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L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde 1) des FN und 2) des PN gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 5. Juni 1986, Zl. MDR-B XIII-34/85, betreffend Anrainereinwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: Z-Wohnungsbau-GmbH), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben der Bundeshauptstadt Wien zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Mag. Abt. 37 vom 14. Mai 1982 wurde der Mitbeteiligten gemäß §§ 70 und 61 der Bauordnung für Wien die baubehördliche Bewilligung erteilt, auf der Liegenschaft Wien nn., X-Gasse 9, ein dreistöckiges Wohnhaus mit ausgebautem Dachgeschoß zu errichten.
Da dieser Bescheid den beschwerdeführenden Nachbarn nicht zugestellt worden war, beantragten sie mit dem an die Baubehörde erster Instanz gerichteten Schriftsatz vom 22. Juli 1985 dessen Zustellung und erhoben, nachdem dies geschehen war, dagegen die Berufung.
Mit dem in Erledigung dieses Rechtsmittels ergangenen Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 5. Juni 1986 wurde daraufhin der erstinstanzliche Baubewilligungsbescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 durch Vorschreibung einiger zusätzlicher Auflagen ergänzt.
In dem für das verwaltungsgerichtliche Verfahren wesentlichen Teil der Begründung ihres Bescheides führte die Berufungsbehörde vor dem Eingehen auf die von den Beschwerdeführern geltend gemachten Lärmimmissionen aus, daß entgegen deren Auffassung der Zeitpunkt der Erlassung (Zustellung) des erstinstanzlichen Bescheides an die Parteien des Bewilligungsverfahrens für die Wirkungen, die mit der Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen gemäß § 11 der Bauordnung für Wien verbunden seien, ohne Bedeutung sei. Maßgebend sei, daß ein Bauansuchen innerhalb der Gültigkeitsdauer einer Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen eingebracht werde, sodaß die Dauer des Verfahrens und der Zeitpunkt der Bescheiderlassung ohne Bedeutung seien. In dem hier zu entscheidenden Fall sei die Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen dem am 1. Juli 1981 eingereichten Bauansuchen zwar erst am 4. August 1981 nachgereicht worden, doch bedeute dies bloß, daß erst am 4. August 1981 ein gehörig belegtes Bauansuchen vorgelegen sei. Änderungen des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes nach diesem Zeitpunkt hätten daher bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Bauvorhabens außer Betracht zu bleiben. Dem subjektiv-öffentlichen Recht des Bauwerbers auf weitere Maßgeblichkeit der bekanntgegebenen Bebauungsbestimmungen stehe kein subjektiv-öffentliches Recht der Nachbarn darauf gegenüber, daß während der Geltungsdauer einer zeitlich begrenzten Bausperre nur Projekte bewilligt werden, die dem überdeckten Bebauungsplan entsprechen und auch mit den beabsichtigten Änderungen des Bebauungsplanes vereinbar seien. Nur wenn der Bauwerber sein Projekt während der Geltung einer zeitlich begrenzten Bausperre einreiche und dieses mit keiner noch vorher erwirkten Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen belegen könne, komme das genannte subjektiv-öffentliche Recht der Nachbarn zum Tragen. Es dürfe nicht unerwähnt bleiben, daß die Annahme, den Nachbarn stünde während der Geltung einer Bausperre das Recht auf Berücksichtigung irgendwelcher anderer als der dem Bauwerber bekanntgegebenen Bebauungsbestimmungen zu, geradezu systemwidrig wäre. Aus § 11 der Bauordnung für Wien ergebe sich nämlich eindeutig, daß die bekanntgegebenen Bebauungsbestimmungen selbst dann weiter wirksam bleiben, wenn eine Änderung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes nicht bloß beabsichtigt, sondern bereits beschlossen sei. Aus der Verhängung einer zeitlich begrenzten Bausperre könnten die Nachbarn somit bei Vorliegen einer Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen keine subjektiv-öffentlichen, der Verwirklichung des Vorhabens entgegenstehenden Rechte ableiten.
Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Gemäß § 63 Abs. 1 lit. d der Bauordnung für Wien hat der Bauwerber dem Ansuchen um Baubewilligung die Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen bei Bauführungen, für die eine Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen erforderlich ist (§ 9 Abs. 1 lit. a), anzuschließen.
Die Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen ist zufolge § 9 Abs. 1 lit. a leg. cit. für jeden Neu-, Zu- oder Umbau zu beantragen, gleichgültig, ob der Bau unmittelbar an der Baulinie, Straßenfluchtlinie, Verkehrsfluchtlinie oder an der Baufluchtlinie errichtet wird oder nicht, sowie bei Herstellung einer fundierten Einfriedung im Bereich einer Baulinie, Straßenfluchtlinie, Verkehrsfluchtlinie oder Grenzfluchtlinie.
Schließlich ist im § 11 leg. cit. vorgesehen, daß die Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen auf die Dauer eines Jahres gilt und für alle innerhalb dieses Zeitraumes eingebrachten Ansuchen um Bewilligung eines der im § 9 Abs. 1 lit. a bis c genannten Vorhaben maßgebend ist. Wird neuerlich um Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen angesucht und haben sich diese nicht geändert, genügt die Bestätigung der Behörde über die weitere Gültigkeit der Bekanntgabe. Diese Bestätigung hat die gleiche Wirkung wie eine neuerliche Bekanntgabe.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erwächst dem Bauwerber daraus, daß er innerhalb der einjährigen Frist nach Ergehen (bzw. Bestätigung) des Bescheides über die Bebauungsbestimmungen ein Bauansuchen überreicht hat, ein subjektiv-öffentliches Recht, nach Maßgabe der so bekannten Bebauungsbestimmungen den Bau auch dann auszuführen, wenn nachher eine Änderung der generellen Normen, insbesondere auch die Verhängung einer Bausperre, eingetreten ist (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis vom 20. November 1967, Slg. N. F. Nr. 7223/A).
Diese Voraussetzungen sind im Beschwerdefall gegeben, weil das Bauansuchen für das in Rede stehende Wohnhaus am 1. Juli 1981 bei der Behörde eingereicht und - unbestritten - mit der am 4. August desselben Jahres bei der Behörde eingelangten Eingabe der Bescheid über die Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen nachgereicht worden ist, weshalb die Mitbeteiligte einen Anspruch darauf hatte, daß der Entscheidung über ihr Bauansuchen diese bescheidmäßig bekanntgegebenen Bebauungsbestimmungen zugrunde gelegt werden.
Wenngleich im Verwaltungsverfahren grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung der Verwaltungsbehörde letzter Instanz maßgebend ist, stellen die Bestimmungen des § 11 der Bauordnung für Wien in dieser Hinsicht eine Ausnahmeregelung dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 1986, Zl. 83/05/0007, BauSlg. Nr. 686), weshalb die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung über die Berufung der Beschwerdeführer von den erwähnten Bebauungsbestimmungen auszugehen und das Bauansuchen der Mitbeteiligten nicht etwa wegen der mittlerweile wirksam gewordenen zeitlich begrenzten Bausperre gemäß § 8 Abs. 2 der Bauordnung für Wien abzuweisen hatte.
Der von den Beschwerdeführern ins Treffen geführte Umstand, daß das Bauansuchen bereits am 1. Juli 1981 eingebracht worden, die Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen aber erst am 9. Juli 1981, also nach Einbringung des Bauansuchens erfolgt ist, kann an dem vorstehenden Beurteilungsergebnis nichts ändern, weil das Bauansuchen erst mit der - ohne Erteilung eines Verbesserungsauftrages im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG 1950 - erfolgten Vorlage des Bescheides über die Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen im Sinne des § 63 Abs. 1 lit. d der Bauordnung für Wien als ordnungsgemäß belegt anzusehen war, und der Sinn des § 11 leg. cit. offensichtlich darin besteht, dem Bauwerber einen Anspruch darauf einzuräumen, daß für den Fall der Einbringung eines Bauansuchens vor Ablauf der in dieser Bestimmung genannten einjährigen Frist die bescheidmäßig bekanntgegebenen Bebauungsbestimmungen auch dann maßgebend sein sollen, wenn nachher eine Änderung der generellen Normen, also insbesondere auch eine Bausperre, eingetreten ist.
Schließlich ist dem Vorbringen der Beschwerdeführer, "ein Rechtsübergang von Dipl.-Ing. L., dem ursprünglichen Bauwerber, auf die mitbeteiligte Partei" sei "nicht gehörig nachgewiesen", zu erwidern, daß es unter dem Gesichtspunkt der subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte der Beschwerdeführer im Sinne des § 134 Abs. 3 der Bauordnung für Wien belanglos ist, ob der erstinstanzliche Baubewilligungsbescheid dem ursprünglichen Bauwerber oder der Mitbeteiligten zuzustellen war, weshalb diesbezügliche Erwägungen entbehrlich sind.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
Schlagworte
Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und BeweiseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1986050107.X00Im RIS seit
19.03.1991Zuletzt aktualisiert am
19.02.2010