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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §38;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Weiss und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Puntigam, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 26. Juli 1990, Zl. 9/01-33.894/1990, betreffend Wiederaufnahme eines Verwaltungsstrafverfahren (Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde im Verwaltungsrechtszug ausgesprochen, daß dem Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme des mit Straferkenntnis der Erstbehörde vom 1. Dezember 1989 rechtskräftig abgeschlossenen Verwaltungsstrafverfahrens betreffend die zu 2. wegen Begehung einer Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit § 5 Abs. 6 StVO verhängte Geldstrafe von S 12.000,-- gemäß § 69 Abs. 1 lit. b und c AVG 1950 in Verbindung mit § 24 VStG 1950 nicht stattgegeben werde.
Zur Begründung wurde augeführt, im vorliegenden Fall sei der Erstbehörde bereits vor Erlassung des Straferkenntnisses auf Grund der Angaben in der Unfallsanzeige bekannt gewesen, daß der Beschwerdeführer nur einen geringen Alkoholkonsum vor Antritt der Fahrt zugestanden habe und daß der Verdacht der Alkoholbeeinträchtigung beim Lenken des Pkw's zur Unfallzeit deshalb bestanden habe, weil die nach dem Unfall einschreitenden Gendarmeriebeamten beim Beschwerdeführer einen starken Alkoholgeruch aus dem Munde wahrgenommen hatten. Ebenso sei für die Behörde bereits aus der Unfallsanzeige ersichtlich gewesen, daß der Beschwerdeführer nach Zustimmung zur Blutabnahme am Unfallsort zunächst zwecks Behandlung eines allfälligen Schockzustandes ins Krankenhaus verbracht worden sei und nachträglich im Krankenhaus nach neuerlicher Aufforderung die Blutabnahme verweigert habe, wobei der Beschwerdeführer dieses Verhalten in der mit ihm am 6. November 1989 am Gendarmerieposten aufgenommenen Niederschrift auf einen "schweren Schock" zurückgeführt habe. Wenn nunmehr der Beschwerdeführer seinen Wiederaufnahmeantrag gerade auf jene Tatumstände stütze, welche die Behörde mangels entsprechenden Bestreitens des Sachverhaltes durch den Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren unberücksichtigt gelassen habe, so könne vom Vorliegens eines tauglichen Wiederaufnahmegrundes im Sinne des § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 nicht gesprochen werden. Es sei hiebei völlig unbeachtlich, daß der Beschwerdeführer im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens nicht anwaltlich vertreten gewesen sei, weil er unbeschadet davon jederzeit die Möglichkeit gehabt hätte, seine Angaben vor der Gendarmerie auch im Verwaltungsstrafverfahren geltend zu machen und entsprechende Beweisanträge zu stellen. Aber auch der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Wiederaufnahmegrund gemäß § 69 Abs. 1 lit. c AVG 1950 liege nicht vor. Im vorliegenden Fall habe die unberechtigte Verweigerung der Blutabnahme durch den Beschwerdeführer zwar zur Folge gehabt, daß im gerichtlichen Strafverfahren die Begehung des Vergehens der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen im Sinne des § 81 Z. 2 StGB nicht nachweisbar gewesen sei, wodurch das Gericht an der Wahrheitsfindung gehindert worden sei. Jedoch sei dem Gericht deshalb keinerlei Berechtigung zugekommen, über die in Rede stehende Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. c StVO in Verbindung mit § 5 Abs. 6 StVO - begangen durch unberechtigte Verweigerung der Blutabnahme - mit präjudizieller Wirkung für die Verwaltungsstrafbehörde abzusprechen. Vielmehr sei von der Verwaltungsstrafbehörde das Vorliegen der vorbezeichneten Verwaltungsübertretung frei und unabhängig von den Gerichten zu beurteilen gewesen, weshalb vom Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes gemäß § 69 Abs. 1 lit. c AVG 1950 von vornherein keine Rede habe sein können.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 21. November 1990 wurde der nunmehr angefochtene Bescheid vom 26. Juli 1990 berichtigt (Neufassung des Einleitungssatzes des Bescheides).
Gegen den Bescheid vom 26. Juli 1990 richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 69 Abs. 1 AVG 1950 ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht
oder nicht mehr zulässig ist und: ......
b) neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnisse des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalte des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder
c) der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.
Der Beschwerdeführer ist zunächst darauf hinzuweisen, daß der über ihn im Verwaltungsstrafverfahren getroffenen Schuldspruch nicht auf das Bestehen eines durch Alkohol beeinträchtigten Zustandes gelautet hatte, sondern nur auf den Verdacht eines solchen Zustandes. Der Verwaltungsgerichtshof vermag insbesondere auch unter Bedachtnahme auf das Beschwerdevorbringen nicht zu erkennen, daß der belangten Behörde im Wiederaufnahmeantrag vom 10. April 1990 in Ansehung des betreffenden Sachverhaltselementes hervorgekommene neue Tatsachen oder Beweismittel bekanntgegeben worden wären. Bezogen auf dieses Sachverhaltselement durfte die belangte Behörde das Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes nach § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 somit verneinen, ohne den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit zu belasten.
In der dem Straferkenntnis vom 1. Dezember 1989 zugrunde liegende Anzeige wurde darauf hingewiesen, daß der Beschwerdeführer laut Auskunft von Rettungsmännern unter Schock gestanden sei, er sei daher von der Rettung ins Krankenhaus eingeliefert worden, wo er jedoch laut eigenen Angaben ohne ärztliche Behandlung wieder entlassen worden sei. In der der Anzeige angeschlossenen, mit dem Beschwerdeführer aufgenommenen Niederschrift vom 6. November 1989 hielt der Beschwerdeführer fest, die Verweigerung der Blutabnahme könne seiner Meinung nach nur daher gekommen sein, weil er unter schwerem Schock gestanden sei.
Der Wiederaufnahmeantrag enthält - im Anschluß an die Hinweise auf die die Frage der Alkoholisierung betreffenden Ausführungen in dem im gerichtlichen Strafverfahren erstatteten Gutachten - hinsichtlich des für die Frage der Zurechnungsfähigkeit maßgebenden Sachverhaltes folgende Ausführungen:
"Daraus ergibt sich, daß ich keinesfalls alkoholisiert war, sondern vielmehr die mir in diesem Verwaltungsstrafverfahren vorgeworfene Verweigerung lediglich auf den Schockzustand nach dem Unfall zurückgeführt werden kann.
Der Sachverständige führte auch weiters aus, daß es bei Schockzuständen eine häufige Beobachtung ist, daß unmittelbar nach dem Schock völlig überlegt gehandelt wird - dies erklärt auch die vorerst gegenüber der Gendarmerie sofortige Zustimmung zu einer Blutabnahme - und erst nach einer Weile die vegatativ bedingte Schocksymptomatik einsetzt. In diesem Zustand besteht eine herabgesetzte Verbindung zur Umwelt, sohin eine Unzurechnungsfähigkeit.
Aus den Ausführungen des Sachverständigen ....... ist daher
zweifelsfrei hervorgekommen, daß mir weder eine Alkoholisierung
zum Vorwurf gereichen kann, noch, daß ich bei der mir nun
angelasteten Verweigerung zurechnungsfähig war, sondern auf
Grund des beim Unfall erlittenen Schockes nicht
dispositionsfähig war.
Beweis: beiliegende schriftliche Berufung vom 5.1.1990 in
Fotokopie;
beiliegendes Hauptverhandlungsprotokoll vom
30.3.1990 in Fotokopie;
allenfalls zeugenschaftliche Einvernehme des
Sachverständigen ...... als Zeuge;
Inspektor .... als erhebender Gendermariebeamter;
Akt .... des .... gerichtes ....;".
Im Hinblick auf die vorerwähnten, im Verwaltungsstrafakt enthaltenen Hinweise auf einen Schockzustand vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen, daß mit den hier dargestellten Ausführungen im Wiederaufnahmeantrag vom 10. April 1990 in Ansehung der Frage der Zurechnungsfähigkeit hervorgekommene neue Tatsachen oder Beweismittel bekanntgegeben worden wären. Zwar könnten in einem Gutachten enthaltene neue Befundergebnisse einen Wiederaufnahmsgrund im Sinne des § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 darstellen, die von einem Sachverständigen gezogenen Schlußfolgerungen können dies, auch wenn sie neu sein sollten, jedoch nicht (siehe u.a. das hg. Erkenntnis vom 2. Juni 1982, Zl. 81/03/0151). Im vorliegenden Fall enthielt das in der Hauptverhandlung vom 30. März 1990 erstattete Gutachten keine neuen Befundergebnisse. Auch insofern durfte die belangte Behörde das Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes nach § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 verneinen, ohne den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit zu belasten.
Dem Beschwerdevorbringen ist schließlich entgegenzuhalten, daß der Umstand, daß der Beschwerdeführer wegen eines Vergehens nach § 81 Z. 2 StGB nicht verurteilt wurde, - wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid in nicht als rechtswidrig zu erkennender Weise darlegte - keine Entscheidung einer Frage darstellt, die in Ansehung des Schuldspruches nach § 99 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit § 5 Abs. 6 StVO eine bindende Vorfragenentscheidung zum Inhalt gehabt hätte.
Die vorliegende Beschwerde erweist sich somit zur Gänze als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990030213.X00Im RIS seit
12.06.2001Zuletzt aktualisiert am
02.07.2010