TE Vwgh Erkenntnis 1991/3/12 90/14/0007

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Veröffentlicht am 12.03.1991
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

FinStrG §9;
VwGG §42 Abs2 Z3;

Beachte

Besprechung in:ÖStZB 1991, 436;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Pokorny und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des Dr. N gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Salzburg (Berufungssenat) vom 20. Oktober 1989, Zl. 24/38/1-GA6-DMe/89, betreffend Finanzvergehen, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer betreibt eine Facharztordination für Psychiatrie und Neurologie in X. Daneben ist er auch für das dortige gerichtsmedizinische Institut und als gerichtlich beeideter Sachverständiger tätig.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG und der fahrlässigen Abgabenverkürzung nach § 34 Abs. 1 FinStrG schuldig erkannt. Es wurde eine Geldstrafe von

S 45.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 20 Tage) verhängt. Dem Beschwerdeführer wurde zur Last gelegt, er habe unter Verletzung der abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht durch Abgabe unrichtiger Umsatz- und Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1982 bis 1984

a) vorsätzlich (Vorsteuerkürzung und ungerechtfertigtes Ansetzen der Aufwendungen für eine Wohnung in Wien) Umsatz- und Einkommensteuer um insgesamt S 101.628,-- verkürzt,

b) fahrlässig (Nichterklärung von Erlösen) Umsatz- und Einkommensteuer um zusammen S 78.049,-- (S 105.380,-- laut erstbehördlichem Erkenntnis abzüglich S 27.331,-- laut Teileinstellung in der Berufungsentscheidung) verkürzt.

Im wesentlichen wurde folgender Sachverhalt festgestellt:

Der Beschwerdeführer ist Vater eines 1960 geborenen Sohnes, der 1979 maturierte, nach dem Präsenzdienst beim Bundesheer in X mit dem Studium der Rechtswissenschaften begann und 1981 im Herbstsemester nach Wien wechselte, wo er zunächt Orientalistik und seit 1983 Medizin studierte. Am 22. September 1981 schloß der Beschwerdeführer einen Mietvertrag hinsichtlich einer ca. 70 m2 Wohnung in Wien ab, wobei als Mietbeginn der 15. August 1981 vereinbart wurde. Dabei handelte es sich um eine Substandardwohnung, die der Beschwerdeführer herrichten und adaptieren ließ. Er selbst war nie in dieser Wohnung gemeldet, wohl aber sein Sohn, der die Wohnung als Studentenwohnung seit etwa Anfang 1982 benutzt. Während der Adaptierungsarbeiten wohnte der Sohn zunächst in einer anderen Wohnung, zog aber sofort nach Beendigung der Arbeiten in die adaptierte Wohnung ein. Etwa zur selben Zeit beabsichtigte der Beschwerdeführer sich in Wien um eine Lehrkanzel zu bewerben, was er dann auch tat. Diese Bewerbung zerschlug sich aber spätestens 1983, da die Lehrkanzel anderweitig besetzt wurde. Insgesamt hielt sich der Beschwerdeführer pro Jahr etwa vier Wochen in Wien auf. Es konnte nicht festgestellt werden, ob er für Übernachtungen tatsächlich immer die in Rede stehende Wohnung benutzte; jedenfalls hat er für das Jahr 1982 im Rahmen der Gewinnermittlung die Nächtigungspauschalsätze von je S 145,-- für 36 Nächte geltend gemacht. Im Prüfungszeitraum gab der Beschwerdeführer die Wohnung als betrieblich genutzt an, wobei es durch Geltendmachung der Adaptierungskosten, der Mieten sowie der Telefon- und Stromkosten bzw. durch Geltendmachung der Vorsteuer aus den Investitionen und der vorzeitigen Abschreibung zu einer Erhöhung des betrieblichen Aufwandes kam. Bei Anmietung bzw. Adaptierung der Wohnung wußte und beabsichtigte der Beschwerdeführer, daß die Wohnung von seinem Sohn benützt und bewohnt werden sollte.

Der Beschwerdeführer führte im Prüfungszeitraum sogenannte blaue Erlösaufzeichnungshefte zur Erfassung seiner Bankeingänge und Privathonorare, welche er aus seinen Bank- bzw. Kontoauszügen übertrug. Aus nicht mehr feststellbaren Gründen, jedoch nicht aus dem Gesichtspunkt Abgaben zu hinterziehen, unterließ dies der Beschwerdeführer im Prüfungszeitraum in 34 Fällen. Im Jahresschnitt fielen über 1000 derartige Übertragungen an. Bereits im Jahr 1981 hat der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit nicht ordnungsgemäßen umsatz- und einkommensteuerlichen Erklärungen Selbstanzeige erstattet, in welchem Zusammenhang er auch angab, irrtümlicherweise bestimmte Privathonorare nicht erklärt zu haben.

In der vorliegenden Beschwerde beantragt der Beschwerdeführer diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und auf die Einbringung einer Gegenschrift verzichtet. Sie beantragt die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. WOHNUNG IN WIEN

Der Beschwerdeführer rügt als Verfahrensmangel, daß der von ihm vor Schluß des Beweisverfahrens in der mündlichen Verhandlung vom 14. April 1989 beantragte Lokalaugenschein in der Wiener Wohnung nicht durchgeführt wurde.

Verfahrensmängel können nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen, wenn sie wesentlich sind, wobei die Wesentlichkeit des behaupteten Verfahrensmangels vom Beschwerdeführer darzutun ist (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, Seite 591).

Der Beschwerdeführer erkennt selbst, daß ein Lokalaugenschein zu einem bestimmten Zeitpunkt im allgemeinen keinen Aufschluß über die Verhältnisse in einem länger zurückliegenden Zeitpunkt ergeben wird. Dies trifft auch für die Durchführung eines Lokalaugenscheines im Jahre 1989 zum Beweis für eine betriebliche Nutzung in den Jahren 1982 bis 1984 zu. Der Beschwerdeführer räumt auch ein, daß die Einrichtung des Arbeitszimmers eines Psychiaters und Neurologen nicht wesentlich anders aussieht als die eines normalen Zimmers. Als bei einem Lokalaugenschein erkennbaren Unterschied nennt er aber die "entsprechenden" Elektroinstallationen, die Verrohrung für eine Gegensprechanlage und die sich von den Studienbehelfen eines Studenten unterscheidende wissenschaftliche Literatur eines Universitätsprofessors.

Für letztere gilt im besonderen Maße, daß das Vorhandensein von bestimmten Büchern in der Wohnung im Jahr 1989 keine zuverlässigen Rückschlüsse auf die Vergangenheit erlaubt. Welche für eine betriebliche Veranlassung signifikanten Elektroinstallationen zu besichtigen gewesen wären, führt der Beschwerdeführer nicht näher aus, sodaß daraus für die Unerläßlichkeit eines Lokalaugenscheins nichts zu gewinnen ist. Soweit er schließlich eine Verrohrung erwähnt, die den Einbau einer Gegensprechanlage ermöglichen würde, ist zu bemerken, daß Verrohrungen Leitungen verschiedenster Art aufnehmen können, sodaß auch hiedurch eine berufliche Nutzung nicht indiziert wäre.

Dem Beschwerdeführer ist es somit nicht gelungen, die Wesentlichkeit eines Verfahrensmangels darzustellen.

Der Beschwerdeführer meint auch, die belangte Behörde habe auf die Möglichkeit einer gemischten Nutzung nicht Bedacht genommen; die betriebliche Nutzung habe bei weitem überwogen. Hiezu ist auf die gegenteilige Feststellung der belangten Behörde zu verweisen, der Beschwerdeführer habe die Wohnung nicht für sich, sondern für seinen Sohn angemietet und auch nicht (entscheidend) betrieblich genutzt (vgl. im übrigen zur betrieblichen Nutzung von Wohnungen z.B. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1991, Zl. 90/13/0165, sowie Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuerhandbuch, zweite Auflage, § 4 Tz 38). Gegen die diesen Feststellungen zugrundeliegende Beweiswürdigung vermag der Beschwerdeführer aber keine weiteren Argumente ins Treffen zu führen.

Mit der Überzeugungskraft seiner Argumentation, ein in Wien Orientalistik Studierender habe in Wien gar keinen dringenden Wohnbedarf, weil er sich (schon ab Beginn des Studiums) die meiste Zeit im Ausland aufhalten würde, bei der Prüfung der Bewerbung um einen Universitätslehrstuhl werde berücksichtigt, ob der Kandidat bereits über eine Wohngelegenheit in der Nähe des Institutes verfüge, hat sich bereits die belangte Behörde auseinandergesetzt. Der Gerichtshof hält ihre Beweiswürdigung im Rahmen der ihm zustehenden Kontrollbefugnis (vgl. Dolp a. a.O., Seite 549) für unbedenklich.

2. NICHTERKLÄRUNG VON ERLÖSEN

Dem Beschwerdeführer ist zuzustimmen, daß die Nichteinrichtung eines "reinen Erlöskontos" ihm nicht schon als Verschulden zuzurechnen ist. Auch den Hinweis der belangten Behörde auf die Selbstanzeige des Beschwerdeführers betreffend Erlösverkürzungen in Millionenhöhe vor Beginn des Tatzeitraumes hält der Gerichtshof nicht für überzeugend, weil damals Eingänge auf einem Sammelkonto der "Gerichtsärzte" überhaupt nicht erfaßt worden waren, während es sich im vorliegenden Fall um Buchungsfehler bei der Erfassung handelt. Angesichts einer Fehlerquote von unter einem Prozent ist das Verschulden des Beschwerdeführers auch bloß geringfügig.

Immerhin unterliefen ihm bei der Erfassung der Bankeingänge in drei Jahren aber 34 Übertragungsfehler, wodurch Erlöse von insgesamt mehr als S 100.000,-- nicht versteuert wurden. Im Hinblick auf diese wiederholten Sorgfaltsverletzungen mußte die belangte Behörde im Beschwerdefall - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - nicht zur Annahme einer entschuldbaren Fehlleistung im Sinne des § 9 FinStrG gelangen. Auf die Zumutbarkeit nach den persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde ohnehin Bedacht genommen.

Dem Beschwerdeführer ist es somit nicht gelungen, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, weshalb seine Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990140007.X00

Im RIS seit

12.02.2002

Zuletzt aktualisiert am

28.06.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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