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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
Genehmigungspflicht nicht absolut auszuschließen - gesetzmäßige Annahme der Unzuständigkeit des Vorsitzenden der Grundverkehrskommission zur Ausstellung einer Bestätigung; kein Entzug des gesetzlichen RichtersSpruch
Die Bf. sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird daher abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Mit Kaufvertrag vom 8. August/18. Oktober 1985 erwarb
die "... Handel und Produktion von Metallerzeugnissen
Gesellschaft m.b.H." 94/344 Anteile an der Liegenschaft EZ ...
KG Aurach, mit welchen Anteilen das Wohnungseigentum an Top
Nr. ... im Haus 6370 Aurach bei Kitzbühel, Kochau Nr. ...,
untrennbar verbunden ist, von Dr. E H um einen Kaufpreis von
S 1,250.000,--. Die Käuferin hat ihren Sitz in Salzburg, alleiniger
Gesellschafter ist ein österreichischer Staatsbürger.
2. Mit Schriftsatz vom 3. März 1986 suchten die Vertragsparteien um Ausstellung einer (Negativ-)Bestätigung bei der Grundverkehrsbehörde an, mit dem Hinweis, Zweck des Rechtsgeschäftes sei "die Schaffung eines Ferien- und Erholungswohnsitzes für die Gesellschaftsangehörigen wie auch in Anbetracht des allgemeinen Rückganges des Umsatzes von Metallerzeugnissen die wertbeständige Anlage von Gesellschaftskapital in Grund und Boden".
Mit Bescheid der Grundverkehrsbehörde Aurach vom 24. April 1986 bestätigte der Vorsitzende der Grundverkehrsbehörde gemäß §2 Abs2 des Grundverkehrsgesetzes 1983, LGBl. für Tirol Nr. 69, (künftig: GVG), daß der dem in Rede stehenden Vertrag zu Grunde liegende Rechtserwerb nicht den Bestimmungen dieses Gesetzes unterliegt.
3. Der gegen diesen Bescheid vom Landesgrundverkehrsreferenten erhobenen Berufung wurde mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 22. Juni 1987 Folge gegeben und der angefochtene Bescheid gemäß §66 Abs4 AVG 1950 iVm §6 Abs1 und §2 Abs1 GVG wegen Unzuständigkeit des Vorsitzenden der Grundverkehrsbehörde behoben.
Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt:
"Bei der Beurteilung der für den Beschwerdefall ... relevanten Frage, ob ... die Voraussetzungen des §2 Abs2 GVG 1983 zweifelsfrei gegeben sind ..., ist die erkennende Behörde zur Auffassung gelangt, daß dies nicht zweifelsfrei ('evident') feststeht. Dies aus folgenden Gründen:
...
... Nach dem von der Berufungsbehörde festgestellten Sachverhalt erwirbt im vorliegenden Fall eine in inländischer Hand befindliche Gesellschaft, zu deren Geschäftsführer ein ausländischer (deutscher) Staatsangehöriger bestellt ist, eine Wohnung in Aurach b.K., einer Gemeinde, bei der die Zahl der ausländischen Grundbesitzer mehr als 10 % beträgt und das Ausmaß des ausländischen Grundbesitzes die 40-ha Grenze überschreitet. Zweck des Rechtserwerbes ist zufolge der Eingaben im Verwaltungsverfahren die 'Schaffung eines Ferien- und Erholungswohnsitzes für Gesellschaftsangehörige'. Diese Wohnung wurde nur wenige Wochen nach Abschluß des Kaufvertrages von eben diesem ausländischen Geschäftsführer bezogen und bis zum heutigen Tag als Zweitwohnsitz benutzt. Andere Personen wohnen in dieser Wohnung, nach dem Ausweis der Verwaltungsakten, nicht bzw. liegen diesbezüglich jedenfalls keine (An-)Meldungen bei der Meldebehörde vor (siehe hiezu das Schreiben des Bürgermeisters der Gemeinde Aurach vom 5.8.1986).
In Ansehung dieser Sach- und Rechtslage konnte aber nach Meinung der erkennenden Behörde der Vorsitzende der Grundverkehrsbehörde I.Instanz nicht ohne weiteres davon ausgehen, daß im vorliegenden Fall ein Rechtserwerb im Sinne des §3 Abs1 GVG 1983 gegeben ist, der zweifelsfrei nicht den Bestimmungen des GVG unterliegt. Scheint doch zum einen nicht mit 100 %-iger Sicherheit ausschließbar, daß hier nicht durch eine Mehrzahl von rechtlichen und tatsächlichen Maßnahmen (Geschäftsführerbestellung, Liegenschaftserwerb durch die Käufergesellschaft), die für sich allein gesehen zwar nicht genehmigungspflichtig sind, effektiv aber ein Ergebnis erzielt werden könnte, das sonst nur bei einem genehmigungspflichtigen Rechtserwerb gewonnen werden könnte, wobei aber dieser Weg vermieden wird, um einer Untersagung des Rechtserwerbes zu entgehen; zum anderen scheint nicht von vornherein ausgeschlossen, gleichgültig ob unter diesem Blickwinkel die Verwirklichung eines Umgehungstatbestandes bejaht werden kann oder nicht, daß allenfalls auch ein Sachverhalt verwirklicht werden soll (Gebrauchsrecht an einer Wohnung), der dem Genehmigungstatbestand des ... §3 Abs1 litg GVG 1983 zu subsumieren wäre. Diese aufgezeigten 'Zweifel' sind auch insbesondere deswegen nicht vollständig von der Hand zu weisen, weil gerade in dem von ausländischen Grundstücksinteressenten besonders stark nachgefragten Bezirk in Kitzbühel und Kufstein (bei der Landesgrundverkehrsbehörde behängt eine Vielzahl von Fällen mit ähnlichem oder gleichgelagertem Sachverhalt) immer wieder versucht wird, über den (Um-)Weg des sogenannten Ges.m.b.H.-Modells etwas zu erreichen, was nach den Bestimmungen des Tiroler GVG weder sein kann noch darf, nämlich weiteren Ausländern (zumindest) die faktische Verfügungsmacht über Liegenschaften und Wohnungen zu verschaffen. Aber auch die Ergebnisse der mündlichen Berufungsverhandlung konnten diese 'Zweifel' nicht vollständig ausräumen, weil es vor dem Hintergrund des angegebenen Zweckes des Rechtserwerbes auch nicht ohne weiteres einsichtig sein kann, daß die Wohnung ausschließlich von dem (ausländischen) Geschäftsführer benützt wird."
4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sowie auf Unversehrtheit des Eigentums geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
Die bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.
5. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
5.1.1. Die Bf. verweisen zunächst auf das Erkenntnis des VfGH vom 28. Feber 1984 G33/83, wonach eine gesetzliche Regelung verfassungswidrig sei, die die Entscheidung darüber, welches Vollzugsorgan im Einzelfall einzuschreiten hat, dem Ermessen dieses Vollzugsorganes übertrage. Dem GVG sei nicht mit hinlänglicher Klarheit zu entnehmen, ob allein der Vorsitzende der nach §13 Abs1 lita GVG eingerichteten Kommission zur Entscheidung berufen sei.
5.1.2. Hiezu genügt es - wie die bel. Beh. in der Gegenschrift zu Recht ausführt -, auf die Ausführungen des Erkenntnisses VfSlg. 11061/1986 zu verweisen, aus dem sich unzweifelhaft ergibt, daß eine (Negativ-)Bestätigung nach §2 Abs2 GVG vom Vorsitzenden der Höfekommission als Grundverkehrsbehörde erster Instanz gemäß §13 Abs1 lita GVG auszustellen und bei einer Berufung gegen einen solchen Bescheid die Landesgrundverkehrsbehörde in ihrer Zusammensetzung nach §13 Abs4 Z1 GVG zuständig ist; dies ist dem Gesetz unmittelbar zu entnehmen. Zu verfassungsrechtlichen Bedenken gegen §2 Abs2 GVG sieht sich der VfGH, der am zitierten Erkenntnis festhält, aus der Sicht des vorliegenden Beschwerdefalles nicht veranlaßt.
5.2.1. Die Bf. behaupten weiters, der angefochtene Bescheid verletze sie im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter. Die bel. Beh. habe sich im angefochtenen Bescheid nicht auf die Prüfung beschränkt, ob der Vorsitzende der Grundverkehrsbehörde nach §2 Abs2 GVG befugt gewesen sei, eine (Negativ-)Bestätigung auszustellen. Der angefochtene Bescheid spreche vielmehr implizit aus, daß der in Rede stehende Kaufvertrag als Umgehungsgeschäft zu werten sei, wobei die bel. Beh. wohl auf das Erkenntnis VfSlg. 11082/1986 Bezug genommen habe, jedoch inhaltlich über die Genehmigungsfähigkeit eines ihrer Meinung nach genehmigungspflichtigen Rechtsgeschäftes abgesprochen habe.
5.2.2. Der VfGH vermag auch diesen Ausführungen der Bf. nicht zu folgen. Im angefochtenen Bescheid wird lediglich die Meinung vertreten, daß auf Grund der besonderen Umstände des Beschwerdefalles nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann und damit nicht evident sei, daß es sich hier um einen Fall handle, der "zweifelsfrei" nicht den Bestimmungen des GVG unterliegt. Der VfGH hat in seiner Rechtsprechung (vgl. zB VfSlg. 11061/1986, 11082/1986) ausgesagt, daß die Ausstellung einer Bestätigung nach §2 Abs2 GVG dann nicht in die Zuständigkeit des Vorsitzenden der Grundverkehrsbehörde fällt, wenn dieser - gleichgültig ob im Ergebnis richtig oder falsch über Fragen abspricht, die eine Voraussetzung für die Ausstellung der in Rede stehenden Bestätigung bilden, weil sie nicht zweifelsfrei feststehen; bei der Entscheidung über eine gegen die Erteilung einer solchen Bestätigung ergriffene Berufung obliegt es der Landesgrundverkehrsbehörde, darüber - und nur darüber - zu erkennen, ob der Vorsitzende der Grundverkehrsbehörde aus Anlaß der Ausstellung der Bestätigung zu Recht keine Zweifel hegte. Entgegen der Meinung der Bf. hat die bel. Beh. nur darüber abgesprochen.
Mit Recht verweist die bel. Beh. in der Gegenschrift aber auch darauf, daß von einer "Zweifelsfreiheit" im Sinne des §2 Abs2 GVG im vorliegenden Fall nicht gesprochen werden kann, da die Entscheidung gemäß §2 Abs1 GVG im Zweifel - also immer dann, wenn es der Durchführung eines (Ermittlungs-)Verfahrens bedarf - der kollegialen Beschlußfassung vorbehalten ist. Ein solcher Fall liegt, wie sich schon aus dem Umstand ergibt, daß eine Genehmigungspflicht gemäß §3 Abs1 litg GVG nicht absolut auszuschließen ist, hier vor.
5.3. Da die bel. Beh. die Zuständigkeit des Vorsitzenden der Grundverkehrsbehörde zu Recht verneint hat, können die Bf. durch den angefochtenen Bescheid (dieser erschöpft sich in der Beantwortung einer rein verfahrensrechtlichen Frage) nicht verletzt worden sein.
5.4. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Bf. wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurden.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Grundverkehrsrecht, Behördenzuständigkeit GrundverkehrEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1988:B872.1987Dokumentnummer
JFT_10119372_87B00872_00