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60 ArbeitsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
BG über die Nachtarbeit der Frauen; Nachtarbeitsverbot für Bäckereiarbeiterinnen Teil eines allgemeinen Verbotes der Frauennachtarbeit; Bedachtnahme des Gesetzgebers auf das international anerkannte Schutzbedürfnis der Frauen; in Übereinstimmung mit dem 89. Abkommen der Internationalem Arbeitsorganisation über die Nachtarbeit der Frauen im Gewerbe keine Ausnahme für Backwarenerzeugungsbetriebe - keine Bedenken gegen §9 BäckereiarbeiterG im Hinblick auf den GleichheitsgrundsatzSpruch
Der Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Der angefochtene Berufungsbescheid des Landeshauptmannes von Tirol bestätigt ein Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schwaz, worin über den Bf. nach §18 Abs1 iVm §9 BäckereiarbeiterG unter Bedachtnahme auf einschlägige Vorstrafen eine Geldstrafe von 15.000 Schilling (Ersatzarreststrafe 15 Tage) verhängt wurde, weil er als Inhaber und Verantwortlicher eines Bäckereibetriebes am 18. Jänner 1986 eine namentlich genannte weibliche Arbeitnehmerin schon um
2.30 Uhr zur Arbeitsleistung herangezogen hat.
Die vorliegende Beschwerde rügt die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte. Das Nachtarbeitsverbot diskriminiere das weibliche Geschlecht, weil Frauen für die Arbeit in Bäckereien ebenso geeignet seien wie Männer und das Nachtarbeitsverbot in Bäckereien heute ebensowenig begründet sei wie in anderen Betriebszweigen, in denen Nachtarbeit erlaubt werde. Es nehme Frauen die Möglichkeit, steuerfreie Nachtzuschläge und Erschwerniszuschläge zu verdienen. Der Bf. müsse eine Gruppe von Arbeitswilligen von der Bewerbung um einen Arbeitsplatz ausschließen und sei dadurch auch in seinen eigenen Kalkulationen betroffen. Die 1948 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedete Erklärung der Menschenrechte sichere jedem Menschen das Recht auf Arbeit zu und verwerfe jede unterschiedliche Behandlung hinsichtlich des Lohnes (Art23), die Europäische Menschenrechtskonvention schütze mit der (persönlichen) Freiheit auch jedermanns Erwerbsfreiheit (Art5) und die Europäische Sozialcharta (Teil I) garantiere jedermann die Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt durch eine frei übernommene Tätigkeit zu verdienen (Z1); auch das dort geforderte gerechte Arbeitsentgelt (Z4) gewähre der Frau gleiche Verdienstmöglichkeit wie dem Mann, das Recht auf volle Entfaltung der Familie (Z16) verlange, daß die Ehefrau und Mutter sich die Arbeitszeit selbst einteilen könne, und die Gleichberechtigung der Angehörigen anderer Staaten in der Erwerbstätigkeit (Z18) schließe umsomehr eine Ungleichbehandlung von Frauen "ohne schwerwiegende wirtschaftliche oder soziale Gründe" aus; zudem schütze der Weltsozialpakt das Recht auf frei gewählte Arbeit (Art6). Was aber für die Arbeitnehmerin gelte, könne gleichermaßen ihr Arbeitgeber in Anspruch nehmen.
Der belangte Landeshauptmann hat die Akten vorgelegt, aber auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet. Der Gerichtshof hat die Beschwerde auch dem mit der Vollziehung des BäckereiarbeiterG betrauten Bundesminister für Arbeit und Soziales mit der Einladung bekanntgegeben, zu den verfassungsrechtlichen Bedenken der Beschwerde Stellung zu nehmen. Der Bundesminister verweist zunächst darauf, daß Regelungen über die Nachtarbeit von Frauen überhaupt und in Bäckereibetrieben insbesondere seit jeher einen wesentlichen Bestandteil des Arbeitsrechtes gebildet hätten; schon die erste Tagung der Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation habe ein Übereinkommen über die Nachtarbeit der Frauen angenommen. Dem Verbot lägen sozialpolitische und familienpolitische Überlegungen zugrunde:
"Aufgrund zahlreicher wissenschaftlicher Untersuchungen kann als unbestritten gelten, daß Nachtarbeit die Gesundheit gefährdet und zu sozialen und familiären Problemen führt (siehe dazu insbesondere die Hinweise in den EB zur RV eines Nachtschicht-Schwerarbeitsgesetzes, 720 dBlgNR, XV. GP, S 7 - 9; Studie des Institutes für Umwelthygiene der Universität Wien, herausgegeben vom Institut für Gesellschaftspolitik, 1979 bis 1986). Die arbeitswissenschaftliche Forschung in der BRD hat sich eingehend mit der Frage beschäftigt, ob Frauen aufgrund ihrer biologischen und konstitutionellen Besonderheiten durch Nachtarbeit stärker gefährdet werden als Männer und ist dabei zu divergierenden Ergebnissen gekommen (siehe Kaiser, Das Nachtarbeitsverbot für Arbeiterinnen, Die Mitbestimmung Nr. 7/1986, Seite 346 ff mit weiteren Hinweisen).
Im Entwurf für ein neues Arbeitszeitgesetz (BRD) wird die Beibehaltung des Nachtarbeitsverbotes für Arbeiterinnen auf eine Empfehlung arbeitsmedizinischer Sachverständiger gestützt (siehe Anzinger, Zur Neuregelung des Frauenarbeitsschutzes im Entwurf eines Arbeitszeitgesetzes, Der Betrieb Nr. 45/1985, Seite 2352 ff). In diesem Zusammenhang ist auch auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichtes vom 25. Mai 1956, BVerfGE 5, 9, 12, betreffend die Vereinbarkeit des Nachtarbeitsverbotes gemäß §19 AZO mit dem Grundgesetz, hinzuweisen. Auf diese Entscheidung wird auch im Beschluß des Bundesverfassungsgerichtes vom 13. November 1979, BVerfGE 52, 369, 374 verwiesen (siehe Der Betrieb Nr. 8/1980, Seite 404). Mit den gesundheitspolitischen Rechtfertigungen des Nachtarbeitsverbotes für Frauen in Backwarenerzeugungsbetrieben hat sich das VG Berlin im Beschluß vom 19. Dezember 1979 auseinandergesetzt (NJW 19/1980, Seite 1066 f; Fundhefte für Arbeits- und Sozialrecht, Band 26, 2684).
Das Nachtarbeitsverbot kann auch mit der Doppelbelastung berufstätiger Frauen begründet werden. Das Familienrecht geht zwar nicht mehr von der primären Zuständigkeit der Frauen für Haushaltsführung und Kinderbetreuung aus, in der Realität werden diese Aufgaben aber überwiegend von Frauen wahrgenommen. Diese familiären Aufgaben verstärken die nachteiligen Auswirkungen der Nachtarbeit. So wird das mit Nachtarbeit generell verbundene Schlafdefizit durch die Rücksichtnahme auf Interessen der Familienmitglieder und den Tagesablauf der Kinder noch vergrößert. Das Nachtarbeitsverbot soll somit auch die berufstätige Frau vor einer Überbeanspruchung schützen (siehe Kaiser, Die Mitbestimmung 7/1986, Seite 346 ff; StenProtNR vom 25. Juni 1969, XI. GP, S 12355 - 12361, vom 30. Mai 1972, XIII. GP S 2524 - 2528, und vom 20. März 1986, XVI. GP, S 11973 12028)".
Derzeit habe Österreich das 89. Übereinkommen der Internationalen Arbeitskonferenz aus 1948 über die Nachtarbeit der Frauen im Gewerbe zu beachten. Das BG über die Nachtarbeit der Frauen gehe über die Anforderungen dieses Übereinkommens hinaus, erfasse nicht nur gewerbliche Betriebe und definiere einen längeren Zeitraum als Nacht, nehme dafür aber bestimmte Branchen und Tätigkeiten vom Verbot aus, und zwar teils wegen zwingender betrieblicher und öffentlicher Interessen, teils wegen der Berufschancen der Frauen. So sei in bestimmten Branchen ein durchlaufender Betrieb unerläßlich und ohne die Beschäftigung von Frauen nicht aufrecht zu erhalten. In anderen Fällen könne ein Nachtarbeitsverbot einem Berufsverbot gleichkommen; so vor allem für qualifizierte Dienstnehmerinnen mit guter Durchsetzungsfähigkeit und besseren Gestaltungsmöglichkeiten. Die Ausnahmen beträfen Bereiche, die nicht als gewerbliche Betriebe im Sinne des Übereinkommens anzusehen seien oder erlaubten die Beschäftigung nur innerhalb des vom Übereinkommen noch ermöglichten zeitlichen Rahmens (der die Zeit zwischen 24 Uhr und 5 Uhr ausschlösse). Backwarenerzeugungsbetriebe seien gewerbliche Betriebe iSd Übereinkommens.
II. Die Beschwerde ist nicht begründet.
1. §9 BäckereiarbeiterG, BGBl. 69/1955 (BäckArbG) bestimmt, daß weiblichen Dienstnehmern eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf aufeinanderfolgenden Stunden zu gewähren ist, die die Zeit zwischen zwanzig Uhr und fünf Uhr in sich schließen muß. Diese Vorschrift verbietet dem Bf. die Beschäftigung von Frauen während der Nachtzeit. Wäre dieses Verbot gleichheitswidrig (unsachlich), dann wäre er - wegen Anwendung einer gleichheitswidrigen Norm - im Gleichheitsrecht verletzt. Wieweit auch die anderen vom Bf. herangezogenen Vorschriften verfassungsgesetzliche Rechte gewährleisten, kann hier dahingestellt bleiben: Da ein allfälliger Verfassungsverstoß dann durch §9 BäckArbG bewirkt würde, wäre der Bf. jedenfalls wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten, und zwar im Hinblick auf die verhängte Geldstrafe insbesondere auch im Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt.
Der VfGH hat daher auf das Beschwerdevorbringen ohne Rücksicht darauf einzugehen, ob und wem die darin erwähnten Bestimmungen gegebenenfalls Rechte einräumen.
2. §9 BäckArbG muß im Zusammenhang mit dem BG über die Nachtarbeit der Frauen, BGBl. 237/1969 (FrNArbG), gesehen werden. Nach diesem Gesetz dürfen Dienstnehmerinnen während der Nacht, das ist ein Zeitraum von mindestens elf aufeinanderfolgenden Stunden, der die Zeit zwischen 20 Uhr und 6 Uhr einschließt, nicht beschäftigt werden (§3). Für Dienstnehmerinnen, auf welche das Bäckereiarbeitergesetz Anwendung findet, gelten diese Vorschriften nicht (§2 Abs2 litg id Stammfassung = §2 Abs3 litd idF BGBl. 209/1986). Aus historischen und legistischen Gründen ist die Arbeitszeit der Dienstnehmer, die in Backwaren-Erzeugungsbetrieben bei der Erzeugung von Backwaren verwendet werden (Bäckereiarbeiter) im BäckArbG geregelt:
Die Verwendung von Frauen zur Nachtarbeit zwischen 8 Uhr abends und 5 Uhr morgens war in fabrikmäßig betriebenen Unternehmen schon durch die Gewerbeordnungsnovelle 1885 untersagt worden (§96b Satz 3 GewerbeO). Ein 1906 in Bern abgeschlossenes internationales Übereinkommen, RGBl. 64/1911, sah das Verbot der Frauennachtarbeit in industriellen Unternehmungen mit mehr als zehn Beschäftigten vor, wobei die Nachtruhe von mindestens elf Stunden den Zeitraum von 10 Uhr abends bis 5 Uhr morgens einschließen sollte. In Ausführung dieses Übereinkommens untersagte ein eigenes Gesetz vom 21. Feber 1911, RGBl. 65, solchen Unternehmungen die Beschäftigung von Frauen zwischen 8 Uhr abends und 5 Uhr morgens; für den Bergbau traf RGBl. 237/1911 die gleiche Regelung.
Für Bäckereien wurde 1917 durch V (RGBl. 54) ein generelles Nachtarbeitsverbot (für Männer und Frauen) zwischen 9 Uhr abends und 5 Uhr morgens erlassen. Diese Maßnahme wurde 1919 durch gleichartige Vorschriften des Bäckereiarbeitergesetzes (StGBl. 217) abgelöst; erst 1933/34 wurde das Verbot der Nachtarbeit gelockert (BGBl. 212/1933, 570/1933, 391/1934 II). Ein Verbot jeder Nachtarbeit zwischen 8 Uhr abends und 4 Uhr morgens galt bis zur Erlassung des geltenden BäckArbG 1955 weiter, wurde in das neue Gesetz übernommen und für Frauen durch den in Rede stehenden §9 BäckArbG ergänzt. Erst 1975 wurde das generelle Nachtarbeitsverbot für Bäckereien aufgehoben (BGBl. 348).
Das 1911 verfügte Verbot der Nachtarbeit für Frauen ging in das Gesetz vom 14. Mai 1919, StGBl. 281, über das Verbot der Nachtarbeit der Frauen und Jugendlichen in gewerblichen Betrieben ein. Ein im selben Jahr von der Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation in Washington angenommenes, dem Vertrag von 1906 nachgebildetes Übereinkommen (Nr. 4) betreffend die Nachtarbeit der Frauen wurde von Österreich 1924 ratifiziert (BGBl. 226). Die 1939 eingeführte Arbeitszeitordnung (DRGBl. I S 447) galt nur für Arbeiterinnen (und nicht auch für weibliche Angestellte) und umfaßte die Zeit zwischen 20 Uhr und 6 Uhr, kannte aber zahlreiche Ausnahmen. 1950 trat Österreich dem 1948 in San Francisco neu gefaßten Übereinkommen (Nr. 89) der Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation über die Nachtarbeit der Frauen im Gewerbe bei (BGBl. 229), in dessen Ausführung 1969 das geltende FrNArbG erging (das auf Dienstnehmerinnen in Bäckereien im Hinblick auf §9 BäckArbG nicht Anwendung findet).
Die Entstehungsgeschichte der einschlägigen Vorschriften macht deutlich, daß das Nachtarbeitsverbot für Bäckereiarbeiterinnen als solches nicht etwa auf die Eigenart der in Bäckereien anfallenden Arbeiten, sondern auf den allgemeinen Schutz der Frauen vor Nachtarbeit zurückzuführen und insofern nur Teil eines allgemeinen Verbotes der Frauennachtarbeit ist, das in unterschiedlichen Vorschriften verwirklicht wird. Den besonderen Erfordernissen des Bäckereibetriebes trägt es unter anderem dadurch Rechnung, daß es die Arbeit schon um fünf Uhr früh erlaubt. Es wäre daher verfehlt zu fragen, ob gerade in Bäckereibetrieben ein Nachtarbeitsverbot erforderlich ist. In Frage stehen kann nur, ob etwa das allgemeine Verbot der Frauennachtarbeit, das auch in §9 BäckArbG zum Ausdruck kommt, als unsachlich zu werten ist, ob allenfalls irgendwelche besonderen Umstände eine Ausnahme vom allgemeinen Verbot gerade für Bäckereien verlangen, und schließlich, ob im Hinblick auf die im Gesetz enthaltenen Ausnahmen vom Frauennachtarbeitsverbot auch die Bäckereiarbeiterinnen auszunehmen wären.
3. Die Beschwerde macht in erster Linie geltend, das Nachtarbeitsverbot für Frauen in Bäckereien sei infolge der technischen Entwicklung der letzten beiden Jahrzehnte überflüssig geworden. Die schweren Arbeiten von einst seien weggefallen, Mischen und Formen, sowie Einschießen geschehe überall maschinell, überall seien "Semmelstraßen" und "Backstraßen" eingerichtet und das Tragen schwerer Mehlsäcke sei weggefallen, weil das Mehl maschinell aus Silos abgerufen werde. Es gebe keine die Frau stärker treffende Belastung.
Dieses Vorbringen geht am Inhalt und Zweck des §9 BäckArbG vorbei. Das Nachtarbeitsverbot trifft eben nicht nur Bäckereien, sondern alle Gewerbebetriebe, und es trifft die Frauennachtarbeit als solche. Auf Besonderheiten der zu leistenden Arbeit stellt weder das BäckArbG noch das FrNArbG ab. Arbeitstechnische Erleichterungen im Betrieb von Bäckereien könnten daher das Nachtarbeitsverbot für Bäckereiarbeiterinnen nur dann in Frage stellen, wenn es verfassungsrechtlich geboten wäre, zwischen schwerer und leichter Nachtarbeit zu unterscheiden.
In der Tat sind Zweifel möglich, ob ein Nachtarbeitsverbot gerade für Frauen ohne jede Rücksicht auf die Schwere der Arbeit gerechtfertigt ist. Es ist zwar unbestritten, daß die Nachtarbeit ungünstige Auswirkungen hat. Ob aber die Nachtarbeit als solche für Frauen nachteiliger ist als für Männer, steht nicht eindeutig fest. Zumindest ist einzuräumen, daß es auch beachtliche Gründe gegen eine solche Beschränkung der Erwerbstätigkeit von Frauen gibt. Andrerseits sind Frauen aber bei den gegenwärtigen Verhältnissen auf dem Arbeitsmarkt doch (noch) häufig besonderem Druck zur Übernahme von Nachtarbeit ausgesetzt, da es ihnen diese ermöglicht, sich tagsüber häuslichen Angelegenheiten zu widmen. Die einschlägigen internationalen Übereinkommen von 1906 bis 1948 zeigen, daß die beteiligten Kreise das Verbot der Nachtarbeit zum Schutz der Frauen vor unerwünschten Folgen wirtschaftlicher Zwänge für dringend notwendig gehalten haben und noch halten. Die Vorteile dieses Schutzes gegen die Nachteile des Verbotes abzuwägen ist aber die wesentliche Aufgabe des Gesetzgebers. Er darf dabei insbesondere auch den Bestand internationaler Abkommen und die möglichen Auswirkungen ihrer Nichterfüllung oder Kündigung, auch im Hinblick auf die internationalen Bemühungen im Interesse der Verbesserung des Arbeitnehmerschutzes in anderen Ländern mit in Betracht ziehen. Es ist daher nicht unsachlich, wenn er dem international anerkannten Schutzbedürfnis der Frauen Rechnung trägt. Den Gleichheitssatz verletzt §9 BäckArbG unter diesem Gesichtspunkt nicht. Die vom Bf. aufgezeigten Nachteile sind eben im Interesse ihres Schutzes vor anderen - weitergehenden und gefährlicheren - Nachteilen hinzunehmen, auch wenn vielleicht im Einzelfall solche Nachteile nicht eintreten. Ebensowenig kann einem der vom Bf. für seinen Standpunkt herangezogenen, die Freiheit der Arbeit und der Berufswahl und die Gleichberechtigung betonenden internationalen Übereinkommen ein Sinn unterstellt werden, mit dem das 89. Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation unvereinbar wäre. Unter diesen Umständen erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob und wieweit diese Übereinkommen den Gesetzgeber überhaupt verpflichten oder sonstige innerstaatliche Wirkung haben.
4. Die Beschwerde macht auch geltend, daß (nach dem FrNArbG) im Verkehrswesen, im Fernmeldewesen, im Beherbergungswesen, in Verlagen von Tageszeitungen, bei Musikaufführungen und Theatervorstellungen und ähnlichem sowie im Gesundheitswesen Frauen die Nachtarbeit erlaubt und im Vergleich damit das Verbot der Nachtarbeit in Bäckereien nicht zu rechtfertigen sei. Sie wirft damit die Frage auf, ob der Gesetzgeber nicht die Nachtarbeit in Bäckereien hätte erlauben müssen, weil sie Eigenheiten aufweist, die für sich allein oder im Vergleich mit anderen erlaubten Formen der Nachtarbeit die Ausnahme erfordern. In Betracht käme dabei vor allem die dauernde Notwendigkeit von Nachtarbeit in Bäckereibetrieben.
Ob in einem Wirtschaftszweig dauernd Nachtarbeit erforderlich ist, wird allerdings im internationalen Übereinkommen nicht berücksichtigt. Das Übereinkommen verbietet die Nachtarbeit in allen - beispielhaft umschriebenen "gewerblichen Betrieben". Dazu zählt es jedenfalls Betriebe, in denen Gegenstände hergestellt, umgeändert, fertiggestellt und verkaufsbereit gemacht werden oder in denen Stoffe umgearbeitet werden (Art1 Abs1 litb), also auch Backwaren-Erzeugungsbetriebe. Angesichts der Schwierigkeit, konkrete Arbeitsbedingungen mit den Lebensumständen einzelner Arbeitnehmer wertend abzuwägen, kann der Gesetzgeber diese grobe Abgrenzung übernehmen; er kann also zwischen "gewerblichen Betrieben" iSd Übereinkommens und anderen (im Übereinkommen nicht beschriebenen) Bereichen unterscheiden, in denen insgesamt die Gefahr der Verwendung von Frauen zur Nachtarbeit weniger groß oder aber ihre Verwendung besonders dringlich ist.
Auf den beschränkten Geltungsbereich des Übereinkommens und die im Übereinkommen zugelassenen Ausnahmen nimmt auch das FrNArbG in zahlreichen Bestimmungen Bedacht. Der vom Bf. geltend gemachte dauernde Bedarf an Arbeitskräften in Bäckereien für die frühen Morgenstunden kann keiner der im Übereinkommen zugelassenen Ausnahmen unterstellt werden und die in der Beschwerde vergleichend herangezogenen Ausnahmen von den Vorschriften des FrNArbG liegen außerhalb des Anwendungsbereiches des Übereinkommens. Wenn der Gesetzgeber in Übereinstimmung mit dem Übereinkommen für gewerbliche Betriebe und daher auch für Backwaren-Erzeugungsbetriebe keine Ausnahme vorsieht, die eine Früharbeit vor 5 Uhr (dem Ende der Zeitspanne von sieben Stunden ab dem frühestmöglichen Beginn um 10 Uhr) ermöglicht, kann ihm auch insoweit nicht Unsachlichkeit vorgeworfen werden.
Die Beschwerdevorwürfe erweisen sich daher als unbegründet. Aus dem Blickwinkel des Beschwerdefalles sind gegen §9 BäckArbG keine Bedenken entstanden. Auch sonst ist keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hervorgekommen. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.
Da von einer mündlichen Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war, hat der Gerichtshof von einer mündlichen Verhandlung abgesehen (§19 Abs4 VerfGG idF BGBl 297/1984).
Schlagworte
Arbeitnehmerschutz / NachtarbeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1988:B806.1987Dokumentnummer
JFT_10119370_87B00806_00