TE Vwgh Erkenntnis 1991/3/13 90/03/0216

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Veröffentlicht am 13.03.1991
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §15 Abs4;
StVO 1960 §17 Abs1;
StVO 1960 §4 Abs1 lita;
StVO 1960 §99 Abs2 lita;
StVO 1960 §99 Abs3 lita;
VStG §3 Abs1;
VStG §44a lita;
VStG §5 Abs1;
VStG §6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Weiss und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Puntigam, über die Beschwerde der N gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 12. Juli 1990, Zl. IIb2-V-8102/1/1989, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Erstbehörde vom 12. November 1989 wurde die Beschwerdefüherin schuldig erkannt, sie habe am 13. Dezember 1988, gegen 22.30 Uhr an einer bestimmten Straßenstelle als Lenkerin eines dem Kennzeichen nach bestimmten PKW 1. beim Vorbeifahren an abgestellten PKW's keinen ausreichenden Sicherheitsabstand eingehalten, 2. nach einem Unfall, bei dem zwei abgestellte PKW's beschädigt worden seien, als Beteiligte nicht sofort angehalten. Sie habe dadurch eine Verwaltungsübertretung 1. nach § 17 Abs. 1 StVO und

2. nach § 4 Abs. 1 lit. a StVO begangen. Zu 1. wurde gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO eine Geldstrafe in der Höhe von

S 800,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 40 Stunden) und zu 2. wurde gemäß § 99 Abs. 2 lit. a StVO eine Geldstrafe in der Höhe von

S 4.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 4 Tage) verhängt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die dagegen erhobene Berufung mit der Maßgabe abgewiesen, daß im Spruch zu Punkt 2 anstelle des Wortes "Beteiligte" die Worte "mit diesem Schadensunfall in ursächlichem Zusammenhang stehende" gesetzt werden.

Zur Begründung wurde ausgeführt, in der Berufung sei vorgebracht worden, ein Verstoß gegen die Bestimmung des § 17 Abs. 1 StVO liege nicht vor, da die Beschwerdeführerin den Eindruck gehabt habe, daß von rechts ein Fußgänger in die Fahrbahn habe gehen wollen, weshalb sie erschrocken sei und ihr Fahrzeug verrissen habe. Dadurch sei ihr Fahrzeug ins Schleudern gekommen, nach rechts ausgeschert und gegen zwei dort am nördlichen Fahrbahnrand parkende PKW's gestoßen. Dieses Vorbringen sei nicht schuldbefreiend. Erfahrungsgemäß werde einem von rechts kommenden Fußgänger nach links ausgewichen, woraus sich allenfalls ein Schleudern nach links ergeben könnte. Aus der Verkehrsunfallsanzeige gehe hervor, daß an dem von der Beschwerdeführerin gelenkten Kraftfahrzeug das rechte Vordereck mit Kotflügel, Stoßstange und Frontblech stark eingedrückt und der rechte Scheinwerfer und Blinker zertrümmert gewesen seien. Daraus sei zu schließen, daß der Anprall des von der Beschwerdeführerin gelenkten PKW's an den beiden rechts am Fahrbahnrand abgestellten PKW's mit dem rechten vorderen Eck erfolgt sei, wobei die beiden abgestellten PKW's linksseitig beschädigt worden seien. Werde beim Vorbeifahren ein abgestelltes Fahrzeug seitlich beschädigt, so sei dies ein Indiz dafür, daß überhaupt kein seitlicher Sicherheitsabstand eingehalten worden sei. Die Bestrafung der Beschwerdeführerin wegen der ihr zum Vorwurf gemachten Übertretung nach § 17 Abs. 1 StVO sei somit zu Recht erfolgt. Im weiteren Berufungsvorbringen werde hinsichtlich der Übertretung nach § 4 Abs. 1 lit. a StVO versucht, eine Notstandssituation für die Beschwerdeführerin darzulegen. Das diesbezügliche Vorbringen sei im Hinblick auf die einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 6 VStG 1950 jedoch nicht schuldbefreiend. Die Berufungswerberin hätte sofort nach dem gegenständlichen Sachschadensunfall an der Unfallstelle anhalten müssen und hätte diese nicht fluchtartig verlassen dürfen. Ein solches gesetzeskonformes Verhalten wäre ihr möglich und zumutbar gewesen. Aus den dargelegten Gründen sei auch die Bestrafung der Beschwerdeführerin wegen der ihr zum Vorwurf gemachten Übertretung nach § 4 Abs. 1 lit. a StVO zu Recht erfolgt. Zur Strafbemessung wurde hinsichtlich der Übertretung nach § 4 Abs. 1 lit. a StVO ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe durch ihr Verhalten in Kauf genommen, daß die Besitzer zweier PKW's selbst für den ihnen zugefügten schweren Sachschaden hätten aufkommen müssen, wenn nicht zufällig ein anderer Verkehrsteilnehmer Zeuge des gegenständlichen Sachschadensunfalles gewesen wäre. Auch bei Berücksichtigung der bisherigen Straffreifheit als Milderungsgrund und des Umstandes, daß die Beschwerdeführerin als Hausfrau über kein eigenes Einkommen verfüge, sei die mit S 4.000,-- bemessene Geldstrafe innerhalb des bis S 30.000,-- reichenden Strafrahmens keineswegs überhöht, sondern angemessen und in dieser Höhe zur Hintanhaltung weiterer einschlägiger Übertretungen erforderlich.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der über die Beschwerdeführerin gefällte Schuldspruch führt einleitend die Lenkereigenschaft der Beschwerdeführerin, einen bestimmten Tatort und eine bestimmte Tatzeit, im Spruchteil 1 als Fahrvorgang das Vorbeifahren an abgestellten PKW's und im Spruchteil 2 - ohne auf einen anderen ursächlichen Fahrvorgang Bezug zu nehmen und zufolge der Einleitung bezogen auf denselben Tatort und dieselbe Tatzeit - die Beschädigung zweier abgestellter PKW's an, wodurch das im Spruchteil 1 angeführte Tatbestandselement eines nicht ausreichenden Seitenabstandes im Sinne des § 17 Abs. 1 in Verbindung mit § 15 Abs. 4 StVO hinlänglich konkretisiert ist (siehe hiezu unter anderem das hg. Erkenntnis vom 31. Oktober 1990, Zl. 90/02/0104). Ein Spruchfehler, wie er in der vorliegenden Beschwerde geltend gemacht wird, liegt somit nicht vor.

Die Beschwerdeführerin verantwortete sich im Verwaltungsstrafverfahren dahin, der von ihr verursachte Unfall sei auf ihren Eindruck zurückzuführen gewesen, daß von rechts ein Fußgänger in die Fahrbahn habe gehen wollen, weshalb sie erschrocken sei und ihr Fahrzeug verrissen habe. Es war nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde den Verkehrsvorgang, in dessen Verlauf zwei abgestellte PKWs beschädigt wurden, was die objektive Tatbestandsverwirklichung anlangt, als Vorbeifahren ohne Einhalten eines ausreichenden Sicherheitsabstandes

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nämlich keines Sicherheitsabstandes - und somit als Übertretung nach § 17 Abs. 1 StVO qualifizierte. In subjektiver Hinsicht bestanden für die belangte Behörde angesichts des Vorbringens der Beschwerdeführerin über den behaupteten

-

bloßen - Eindruck, daß von rechts ein Fußgänger in die Fahrbahn habe gehen wollen, keine Anhaltspunkte dafür, daß die Beschwerdeführerin im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG 1950 glaubhaft gemacht hätte, daß sie an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden getroffen hätte.

2. Was die Frage des Vorliegens eines Schuldausschließungsgrundes anlangt, hatte sich die Beschwerdeführerin im Verwaltungsstrafverfahren auf ein durch den Unfall ausgelöstes extremes Erschrecken, auf das Anschreien und Beschimpfen durch den Ehegatten und auf die drohende Panik des vorübergehend allein zu Hause gelassenen Kindes berufen. Der Verwaltungsgerichtshof vermag es nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde der Beschwerdeführerin im gegebenen Zusammenhang weder einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließendenden Unfallschock (siehe hiezu das in der vorliegenden Beschwerde bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 1978, Slg. NF. Nr. 9719/A), noch eine Notstandssituation im Sinne des § 6 VStG 1950, welche begrifflich eine schwere unmittelbare Gefahr voraussetzt (siehe hiezu unter anderem das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 1987, Zl. 87/03/0112), zubilligte.

3. Die belangte Behörde legte dar, inwiefern die Interessen, deren Schutz die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Strafdrohungen dienten, durch das Verhalten der Beschwerdeführerin gefährdet bzw. verletzt wurden. Weiters ging die belangte Behörde von der vorsätzlichen Begehung der Übertretung nach § 4 Abs. 1 lit. a StVO aus. Ferner wurde der Beschwerdeführerin die bisherige Straffreiheit als Milderungsgrund zugute gehalten. Daß die belangte Behörde nicht davon ausging, die Übertretung nach § 4 Abs. 1 lit. a StVO sei unter Umständen begangen worden, die einem Schuldausschließungsgrund nahekommen (§ 19 Abs. 2 VStG 1950 in Verbindung mit § 34 Z. 11 StGB), vermag der Verwaltungsgerichtshof unter Bedachtnahme auf die von der Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt der Frage nach dem Vorliegen eines Schuldausschließungsgrundes angeführten tatsächlichen Umstände nicht als rechtswidrig zu erkennen. Insoweit die Beschwerdeführerin die Strafbemessung unter dem Gesichtspunkt ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse rügt, ist ihr die Bestimmung des § 94 ABGB über ihren Anspruch auf Unterhalt entgegenzuhalten. Die Beschwerdeführerin vermag somit keine Rechtswidrigkeit der Bemessung der Strafe wegen der Übertretung nach § 4 Abs. 1 lit. a StVO innerhalb des von

S 500,-- bis S 30.000,-- reichenden Strafrahmens mit S 4.000,-- darzutun.

Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid in dem vorstehend aus dem Spruch ersichtlichen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, im übrigen aber die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990030216.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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