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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VStG §51 Abs5;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Baumann als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 2. Oktober 1990, Zl. MA 70-11/1527/89/Str, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 2. Oktober 1990 wurde der Beschwerdeführer dreier Übertretungen der StVO für schuldig befunden und hiefür bestraft.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid unter anderem wegen Verstoßes gegen die Vorschrift des § 51 Abs. 5 VStG 1950 für rechtswidrig, weil dieser nicht innerhalb eines Jahres ab Einbringung der Berufung erlassen (zugestellt) worden sei. Damit ist er im Recht:
Nach der ständigen hg. Rechtsprechung seit dem Erkenntnis vom 10. Juni 1985, Slg. Nr. 11 790/A, läuft die im § 51 Abs. 5 VStG 1950 normierte Frist ab dem Einlangen der Berufung bei der Behörde erster Instanz. Im Beschwerdefall war dies der 9. Oktober 1989, sodaß die erwähnte Frist am 9. Oktober 1990 geendet hat. Der Vorgang bei der Zustellung des angefochtenen Bescheides stellt sich nach dem bezüglichen Zustellnachweis so dar, daß der erste erfolglose Versuch der Zustellung zu eigenen Handen samt Ankündigung eines zweiten Zustellversuches am 5. Oktober 1990 erfolgte. Der zweite erfolglose Zustellversuch samt nachfolgender Hinterlegung des Schriftstückes beim Postamt war am 8. Oktober 1990 (Beginn der Abholfrist: 9. Oktober 1990).
Allerdings hat der Beschwerdeführer behauptet, vom 4. September bis 6. Oktober 1990 wegen Urlaubes in W. ortsabwesend gewesen zu sein. Zum Beweis dafür legte er einen Meldezettel über die An- und Abmeldung am Beginn bzw. Ende dieses Zeitraumes vor. Der zuständige Bedienstete der Gemeinde W. gab hiezu als Zeuge an, der Beschwerdeführer habe die An- und Abmeldung persönlich vorgenommen, ob er sich tatsächlich im genannten Zeitraum dort aufgehalten habe, könne der Zeuge nicht bestätigen.
Entgegen der Ansicht der belangten Behörde in ihrer Stellungnahme vom 27. Februar 1991 ist davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer seine Ortsabwesenheit für den Tag des ersten Zustellversuches samt Ankündigung des zweiten Zustellversuches ausreichend unter Beweis gestellt hat, zumal sich keine Anhaltspunkte etwa dafür ergeben, daß der Beschwerdeführer vorzeitig aus dem Urlaub zurückgekehrt und zwecks Abmeldung wieder an diesen gereist sei, um neuerlich danach an seinen Wohnort zurückzukehren.
Dieser Sachverhalt führt zu folgenden rechtlichen Erwägungen: Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 22. September 1987, Zl. 86/14/0170, (unter Hinweis auf Walter-Mayer, Das österreichische Zustellrecht, Fußnote 6 zu § 21 Zustellgesetz, und die dort zitierte zivilgerichtliche Rechtsprechung) die Rechtsansicht vertreten, daß das Ersuchen um Anwesenheit im Sinne des § 21 Abs. 2 erster Satz Zustellgesetz keine Wirkung entfaltet, wenn der Empfänger zum Zeitpunkt dieser Ankündigung (beim ersten erfolglosen Zustellversuch) von der Abgabestelle abwesend ist, womit auch eine Hinterlegung nach § 17 Zustellgesetz unzulässig wird. Daran ändert aber nach Ansicht des Gerichtshofes auch nichts, wenn der Empfänger VOR dem bestimmten zweiten Zustellversuch an die Abgabestelle zurückkehrt (vgl. Walter-Mayer, a.a.O.).
Für den vorliegenden Beschwerdefall ergibt sich daraus, daß die Hinterlegung der Sendung mit dem angefochtenen Bescheid am 8. Oktober 1990 unwirksam war und die Zustellung derselben erst am 10. Oktober 1990 (persönliche Ausfolgung an den Beschwerdeführer, vgl. § 7 Zustellgesetz), sohin außerhalb der Frist des § 51 Abs. 5 VStG 1950, erfolgte.
Entgegen der Ansicht der belangten Behörde in der Gegenschrift kam es nicht darauf an, ob in der Beschwerde zunächst als Zustelltag der 8. Oktober 1990 angegeben wurde. Weiters ist es unerheblich, wo sich der Beschwerdeführer vor seinem Urlaubsaufenthalt in W. aufgehalten hat. Soweit sich die belangte Behörde allerdings offenbar auf die Vorschrift des § 8 Zustellgesetz beruft, verkennt sie die Rechtslage: Abgesehen davon, daß eine Hinterlegung nach dieser Gesetzesstelle einer entsprechenden behördlichen Anordnung gemäß § 23 Abs. 1 Zustellgesetz bedarf, ist auch zu beachten, daß unter Änderung einer Abgabestelle im Sinne des § 8 lediglich eine dauernde Verlegung der Abgabestelle zu verstehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. November 1984, Slg. Nr. 11 575/A, nur Rechtsatz), was aber im Beschwerdefall nicht zutraf.
Die Jahresfrist des § 51 Abs. 5 VStG 1950 war am 9. Oktober 1990 abgelaufen, sodaß das erstinstanzliche Straferkenntnis mit diesem Tage in dem Sinne außer Kraft trat, daß es als aufgehoben galt. Ungeachtet dessen entschied die belangte Behörde meritorisch über die Berufung. Diese meritorische Entscheidung war verfehlt, weil ihr das sachliche Substrat fehlte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 1990, Zl. 89/18/0185). Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als inhaltlich rechtswidrig und war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
VerfahrensbestimmungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990020188.X00Im RIS seit
20.03.1991Zuletzt aktualisiert am
01.01.2009