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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1968 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Hoffmann, Dr. Herberth, Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissär Dr. Kral, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. Mai 1990, Zl. 4.292.992/2-III/13/90, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Nationalität, reiste am 19. Februar 1990 mit Hilfe einer Schlepperorganisation in das Bundesgebiet ein und wurde am selben Tage von Sicherheitswachebeamten in Schubhaft genommen. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 26. Februar 1990 brachte der Beschwerdeführer vor, bereits Ende des Jahres 1989 sich entschlossen zu haben, nach Österreich zu reisen. Mit Hilfe seiner in der Schweiz lebenden Schwester sei er über Belgrad nach Österreich gereist. Er wolle nun nach Jugoslawien zurück und - falls er dort nicht bleiben könnte - in die Türkei zurückkehren, um dort einen Sichtvermerk für Schweden zu beantragen. Nach Aufhebung der Sichtvermerkspflicht für Österreich wolle er in das Bundesgebiet wieder einreisen. Am 2. März 1990 stellte der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsfreund Antrag auf Asylgewährung, weil er sich aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalitätszugehörigkeit, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe bzw. auf Grund seiner politischen Gesinnung außerhalb seines Heimatlandes befinde und nicht in der Lage bzw. gewillt sei, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen.
Am 5. März 1990 wurde der Beschwerdeführer von einer Vertreterin des Hochkommissars der Vereinten Nationen für das Flüchtlingswesen in Österreich befragt. Dabei erklärte der Beschwerdeführer, er habe wiederholt "Probleme" wegen seiner kurdischen Abstammung gehabt. Seit dem Jahre 1985 hätten ihm die türkischen Behörden vorgeworfen, Mitgliedern der PKK Unterschlupf gewährt zu haben, was jedoch nicht der Wahrheit entspreche. Im Sommer 1985 habe man ihn festgenommen und mit Elektroschocks gefoltert. In der Folge sei er im selben Jahr zu wiederholten Malen jeweils für einen Tag festgenommen und geschlagen worden. In den Jahren 1987/1988 hätte er seinen Militärdienst "ohne Probleme" absolviert. Seit dem Jahre 1985 seien keine besonderern Vorkommnisse erwähnenswert. Er hätte sich jedoch generell benachteiligt und unterdrückt gefühlt und keine Zukunftschance in der Türkei gesehen. In der Türkei sei er niemals politisch tätig gewesen. Man habe ihn mit der PKK in Verbindung gebracht, was jedoch nicht der Wahrheit entspräche. Er sei im Jahre 1985 wegen der Unterbringung zweier Verwandter, die der PKK angehört hätten, Verfolgungen (Folterungen) ausgesetzt gewesen. Sein Bruder lebe als Gastarbeiter in Deutschland und seine Schwester lebe als anerkannter Flüchtling in der Schweiz. Er hätte Unterlagen in der Schweiz, die sich auf ein Verfahren wegen der Unterbringung der PKK-Mitglieder bezögen. Im Falle seiner Abschiebung hätte er mit einer hohen Haftstrafe und Folterung zu rechnen, weil er einen Beamten der Paßbehörde bestochen habe, ihm einen Paß auszufolgen. Während seiner Polizeihaft im Jahre 1985 sei er mehrmals als Armenier bezeichnet und deshalb beleidigt worden.
Am 6. März 1990 wurde dem Rechtsfreund des Beschwerdeführers Kontaktaufnahme mit dem Beschwerdeführer in der Schubhaft gewährt. Eine dabei in Aussicht gestellte Ergänzung des Asylantrages wurde nach der Aktenlage nicht nachgereicht.
Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 5. April 1990 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei.
Gegen diesen Bescheid berief der Beschwerdeführer im wesentlichen mit der Begründung, nach der Haftentlassung im Jahre 1985 habe die Polizei ihn am nächsten Tage aufgesucht und ihn nochmals befragt und geschlagen. In der Folge sei die Polizei in Abständen von zwei bis drei Wochen erschienen und habe ihn verhört und mißhandelt. Seine ganze Familie sei ständig beobachtet worden und man habe seinen Bruder zum Militärdienst eingezogen. Trotzdem sei der Beschwerdeführer immer wieder über den Aufenthaltsort seines Brudes befragt worden. Er hätte auch keiner geregelten Arbeit nachgehen können. Nach Ableistung des Militärdienstes im Jahre 1987 sei er nach Istanbul gezogen um dort zu arbeiten. Man habe ihn jedoch wegen eines möglichen Naheverhältnisses zur PKK entlassen. Erst nach Bezahlung eines erheblichen Bestechungsgeldes habe er einen Reisepaß erhalten.
Auf Grund des widersprüchlichen Vorbringens des Beschwerdeführers wurde dieser am 11. Mai 1990 nochmals befragt, wobei er im wesentlichen ausführte, in seinem Dorf seien bewaffnete Angehörige der PKK erschienen, denen seine Familie stets Unterkunft und Verpflegung gewährt hätte. Er selbst habe für die PKK als deren Sympathisant Flugblätter verteilt. Im Sommer 1985 seien er und sein Vater unter dem Vorwurf, die PKK zu unterstützen, festgenommen worden. Der Beschwerdeführer und sein Vater seien 45 Tage angehalten und gefoltert worden. Nach der Haftentlassungen sei der Beschwerdeführer nach Istanbul gezogen, um Festnahmen zu entgehen. Von 1987 bis 1988 habe er seinen Militärdienst abgeleistet. Bis zur Ausreise nach Österreich habe der Beschwerdeführer in seinem Dorf gelebt. "Probleme" habe er in dieser Zeit "mit der Polizei" nicht gehabt; er sei ihr aus dem Weg gegangen. Im November 1989 habe er durch Bestechung einen Reisepaß erhalten.
Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus, der vom Beschwerdeführer dargelegte Vorfall aus dem Jahre 1985 weise keinen zeitlichen Bezug zu seiner Ausreise auf. Auch habe der Beschwerdeführer bei seiner Befragung am 5. März 1990 ausdrücklich erklärt, daß er in der weiteren Folge bis zur Ausreise keine nennenswerten Beeinträchtigungen erlitten hätte. Ebenso habe er vor der Behörde erster Instanz am 11. Mai 1990 angegeben, daß er nach der Ableistung des Militärdienstes in seinem Dorf gelebt und keine "Schwierigkeiten mit der Polizei" gehabt habe. Voraussetzung für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sei jedoch, daß den vom Asylwerber im Laufe des Verwaltungsverfahrens vorgebrachten Argumenten Furcht vor konkreter Verfolgung entnommen werden könne. Dies treffe im vorliegenden Fall nicht zu. Die Zugehörigkeit eines Asylwerbers zu einer Minderheit allein könne nicht als Grund für seine Anerkennung als Konventionsflüchtling angesehen werden. Die Mitgliederstaaten der Genfer Konvention machten gegenüber dem Heimatstaat des Asylwerbers keine Angaben über das Asylverfahren, daher erschienen die diesbezüglichen Bedenken im Falle der Rückkehr unbegründet. Glaubhaftmachung bedeute, daß keine Gründe vorlägen, an der Richtigkeit des Vorbringens zu zweifeln. Tatsächlich bestünden aber zwischen den einzelnen Angaben des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren gravierende Divergenzen und überdies nehme sein Vorbringen an Intensität zu. Erfahrungsgemäß machten Asylwerber gerade bei der ersten Befragung spontan jene Angaben, die der Wahrheit am nächsten kämen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser hat mit Beschluß vom 25. September 1990, B 790/90, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und sie samt Verwaltungsakten dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Vor dem Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und erachtet sich in seinem Recht, als Flüchtling anerkannt zu werden, verletzt. In Ausführung der Rechtsrüge der Verletzung von Verfahrensvorschriften bringt der Beschwerdeführer vor, die belangte Behörde habe einen Sachverhalt angenommen, der in wesentlichen Punkten auf Schlüssen beruhe, ohne daß entsprechende Verfahrensergebnisse vorlägen. Die Behörde habe es unterlassen, ausreichende Erhebungen vorzunehmen und sei ihrer Begründungspflicht nicht nachgekommen. Die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides erblickt der Beschwerdeführer darin, daß er in seinem Heimatland der Verfolgung durch Behörden ausgesetzt gewesen sei; er sei inhaftiert gewesen, gefoltert worden und habe keiner geregelten Arbeit nachgehen können.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtinge (Asylgesetz), in der Fassung BGBl. Nr. 796/1974, ist ein Fremder Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll, BGBl. Nr. 78/1974 erfüllt und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F dieser Konvention vorliegt. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne des Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Zentrale Erkenntnisquelle im Asylverfahren ist das eigene Vorbringen des Asylwerbers (vgl. die hg. Erkenntisse vom 10. Februar 1988, Zl. 86/01/0155, vom 30. Jänner 1991, Zl. 90/01/0177 u.a.m.). Entgegen der Beschwerdebehauptung gründen sich die Feststellungen der belangten Behörde auf das Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren und nicht auf Schlüsse. Die belangte Behörde war auch nicht verhalten, das Vorbringen des Beschwerdeführers durch Erhebungen bei den Behörden des Heimatlandes des Beschwerdeführers, dessen Schutz er gerade ablehnt, überprüfen zu lassen. Im übrigen hat die belangte Behörde auch den angefochtenen Bescheid ausreichend im Sinne des § 60 AVG begründet.
Der Verwaltungsgerichtshof ist auch wie die belangte Behörde der Ansicht, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Anhaltung und Mißhandlung im Jahre 1985 in keinem zeitlichen Bezug zu seiner mehr als vier Jahre späteren Ausreise steht, weil angesichts der inzwischen vergangenen beträchtlichen Zeitspanne, während der der Beschwerdeführer ohne gravierende Behelligung zumindest zeitweise einer geregelten Arbeit nachgehen und seinen Militärdienst ableisten konnte, von einer wohlbegründeten Furcht im Sinne der Konvention, die den Beschwerdeführer zur "Flucht" veranlaßt hätte, nicht mehr gesprochen werden kann. Daß dem Beschwerdeführer nach seinen Angaben ein Reisepaß nur durch Bestechung ausgestellt worden sei, fällt dabei nicht ins Gewicht.
Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991010015.X00Im RIS seit
20.03.1991