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L37136 Abfallabgabe Müllabgabe Sonderabfallabgabe SondermüllabgabeNorm
B-VG Art140 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Knell, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde der Gemeinde E, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 24. April 1990, Zl. 03-38 K 2-1990/1 (mitbeteiligte Partei: Steiermärkische Krankenanstalten Gesellschaft m.b.H.), betreffend Anschluß an die öffentliche Müllabfuhr, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.240,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Mitbeteiligte beantragte mit Eingabe an die Beschwerdeführerin vom 20. Dezember 1988, gemäß § 9 des Steiermärkischen Müllwirtschaftsgesetzes, LGBl. Nr. 7/1988, eine Ausnahmegenehmigung von der Anschlußpflicht an die öffentliche Müllabfuhr zu erteilen, da die Müllentsorgung der Krankenanstalten X und Y aufgrund vertraglicher Vereinbarungen selbst durchgeführt werde.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Beschwerdeführerin vom 2. Oktober 1989 wurde dieser Antrag gemäß § 9 Abs. 4 des genannten Gesetzes abgewiesen. Begründend wird im wesentlichen ausgeführt, die Mitbeteiligte habe weder als Eigentümerin der beiden genannten Krankenhäuser über eine behördlich genehmigte Anlage zur Behandlung von Müll verfügt, noch könne sie als Gewerbebetrieb angesehen werden, sodaß keiner der gesetzlichen Ausnahmefälle vorliege.
In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung vertrat die Mitbeteiligte den Rechtsstandpunkt, für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung von der Müllanschlußpflicht sei es ausreichend, Gewerbebetriebe nachzuweisen, die den anfallenden Müll des Abfallerzeugers übernähmen und der ordnungsgemäßen Entsorgung zuführten.
Mit Bescheid vom 28. März 1990 wies der Gemeinderat der Beschwerdeführerin die Berufung der Mitbeteiligten gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet ab. Die Berufungsbehörde vertrat in der Bescheidbegründung im wesentlichen die Auffassung, daß die Ausnahmebestimmung des § 9 Abs. 4 des Steiermärkischen Müllwirtschaftsgesetzes deshalb nicht zum Tragen kommen könne, weil der Betrieb von Krankenanstalten gemäß § 2 Abs. 1 Z. 11 der Gewerbeordnung 1973 nicht unter die Bestimmungen dieses Gesetzes falle und daher kein Gewerbebetrieb vorliege.
Gegen diesen Bescheid erhob die Mitbeteiligte Vorstellung an die belangte Behörde, in der im wesentlichen ausgeführt wird, der Ausdruck "Gewerbebetriebe" im § 9 Abs. 4 des Steiermärkischen Müllwirtschaftsgesetzes könne nur so verstanden werden, daß darunter alle Betriebe fielen, in denen Müll der Art, wie er für einen vom Geltungsbereich des Gesetzes umfaßten Gewerbebetrieb typisch sei, anfalle. Eine andere Interpretation sei nicht verfassungskonform, weil sonst Betriebe, bei denen der gleiche Müll anfalle wie in einem Gewerbebetrieb, nicht von der Möglichkeit Gebrauch machen könnten, die Entsorgung durch einen hiefür geeigneten Vertragspartner durchführen zu lassen. Eine Krankenanstalt sei insoweit als Betrieb anzusehen, der einem Gewerbebetrieb gleichzuhalten sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Vorstellung der Mitbeteiligten gegen den Bescheid des Gemeinderates der Beschwerdeführerin Folge, behob deren Bescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zurück.
In der Bescheidbegründung wird im wesentlichen ausgeführt, bei wörtlicher Auslegung des Begriffes "Gewerbebetriebe" im § 9 Abs. 4 des Steiermärkischen Müllwirtschaftsgesetzes würden Betriebe, in denen Abfall produziert werde, wie er sonst in einem der Gewerbeordnung unterliegenden Gewerbebetrieb anfalle, insofern diskriminiert, als für solche Betriebe eine Ausnahme von der Anschlußpflicht an die öffentliche Müllabfuhr nicht ausgesprochen werden könnte. Diese Auslegung würde zweifellos zu einer Verletzung des Gleichheitsgebotes des Art. 7 B-VG führen. Zur Vermeidung einer Verfassungswidrigkeit der genannten Gesetzesstelle könne der Ausdruck "Gewerbebetriebe" nur so verstanden werden, daß darunter alle Betriebe zu verstehen seien, in denen Müll der Art, wie er für einen vom Geltungsbereich dieses Gesetzes umfaßten Gewerbebetrieb typisch sei, anfalle. Dies heiße, daß ein Krankenhaus insoweit als ein Betrieb angesehen werden könne, der einem Gewerbebetrieb gleichzuhalten sei, als in ihm Abfälle anfielen, die auch für einen Gewerbebetrieb typisch seien, wie etwa Abfälle aus einer Großküche oder Kehricht. Wenn also die Betriebe X und Y der Mitbeteiligten nachweisen könnten, daß der dort anfallende Müll auf Grund vertraglicher Verpflichtungen anderweitig entsprechend den Grundsätzen des § 3 Abs. 3 des Steiermärkischen Müllwirtschaftsgesetzes entsorgt werde, so habe die Gemeinde die Ausnahme von der Anschlußpflicht an die öffentliche Müllabfuhr auszusprechen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof mit dem Antrag, diesen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, verbunden mit der Anregung, die Absätze 1 und 4 des § 9 des Steiermärkischen Müllwirtschaftsgesetzes "im Sinne deren Zusammenhanges einer Überprüfung durch den Verfassungsgerichtshof unterziehen zu lassen". Es handle sich um einseitig die Gemeinden belastende Regelungen, die dem Sachlichkeitsgebot bzw. dem Gebot der Gleichbehandlung der Gemeindebürger widersprächen.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Auch die Mitbeteiligte hat eine Gegenschrift erstattet und Gegenanträge gestellt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall ist das Steiermärkische Müllwirtschaftsgesetz, LGBl. Nr. 7/1988 in der Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 68/1990 (danach als Steiermärkisches Abfallwirtschaftsgesetz - StAWG - bezeichnet) anzuwenden. Nach § 2 leg.cit. gelten folgende Begriffsbestimmungen:
"(1) Müll sind bewegliche Sachen, deren sich der Eigentümer oder Inhaber entledigen will oder entledigt hat oder deren Entsorgung im öffentlichen Interesse gemäß § 3 Abs. 3 geboten ist.
(2) Als Müll im Sinne des Abs. 1 gelten Hausmüll, Sperrmüll, Problemstoffe, Altstoffe und Straßenkehricht.
(3) HAUSMÜLL sind alle festen Stoffe, die im Rahmen eines Haushaltes üblicherweise anfallen, wie Asche und Schlacke in ausgekühltem Zustand, Kehricht, Ruß, Küchenabfälle, Textilien, Lumpen, Leder, Holz, Papier, Blechdosen, Metallteile, Glas, Kunststoffe, kleinere Mengen von Gartenabfällen sowie die im Rahmen von ANSTALTEN, BETRIEBEN und sonstigen ARBEITSSTELLEN anfallenden Stoffe ähnlicher Art. (4) Sperrmüll sind jene Stoffe im Sinne des Abs. 3, die wegen ihrer äußeren Form nicht in Hausmüllbehältern gesammelt werden können, sowie der übrige nach Abs. 1 zu entsorgende Müll, soweit er durch die Hausmüllabfuhr nicht abgeführt werden kann.
(5) Problemstoffe sind jene Stoffe, deren schadlose Entsorgung (Sammeln, Transport, Behandlung) gemeinsam mit Hausmüll wegen ihrer Beschaffenheit nicht oder erst nach spezieller Aufbereitung möglich ist und die nicht dem Sonderabfallgesetz des Bundes, BGBl. Nr. 186/1983, unterliegen. Die Landesregierung hat binnen eines Jahres nach Inkrafttreten dieses Gesetzes durch Verordnung diese Problemstoffe zu bezeichnen. ..."
Ausnahmen von der Anschlußpflicht sind im § 9 Abs. 4 leg.cit. wie folgt geregelt:
"Von der Anschlußpflicht an die öffentliche Müllabfuhr sind die Eigentümer von Grundstücken (Betrieben) insoweit ausgenommen, als diese über eigene, behördlich genehmigte Anlagen zur Behandlung von Müll verfügen oder Gewerbebetriebe nachweisen können, daß der Müll auf Grund vertraglicher Verpflichtungen anderwärtig im Bereich des Müllwirtschaftsverbandes oder eines überregionalen Entsorgungsverbundes durch hiefür genehmigte Anlagen entsprechend den Grundsätzen des § 3 Abs. 3 entsorgt wird. Hierüber hat die Gemeinde auf begründeten Antrag mit Bescheid zu entscheiden."
Das Gesetz sah demnach in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung zwei verschiedene Ausnahmetatbestände von der Anschlußpflicht an die öffentliche Müllabfuhr vor: Die erste Ausnahme betrifft die Eigentümer von Grundstücken (Betrieben), welche über eigene behördlich genehmigte Anlagen zur Behandlung von Müll verfügen. Die zweite Ausnahme betrifft Gewerbebetriebe, die nachweisen können, daß der Müll auf Grund vertraglicher Verpflichtungen anderwärtig unter den genannten Voraussetzungen entsorgt wird.
Im Beschwerdefall ist lediglich strittig, ob der zweite Ausnahmetatbestand von der Mitbeteiligten erfüllt wird. Dies trifft jedoch nach dem Wortlaut des Gesetzes schon deshalb nicht zu, weil die Mitbeteiligte als Krankenanstalt nicht die gesetzliche Voraussetzung des Ausnahmewerbers erfüllen kann. Muß es sich doch bei diesem Tatbestand um einen "Gewerbebetrieb" handeln, während das Gesetz für den ersten Ausnahmefall nur die Eigenschaft des Bewilligungswerbers "Eigentümer von Grundstücken (Betrieben)" fordert. Das Gesetz unterscheidet damit eindeutig zwischen den Voraussetzungen der Ausnahmebewilligung in den beiden Tatbeständen.
Voraussetzung für die Ausnahmebewilligung nach dem zweiten Tatbestand, der im Beschwerdefall von der Mitbeteiligten in Anspruch genommen wird, ist u.a., daß es sich um einen "Gewerbebetrieb" handelt. Dies trifft jedoch bei der antragstellenden Mitbeteiligten nicht zu, weil gemäß § 2 Abs. 1 Z. 11 der Gewerbeordnung 1973 u.a. der Betrieb von Kranken- und Kuranstalten nicht unter den Geltungsbereich dieses Gesetzes fällt. Da das Steiermärkische Müllwirtschaftsgesetz in seinem § 9 Abs. 4 aber zwischen "Betrieben" und "Gewerbebetrieben" ausdrücklich unterscheidet, ohne eine eigene Definition der Begriffe zu enthalten, ist zur Definition des Begriffes "Gewerbebetrieb" von den allgemeinen Bestimmungen der Gewerbeordnung 1973 auszugehen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im übrigen auch keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der von ihm anzuwendenden Bestimmung des § 9 Abs. 4 des Steiermärkischen Müllwirtschaftsgesetzes in der im Beschwerdefall geltenden Fassung.
Aus der dargestellten Rechtslage ergibt sich, daß auch die von der Beschwerdeführerin angeregte Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der vom Verwaltungsgerichtshof anzuwendenden Bestimmungen nicht geboten ist. Dies schon deshalb, weil eine gleichheitswidrige Bestimmung in den normierten Ausnahmetatbeständen nicht zu erblicken ist.
Da die belangte Behörde die Rechtslage verkannt hat, mußte der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990120193.X00Im RIS seit
18.03.1991