Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §59;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Puntigam, über die Beschwerde 1. N-GesmbH und 2. M gegen den Bescheid
des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 17. September 1990, Zl. 311.522/3-III-3/90, betreffend Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: O-GesmbH in X), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und der mitbeteiligten Partei solche in der Höhe von S 11.360,-- jeweils zu gleichen Teilen binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 17. September 1990 erkannte der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten u.a. über die Berufungen der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 20. Juni 1990, Zl. Ge-7067/33-1990, gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 dahin, daß dieser Bescheid behoben werde. Hiezu wurde ausgeführt, auf Grund des Ansuchens der mitbeteiligten Partei um gewerbebehördliche Genehmigung einer Kunststoffverarbeitungsbetriebsanlage auf der GP 3051/23, KG X, sei diese mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 7. März 1988 genehmigt worden. Eine dagegen erhobene Berufung der Erstbeschwerdeführerin habe der Landeshauptmann von Oberösterreich mit Bescheid vom 28. Juli 1988 im Grunde des § 42 AVG 1950 iVm. § 356 Abs. 3 GewO 1973 als unzulässig zurückgewiesen. Dagegen habe die Erstbeschwerdeführerin Berufung an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten erhoben, der mit Bescheid vom 24. Jänner 1989 dieser gemäß § 356 Abs. 3 GewO 1973 Folge gegeben und den vorangeführten Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 28. Juli 1988 behoben habe. Auf Grund einer dagegen erhobenen Verwaltungsgerichtshofbeschwerde der mitbeteiligten Partei sei der Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 24. Jänner 1989 mit Erkenntnis vom 24. April 1990, Zl. 89/04/0178 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben worden. Der Bundesminister sei daher verpflichtet gewesen, gemäß § 63 VwGG einen der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Ersatzbescheid zu erlassen. Mit diesem Bescheid vom 14. August (richtig wohl: September) 1990 sei die Berufung der Erstbeschwerdeführerin gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 28. Juli 1988 im zweiten Rechtsgang abgewiesen und damit die Zurückweisung der Berufung dieser Berufungswerberin gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 7. März 1988 bestätigt worden. Zwischenzeitig habe auf Grund des Bescheides des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 24. Jänner 1989 der Landeshauptmann von Oberösterreich ein ergänzendes Ermittlungsverfahren durchgeführt, mit Bescheid vom 20. Juni 1990 den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 7. März 1988 mit Ausnahme der Kostenentscheidung behoben und eine Genehmigung der Betriebsanlage in Form einer völligen Neufassung des Spruches erteilt. Zufolge des Bescheides des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 14. September 1990 sei der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 7. März 1988 in Rechtskraft erwachsen. Es fehle daher für einen Bescheid der Behörde zweiter Instanz die Rechtsgrundlage. Dieser sei daher auf Grund der Berufungen der Beschwerdeführer zu beheben gewesen, ohne daß auf die Berufungsausführungen näher einzugehen gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - gleichwie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Dem gesamten Vorbringen zufolge erachten sich die Beschwerdeführer in dem Recht auf materielle Entscheidung über ihre Berufungen unter Abstandnahme vom Ausspruch über eine Behebung des hievon betroffenen Bescheides des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 20. Juni 1990 verletzt. Sie bringen hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhalts bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften unter Darstellung des bisherigen Verfahrensganges vor, auf Grund eines weiteren Antrages der mitbeteiligten Partei um gewerbebehördliche Genehmigung einer Betriebsanlage habe die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land mit Bescheid vom 6. Oktober 1989, Ge-3162/89, die gewerbebehördliche Genehmigung erteilt. Gegen diesen Bescheid hätten u.a. sie Berufung erhoben. Mit Bescheid vom 20. Juni 1990 habe der Landeshauptmann von Oberösterreich den vorangeführten Genehmigungsbescheid abgeändert und habe den (genehmigenden) Spruch dieses Bescheides neu gefaßt. Die belangte Behörde verkenne offenbar den Gegenstand des Verfahrens. Gegenstand des Verfahrens sei nicht, worüber die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land mit Bescheid vom 7. März 1988, entschieden habe, sondern worüber die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land mit dem vorangeführten Bescheid vom 6. Oktober 1989 abgesprochen habe. Die mitbeteiligte Partei habe nämlich zwei Anträge um gewerbebehördliche Genehmigung gestellt, wobei über den ersten Antrag die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land mit Bescheid vom 7. März 1988 und über den zweiten - gegenständlichen - erweiterten Antrag mit Bescheid vom 6. Oktober 1989 entschieden habe. Eine allfällige Rechtskraft des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 7. März 1988 sei daher für das gegenständliche Verfahren völlig belanglos. Der Landeshauptmann von Oberösterreich habe in seinem Bescheid vom 20. Juni 1990 auch ausschließlich über den nach dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 7. März 1988 eingebrachten Genehmigungsantrag vom 27. Dezember 1988 und den darüber absprechenden Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 6. Oktober 1989 entschieden. Der erste Antrag sowie der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 7. März 1988 sei in keiner Weise Gegenstand dieser Entscheidung des Landeshauptmannes von Oberösterreich. Offenbar habe die belangte Behörde - die sich mit dem Inhalt dieser Berufungen nicht beschäftigt habe - den Inhalt beider Verwaltungsakten verwechselt, weshalb ihre Begründungsdarlegungen völlig unzutreffend seien, was sich auch bei nur oberflächlicher Durchsicht des Bescheides des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 20. Juni 1990 zweifelsfrei ergebe.
Die belangte Behörde brachte in ihrer Gegenschrift u.a. vor, es gehe schon aus Spruchteil I des Bescheides des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 20. Juni 1990 hervor, daß mit diesem der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 7. März 1988 behoben werde. Dieser Bescheid sei daher auf Grund der Berufungen der Beschwerdeführer mit dem angefochtenen Bescheid zu beheben gewesen, zumal eine Trennbarkeit beider Ansuchen nicht möglich erschienen sei.
Die mitbeteiligte Partei führte in ihrer Gegenschrift u.a. aus, wenn man die Annahme vertrete, daß der Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 20. Juni 1990 zumindest auch teilweise jene Bereiche umfasse, die schon (rechtskräftig) genehmigt seien (nämlich mit dem sozusagen rückwirkend rechtskräftig gewordenen erstinstanzlichen Bescheid vom 7. März 1988), so sei die Aufhebung des Bescheides des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 20. Juni 1990 durch den angefochtenen Bescheid zu Recht erfolgt, weil diesem Bescheid dann die Rechtskraft des erstinstanzlichen Bescheides vom 7. März 1988 entgegenstehen würde.
Wie sich aus der Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens ergibt, hatte der Landeshauptmann von Oberösterreich mit dem in Rede stehenden Bescheid vom 20. Juni 1990 wie folgt abgesprochen:
"BESCHEID
Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat mit dem Bescheid vom 7. März 1988, Ge-3100-1988, über den Antrag der O-GesmbH die Errichtung und den Betrieb einer Kunststoffverarbeitungsanlage auf dem Grundstück Nr. 3051/23 der KG X gewerbebehördlich GENEHMIGT.
Dieser Bescheid ist auf Grund von Nachbarberufungen nicht in Rechtskraft erwachsen; die Berufungsentscheidung hierüber ist auf Grund des ministeriellen Bescheides vom 24. Jänner 1989 vom Landeshauptmann zu treffen.
Mit Eingabe vom 27. Dezember 1988 hat die O-GesmbH ihren Genehmigungsantrag durch Einreichung eines Projektes für verschiedene bauliche Erweiterungsmaßen ABGEÄNDERT. Dieses abgeänderte Projekt wurde von der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land mit Bescheid vom 6. Oktober 1989, Ge-3162/1988, unter Vorschreibung von Auflagen gewerbebehördlich genehmigt. Die Einwendungen einer Reihe von Nachbarn hinsichtlich einer Gefährdung der Gesundheit sowie einer Belästigung durch Rauch, Gas, Staub, Geruch und Lärm, Gefährdung und Verunreinigung des Grundwassers, Entstehen giftiger Dämpfe im Brandfall und Zerstörung der Ozonschicht wurden als unbegründet abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid haben Nachbarn berufen.
Nach Durchführung eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens, insbesondere einer mündlichen Berufungsverhandlung am 22. März 1990, erläßt der Landeshauptmann von Oberösterreich als Organ der mittelbaren Bundesverwaltung in II. Instanz gemäß § 66 Abs. 4 des AVG 1950 nachstehenden
SPRUCH:
I. Der Genehmigungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 7. März 1988, Ge-3100-1988, wird mit Ausnahme der Kostenentscheidung behoben.
II. Den Berufungen wird gemäß § 77 der GewO 1973 idgF. sowie gemäß § 59 des AVG 1950 insoferne Folge gegeben, als der Genehmigungsbescheid vom 6. Oktober 1989, Ge-3162/1988, durch folgende Neufassung des Spruchabschnittes I abgeändert wird; der Abspruch über die Nachbareinwendungen bleibt aufrecht:
"I. Genehmigung:
Dem Ansuchen wird Folge gegeben und der O-GesmbH wird gemäß § 77 der GewO 1973 idGF und gemäß § 27 Abs. 2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes die Errichtung und der Betrieb der nachstehend beschriebenen Kunststoffverarbeitungsanlage auf dem Grundstück Nr. 3051/23 der KG X unter Zugrundelegung der im folgenden bezeichneten technischen Unterlagen gewerbebehördlich genehmigt:
..."
Dieser Ausspruch wurde zu I. - nach Darstellung des bereits wiedergegebenen Verfahrensganges - damit begründet, der Genehmigungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 7. März 1988 - mit dem über ein Ansuchen der mitbeteiligten Partei vom 3. Dezember 1987 erkannt worden sei - sei durch den Genehmigungsbescheid dieser Behörde vom 6. Oktober 1989 - mit dem unabhängig vom dargestellten Verfahrensverlauf über das Genehmigungsansuchen der mitbeteiligten Partei vom 27. Dezember 1988, bei dem es sich um einen durch verschiedene bauliche Erweiterungsmaßnahmen abgeänderten Genehmigungsantrag handle, abgesprochen worden sei - gegenstandlos geworden, weshalb er aufzuheben und somit eine Entscheidung über die erste Berufung der Erstbeschwerdeführerin nicht mehr zu treffen gewesen sei. Abschließend wurde u.a. auch ausgeführt, die Neufassung des Spruchabschnittes I sei zur Konkretisierung des Gegenstandes der Genehmigung gemäß § 59 AVG 1950 erfolgt.
Entgegen der Meinung der Beschwerdeführer erkannte daher der Landeshauptmann von Oberösterreich mit Bescheid vom 20. Juli 1990 sowohl - und zwar in Form einer Behebung - über den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 7. März 1988 als auch gemäß § 77 GewO 1973 über den Genehmigungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 6. Oktober 1989.
Nach der Bestimmung des § 77 Abs. 1 GewO 1973 ist eine Betriebsanlage bei Zutreffen der dort angeführten Voraussetzungen unter Vorscheibung allenfalls erforderlicher Auflagen zu genehmigen, wogegen die Bestimmung des § 81 Abs. 1 GewO 1973 die Genehmigungspflicht einer Änderung einer bereits genehmigten Betriebsanlage unter den dort angeführten Voraussetzungen normiert.
Ausgehend von der dargestellten Sach- und Rechtslage kann aber jedenfalls im Ergebnis in Ansehung des Abspruches des angefochtenen Bescheides der belangten Behörde keine rechtswidrige Gesetzesanwendung angelastet werden, wenn sie auf Grund der Berufungen der Beschwerdeführer den hievon betroffenen Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich zur Gänze behob, da dessen Spruch-, und Begründungsdarlegungen eine Trennbarkeit der Bescheidabsprüche zu Spruchpunkte I und II - es müßte sich bei der vom Spruchpunkt II betroffenen Genehmigung um einen unabhängig von dem entsprechend der Annahme der belangten Behörde im Hinblick auf den dargestellten Verfahrensstand in Rechtskraft erwachsenen Genehmigungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 7. März 1988 zu treffenden Abspruch handeln - nicht zu erkennen ist. Nur in diesem Fall wäre nämlich ein neuerlicher Genehmigungsabspruch durch die Bestimmung des § 77 GewO 1973 gedeckt, da andernfalls bei Vorliegen eines Änderungstatbestandes über ein diesem Umstand Rechnung tragendes Genehmigungsansuchen der mitbeteiligten Partei entsprechend den Bestimmungen des § 81 GewO 1973 abzusprechen gewesen wäre.
Abweichend von der in der Äußerung zur Gegenschrift der belangten Behörde zum Ausdruck gebrachten Annahme der Beschwerdeführer konnte daher die belangte Behörde nicht unabhängig von diesen Überlegungen einen in Ansehung der Spruchpunkte I und II des zweitbehördlichen Bescheides unterschiedlichen Sachabspruch treffen, und es steht auch ihr Abspruch nicht etwa einem (neuerlichen) Abspruch der zweitinstanzlichen Behörde in Ansehung ihrer gegen den erstbehördlichen Bescheid vom 6. Oktober 1989 erhobenen Berufung entgegen.
Die Beschwerde erweist sich somit im Rahmen der dargestellten Beschwerdepunkte als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhang mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens der mitbeteiligten Partei betrifft den über den zuerkannten Betrag hinausgehenden, durch die Verfahrenslage nicht gedeckten Kostenersatzanspruch für Stempelgebührenaufwand.
Schlagworte
Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990040314.X00Im RIS seit
19.03.1991