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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
BLVG 1965 §5;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Knell, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde des N gegen den Bundesminister für Unterricht und Kunst, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht über einen Antrag auf "Berechnung der Bezugsansätze ab dem Schuljahr 1984/85 bezüglich Unterricht in der Abendschule für Berufstätige" vom 27. Februar 1987, unter Berücksichtigung der Regelung des § 5 BLVG, zu Recht erkannt:
Spruch
Gemäß § 42 Abs. 4 erster Satz VwGG wird der belangten Behörde aufgetragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der Rechtsansicht zu erlassen, daß der Wertungsschlüssel gemäß § 5 des Bundesgesetzes vom 15. Juli 1965 über das Ausmaß der Lehrverpflichtung der Bundeslehrer, BGBl. Nr. 244, (BLVG), für alle an einer solchen Schule gehaltenen Unterrichtsstunden gilt.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Fachoberlehrer in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; seine Dienststelle ist die die Höhere Technische Bundes- Lehr- und Versuchsanstalt in X, an der auch eine Abendschule für Berufstätige geführt wird.
In dieser Abendschule erteilte der Beschwerdeführer Unterricht, der ihm hinsichtlich der an Samstagvormittagen erbrachten Unterrichtstätigkeit bis einschließlich des Schuljahres 1983/84 nach dem gemäß § 5 BLVG vorgesehenen Schlüssel bewertet wurde.
Ab dem Schuljahr 1984/85 wurde diese Berechnungsart ohne Angabe von Gründen abgesetzt.
Mit Datum 27. Feber 1987 richtete der Beschwerdeführer folgendes Schreiben an seine Dienstbehörde erster Instanz:
"Wiederaufnahme der Berechnung der Bezugsansätze ab dem Schuljahr 1984/85 BZGL. UNTERRICHT IN DER ABENDSCHULDE FÜR
BERUFSTÄTIGE
Während der Schuljahre 84/85, 86/87 habe ich u.a. auch in der Abendschule für Berufstätige in der HTBL (Bulme) X unterrichtet.
Die im SCHOG, § 5 BLVG vorgesehene Höherwertigkeit blieb in meinen Bezugsansätzen unberücksichtigt.
Ich ersuche daher den Landesschulrat für Steiermark, meine Bezüge ab dem Schuljahr 1984/85 neu zu berechnen und mir die Differenzbeträge nachzuzahlen.
Diese Nachforderung beruht zusätzlich auf die nun eindeutig definierte Gesetzeslage durch einen Musterprozeß samt Berufungsentscheidung vor dem Arbeitsgericht Innsbruck (Verhandlung vom 16.4.1986 2 Cr338/85-5 und Berufungsverhandlung vom 23.9.1986). Eine Ablichtung dieses Urteils liegt bei."
Mit Schreiben vom 15. Mai 1988 beantragte der Beschwerdeführer beim Landesschulrat "die Angelegenheit an die nächsthöhere Instanz zur gesetzeskonformen Erledigung weiterzuleiten" und verlangte neuerlich bescheidmäßige Absprache.
Nach Rechtsbelehrung durch seine Dienstbehörde beantragte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 10. Oktober 1988 unter Hinweis auf § 73 Abs. 2 AVG den Übergang der Entscheidungspflicht auf die belangte Behörde und begründete dies im wesentlichen wie folgt:
"Obwohl mir meine Unterrichtstätigkeit an Samstagen vormittags mit Unterrichtsschluß um 12 Uhr 05 in der Abendschule für Berufstätige, bis einschließlich Schuljahr 1983/84 mit dem lt. § 5, BLVG vorgesehenem sog. 5/3-Zuschlag berechnet wurde, wurde diese Berechnung ab dem Schuljahr 1984/85 ohne Angabe von Gründen abgesetzt.
Auf meinen Hinweis bei der vorgesetzten Dienststelle, sowie beim LSR f.Stmk., daß der § 5 des BLVG, sowie der § 6 der Schulzeitverordnung den 5/3-Zuschlag an Samstagen vormittags nicht ausschließen und bis zum Schuljahr 1983/84 Bestandteil meiner Entlohnung war, wurde mir bisher keine rechtsgültige Entscheidung zugestellt.
Ich möchte darauf hinweisen, daß ich verbindlich Kenntnis davon habe, daß Lehrern in Kärnten und Salzburg die sich in der gleichen Situation befinden, der gegenständliche 5/3 Zuschlag bis derzeit sehr wohl bezahlt wird und daß ein rechtsgültiges Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vorliegt, wonach der Zuschlag auch an Samstagen vormittags für den Unterricht an der Abendschule für Berufstätige zurecht eingefordert wurde. Durch die nun seit mehr als drei Jahren geübte Praxis, daß mir bei der Berechnung meiner Bezüge der 5/3-Zuschlag vorenthalten wird, während in anderen österreichischen Bundesländern derselbe berücksichtigt wird, fühle ich mich zu meinem Ungunsten ungleich vor dem Gesetz behandeltÜ
Ich stelle daher an das Bundesministerium das Ersuchen, meine Argumente zu prüfen und um bescheidmäßige Verständigung über die getroffene Entscheidung."
Da auf Grund dieses als Devolutionsantrag zu wertenden Schreibens ebenfalls keine Entscheidung erging, machte der Beschwerdeführer Verletzung der Entscheidungspflicht beim Verwaltungsgerichtshof geltend.
Da die belangte Behörde von der ihr vom Verwaltungsgerichtshof eingeräumten Gelegenheit, den versäumten Bescheid innerhalb einer gemäß § 36 Abs. 2 VwGG mit drei Monaten bestimmten Frist nachzuholen, nicht Gebrauch machte, ging die Zuständigkeit zur Sachentscheidung über den vorliegenden Antrag des Beschwerdeführers auf den Verwaltungsgerichtshof über.
Die Akten des Verwaltungsverfahrens wurden erst nach neuerlicher Urgenz vorgelegt. Mit Schreiben vom 19. Feber 1991 begründete die belangte Behörde ihre Säumigkeit im wesentlichen wie folgt:
Die belangte Behörde habe die Auffassung vertreten, daß die begünstigte Umrechnung der Unterrichtsstunden für den Samstagunterricht zwar vom Gesetzgeber nicht gewollt gewesen sei, jedoch auf Grund des Gesetzeswortlautes angenommen werden müsse, weil die grammatikalische Auslegung des § 5 BLVG 1965 bloß eine solche Interpretation zulasse. Seitens des zur Auslegung des BLVG primär berufenen BKA sei aber die Möglichkeit einer begünstigten Umrechnung des Samstagunterrichtes mit der Begründung einer verfassungskonformen Auslegung des § 5 BLVG ausgeschlossen worden, weil nach Ansicht des BKA lediglich beim Abendunterricht eine Erschwernis gegeben sei, die einer begünstigten Umrechnung teilhaftig werden dürfe; der Samstagvormittagsunterricht dürfe dagegen aus Gleichheitsgründen gegenüber dem sonstigen Vormittagsunterricht nicht bessergestellt werden.
Zwischenzeitlich habe ein Vertragslehrer Klage beim zuständigen Arbeitsgericht wegen Bewertung der an Samstagen an einer Abendschule gehaltenen Unterrichtsstunden eingebracht. Das Landesgericht Innsbruck habe daraufhin als zweite Instanz gleichfalls dem Klagebegehren stattgegeben, sodaß eine rechtskräftige Entscheidung für den Bereich der Vertragslehrer vorgelegen sei. Im Hinblick auf eine den Überlegungen des BKA entgegenstehende rechtskräftige gerichtliche Entscheidung sei neuerlich an das BKA herangetreten worden, worauf Verhandlungen über eine Änderung des § 5 BLVG hätten begonnen werden sollen. Diese beabsichtigten Gespräche seien an der mangelnden Bereitschaft der Lehrervertretung gescheitert.
Da keine über die vom vorher genannten Gericht bereits behandelten Aspekte hinausgehenden Gründe für eine Abweisung des Antrages hätten gefunden werden können, sondern gegen eine Ablehnung des Antrages sogar verfassungsrechtliche Bedenken bestanden hätten (- sei doch das BLVG sowohl für ernannte Bundeslehrer als auch für vertraglich bestellte Bundeslehrer anzuwenden und bestünden keine sachlichen Argumente, die eine unterschiedliche Behandlung der beiden Lehrergruppen rechtfertigen würden -), sei von der Ressortleitung entschieden worden, durch Verstreichen der Entscheidungsfrist eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes herbeizuführen.
Der Verwaltungsgerichtshof, auf den die Zuständigkeit zur Entscheidung auf Grund der Beschwerde gemäß § 27 VwGG übergegangen ist, hat erwogen:
Im Beschwerdefall ist nach § 1 Abs. 1 DVG das AVG mit bestimmten, im Beschwerdefall nicht maßgebenden Abweichungen anzuwenden. Nach § 73 Abs. 1 AVG sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. Gemäß Abs. 2 leg. cit. geht auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde über, wenn der Bescheid der Partei nicht innerhalb dieser Frist zugestellt wird. Ein solcher Antrag ist unmittelbar bei der Oberbehörde einzubringen. Der Antrag ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.
Der vorher wiedergegebene Verfahrensablauf zeigt, daß die Voraussetzungen für den Übergang der Entscheidungspflicht an die belangte Behörde vorliegen.
§ 5 des Bundesgesetzes vom 15. Juli 1965 über das Ausmaß der Lehrverpflichtung der Bundeslehrer, BGBl. Nr. 244, lautet wie folgt:
"Bei Unterrichtserteilung an allgemeinbildenden höheren Schulen für Berufstätige und an berufsbildenden mittleren und höheren Schulen für Berufstätige, die als Abendschulen geführt werden, sind drei gehaltene Unterrichtsstunden als fünf Wochenstunden zu werten."
Der Begriff "Abendschule" wird im Gesetz nicht definiert; die gesetzliche Regelung stellt aber ganz allgemein auf die Unterrichtserteilung an den genannten Schulen ab, soferne diese als "Abendschulen" geführt werden. Hinsichtlich der berufsbildenden mittleren und höheren Schulen für Berufstätige legt § 6 der Schulzeitverordnung, BGBl. Nr. 262/1965, verschiedene Abweichungen fest. Der Unterrichtsbeginn ist nach dieser Bestimmung von Montag bis Freitag unter Bedachtnahme auf den ortsüblichen Arbeitsschluß und eine für die Mehrzahl der Schüler allenfalls erforderliche Zufahrtszeit festzulegen. An Samstagen darf der Unterricht frühestens um 08.00 Uhr beginnen, sofern der Samstag Vormittag für die Mehrzahl der Schüler arbeitsfrei ist; andernfalls darf der Unterricht erst nach dem ortsüblichen Arbeitsschluß unter Bedachtnahme auf eine entsprechende Mittagspause beginnen. Der Unterricht darf von Montag bis Freitag bis längstens 22.00 Uhr, an Samstagen bis längstens 18.00 Uhr dauern.
Da die Unterrichtserteilung an den vorher genannten Schulen gemäß § 6 der Schulzeitverordnung an fünf Tagen der Woche erst am Abend erfolgt, ist auch nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes hiefür die Bezeichung "Abendschule" als auch die Annahme der Führung solcher Schulen als "Abendschule" gerechtfertigt. Diese Auffassung deckt sich sowohl mit der im erwähnten rechtskräftigen Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vertretenen als auch mit der Ansicht der Kommentatoren von "Das Österreichische Schulrecht", Kövesi-Jonak (vgl. Anm. 2 zu § 6 der Schulzeitverordnung). In dem genannten Kommentar wird ausgeführt, daß die berufsbildenden mittleren und höheren Schulen für Berufstätige als "Abendschulen" geführt werden.
Maßgebend für die Heranziehung des für die Lehrer günstigeren Wertungsschlüssels nach § 5 BLVG ist, daß es sich um eine Unterrichtserteilung an einer der genannten Schulen handelt, die als Abendschulen geführt werden. Der Relativsatz "die als Abendschulen geführt werden" bezieht sich eindeutig auf die genannten Schulen und nicht auf eine tatsächliche Unterrichtserteilung am Abend. Werden diese Schulen also als Abendschulen geführt, so ist der Wertungsschlüssel nach § 5 BLVG für die gesamte Zeit der Unterrichtserteilung heranzuziehen. Da die Unterrichtserteilung an den genannten Schulen an Arbeitstagen am Abend zu erfolgen hat, diese Schulen daher für Berufstätige als "Abendschulen" bezeichnet bzw. geführt werden und die Formulierung des § 5 BLVG nach der grammatikalischen Interpretation nur mit dem Organisationsbegriff der berufsbildenden mittleren und höheren Schulen für Berufstätige verknüpft ist, verbietet sich eine Auslegung derart, daß nur die Unterrichtserteilung in den Abendstunden nach dem im § 5 BLVG enthaltenen Schlüssel zu werten sei. Hätte der Gesetzgeber nur die Unterrichtserteilung in den Abendstunden an den genannten Schulen im Sinne des § 5 für die Lehrer begünstigt gewertet wissen wollen, hätte dies in anderer Form zum Ausdruck gebracht werden müssen (beispielsweise durch eine Spezifizierung des Begriffes der Unterrichtserteilung nach Arbeits- bzw. Wochentagen).
Der klare und eindeutige Wortlaut des § 5 BLVG läßt somit nur die Auslegung zu, daß die höhere Bewertung der Unterrichtsstunden für jede an einer Abendschule für Berufstätige erteilte Unterrichtsstunde zu erfolgen hat, gleichgültig, ob diese Unterrichtsstunde am Abend oder am Samstag im Laufe des Tages abgehalten wurde.
Damit liegt - in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeitsgerichtsachen (vgl. Urteil vom 23. September 1986, Zl. 3a Cg 27/86) - auch keine unsachliche Differenzierung gegenüber jenen Lehrern vor, die an Schultypen, die nicht als Abendschule geführt werden, ebenfalls am Samstagvormittag unterrichten müssen. Den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zum BLVG, 672 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates, X. GP, ist zu entnehmen, daß durch § 5 die besondere Erschwernis dieses Unterrichtes an Abendschulen berücksichtigt werden soll. Diese besondere Erschwernis des Unterrichtes liegt aber nicht nur darin, daß in den Abendstunden unterrichtet wird, sondern auch darin, daß bei der Vermittlung des Lehrstoffes mit einer geringeren Anzahl von Wochenstunden das Auslangen gefunden werden muß als an den normalen höheren technischen und gewerblichen Lehranstalten, was sich bereits aus der vorher auszugsweise wiedergegebenen Bestimmung des § 6 der Schulzeitverordnung iVm den einschlägigen Regelungen des Schulorganisationsgesetzes ergibt. Der Unterricht muß deshalb an solchen Schulen intensiver erfolgen. Dem hat der Gesetzgeber, wie auch der Einleitung zu den Erläuternden Bemerkungen zum BLVG zu entnehmen ist, eben dadurch Rechnung getragen, daß die Unterrichtsstunden an den genannten Schulen für Berufstätige, wenn sie als Abendschulen geführt werden, höher zu bewerten sind als an normalen Schulen. Bedacht ist auch darauf zu nehmen, daß nach § 6 der Schulzeitverordnung nicht nur am Samstagvormittag Unterricht zu erteilen ist, sondern eine Unterrichtserteilung auch am Nachmittag vorgesehen ist; dies kommt bei den sonstigen Schultypen nicht in Frage. Es kann daher auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes von einer unberechtigten Bevorzugung des Samstagunterrichtes bei den genannten Schulen für Berufstätige im Vergleich zum Samstagunterricht an anderen Schulen nicht gesprochen werden.
Da auf Grund der vorgelegten Unterlagen sachverhaltsmäßig feststeht, daß der Beschwerdeführer an einer Schule im Sinne des § 5 BLVG, die als Abendschule geführt wird, an Samstagen unterrichtet hat, war die belangte Behörde gemäß § 42 Abs. 4 erster Satz VwGG zu verpflichten, über den Antrag des Beschwerdeführers vom 27. Februar 1987 unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung abzusprechen, daß auch die vom Beschwerdeführer am Samstag erbrachte Unterrichtserteilung nach dem im § 5 BLVG normierten Schlüssel zu bewerten ist. Die belangte Behörde wird nunmehr nach ergänzenden Erhebungen zum Sachverhalt die versäumte Entscheidung unter Zugrundelegung der hiemit festgelegten Rechtsanschauung zu erlassen haben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1989120230.X00Im RIS seit
18.03.1991