdacht muß sich sowohl auf den objektiven als auch auf den subjektiven Tatbestand erstrecken.
Für die Einleitung des Finanzstrafverfahrens genügt es somit, wenn gegen den Verdächtigen genügend Verdachtsgründe vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, daß er als Täter eines Finanzvergehens in Frage kommt.
Ein Verdacht kann immer nur auf Grund einer Schlußfolgerung aus Tatsachen entstehen. Ohne Tatsachen - wie weit sie auch vom (vermuteten) eigentlichen Tatgeschehen entfernt sein mögen - gibt es keinen Verdacht. Ein Verdacht besteht, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von bestimmten Umständen rechtfertigen (vgl nochmals das oa Erkenntnis). Verdacht ist mehr als eine bloße Vermutung. Es ist die Kenntnis von Tatsachen, aus denen nach der Lebenserfahrung auf ein Finanzvergehen geschlossen werden kann.
Dem Beschwerdeführer wurde zur Last gelegt, er habe in den Jahren 1985 bis 1988 unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von dem § 76 EStG entsprechenden Lohnkonten eine Verkürzung lohnabhängiger Abgaben von insgesamt 262.318 S bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten (vgl § 33 Abs 2 lit b FinStrG).
Wie die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausgeführt hat, stützt sie ihren Verdacht für das Vorliegen des dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Finanzvergehens primär auf die Feststellungen des Prüfers, die Führung der Lohnkonten habe nicht dem § 76 EStG entsprochen, weswegen lohnabhängige Abgaben nicht entrichtet wurden, was vom Beschwerdeführer unbestritten blieb (objektiver Tatbestand). Der Verdacht, der Beschwerdeführer habe die Verkürzung der lohnabhängigen Abgaben nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten, ist - wie die belangte Behörde zu Recht ausgeführt hat - durch die Höhe der nachgeforderten Abgaben in einem Zeitraum von vier Jahren im Vergleich zur Anzahl der Beschäftigten (ein Angestellter, zehn Arbeiter) ausreichend begründet (subjektiver Tatbestand). Schon allein auf Grund des eben Gesagten erscheint der Verdacht, daß der Beschwerdeführer das ihm zur Last gelegte Finanzvergehen begangen haben könnte, nicht rechtswidrig, weil die Begehung des dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Finanzvergehens einen Wahrscheinlichkeitsgrad erreicht hat, der ihn von einer bloßen Vermutung abhebt. Es geht bei der Prüfung, ob tatsächlich genügende Verdachtsgründe im Sinn des § 82 Abs 1 FinStrG für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gegeben sind, nicht darum - wie es dem Beschwerdeführer offenbar vorschwebt - schon jetzt die Ergebnisse des förmlichen Finanzstrafverfahrens gleichsam vorwegzunehmen, sondern lediglich darum, ob die bisher der Finanzstrafbehörde zugekommenen Mitteilungen für einen Verdacht ausreichen. Ob der Beschwerdeführer das ihm zur Last gelegte Finanzvergehen tatsächlich begangen hat, ist jedenfalls dem Ergebnis des Untersuchungsverfahrens nach den §§ 114 ff FinStrG vorbehalten.
Bei dieser Sach- und Rechtslage erübrigt es sich, auf die Ausführungen des Beschwerdeführers, es wäre ihm keine Gelegenheit gegeben worden, zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen, einzugehen. Denn auch ohne weitere Feststellungen der Finanzstrafbehörde (Beantwortung des Auskunftsersuchens durch die WirtschaftstreuhandGmbH) besteht der dringende Verdacht, der Beschwerdeführer habe lohnabhängige Abgaben hinterzogen. Eine Anfrage an das Rechenzentrum konnte ebenfalls unterbleiben. Der behaupteten Verletzung von Verfahrensvorschriften mangelt es somit an Relevanz.
Da demnach der angefochtene Bescheid nicht mit der behaupteten Rechtswidrigkeit belastet ist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl Nr 206.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990140207.X00Im RIS seit
05.03.1991