Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §45 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Mag. Meinl und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Landesinvalidenamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 5. Februar 1990, Zl. OB 115-193.612-008, betreffend Neubemessung der Beschädigtenrente nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vorgeschichte des vorliegenden Beschwerdefalles wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das in derselben Sache ergangene, den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zugestellte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Mai 1988, Zl. 86/09/0043, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof den damals angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 14. November 1985 aus den folgenden Gründen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben:
Unrichtig sei zunächst die Feststellung der belangten Behörde, das vom Beschwerdeführer vorgelegte Gutachten von Dr. A führe bloß an, welche Folgeerscheinungen nach einer Fleckfiebererkrankung an sich vorhanden sein könnten, stelle aber nicht dar, welche Folgen beim Beschwerdeführer tatsächlich vorlägen. Der Gutachter beschreibe vielmehr die beim Beschwerdeführer festgestellten Symptome und führe diese auch auf dessen durchgemachte Erkrankung zurück. Auch die Feststellung, das von Dr. A erwähnte Computer-Tomogramm sei nicht vorgelegt worden, entspreche nicht der Aktenlage. Dieses Gutachten sei mit Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 1. Juli 1985 der belangten Behörde übermittelt worden, die es jedoch unterlassen habe, auf dieses Beweismittel in der Folge einzugehen.
Wenn der Beschwerdeführer auch keinen Rechtsanspruch auf die Einholung eines Klinik-Gutachtens nach § 90 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 (KOVG 1957) besitze, so habe sich die belangte Behörde doch nicht ausreichend mit dem Inhalt der vom Beschwerdeführer vorgelegten Beweismittel auseinandergesetzt. Sie habe damit Verfahrensvorschriften, nämlich die Bestimmungen des AVG über die Begründungspflicht (§ 58 Abs. 2 und § 60), die gemäß § 86 Abs. 1 KOVG 1957 auch in den Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung anzuwenden seien, verletzt, wobei nicht ausgeschlossen werden könne, daß sie bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können.
In dem auf Grund dieses aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes fortgesetzten Verfahrens holte die belangte Behörde zunächst ein Ergänzungsgutachten des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie Dr. M ein, der ausführte, daß der vorliegende Computer-Tomogramm-Befund altersentsprechend sei. Es bestünden keine Zeichen einer Hirnrindenatrophie. Die beschriebene diskrete Putamenverkalkung bds. sei altersentsprechend. Aus dem Computer-Tomogramm ließen sich ebenfalls keine Hinweise für Restausfälle nach Fleckfieberencephalitis bzw. vegetativer Übererregbarkeit nach solcher ableiten. Die Ausführungen in den Befunden von Dr. B und Dr. A könnten nur als persönliche Meinungen interpretiert werden, sie seien jedoch durch objektive Befunde nicht gedeckt.
Der Beschwerdeführer erhielt im Rahmen des Parteiengehörs vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Kenntnis. Der vom Beschwerdeführer bevollmächtigte Vertreter beim Kriegsopfer- und Behindertenverband brachte hiezu in seiner Stellungnahme vom 16. Februar 1989 (dieser war eine umfangreiche persönliche Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 24. Jänner 1989 angeschlossen) im wesentlichen vor, das Ergänzungsgutachten Dris. M werde "schärfstens zurückgewiesen". Es werde beantragt, unbedingt ein Gutachten zu erstellen, in welchem auf die vom Beschwerdeführer vorgelegten Beweismittel eingegangen werde, wobei Gutachten dieser Art sicherlich nicht akzeptiert würden.
Nachdem die belangte Behörde zunächst in ihrer Verhandlung vom 15. März 1989 die Einholung eines Klinikgutachtens beschlossen hatte, beschloß sie in ihrer Verhandlung vom 19. April 1989 die Einholung eines neurologischen Gutachtens.
Die belangte Behörde beauftragte daraufhin den Facharzt für Psychiatrie und Neurologie Dr. W mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens. Dieser kam nach Untersuchung des Beschwerdeführers zu folgendem objektiven Befund:
"a) neurologisch:
Schädel o.B., rechts wird hochgradig herabgesetzter Visus angegeben, hier auch etwas träge Lichtreaktion der Pupille, alle HN stgl. und regelrecht innerviert, keine klinischen menigealen oder Hirndruckzeichen. An den Extrem. (OE+UE) motorisch und sensibel kein Ausfall. BDR stgl.+, es wird weder ein Urinal, noch eine Vorlage getragen, die Wäsche ist nicht beschmutzt. Keine frontalen oder extrapyramidalen Ausfälle. Beim FLS ziemlich konstante mäßiggradig ausgeprägte wiederholte Fallneigung nach links hinten. Gang neurogen nicht gestört, keine Hyperhidrosis, insbesondere die Handflächen trocken, kein Dermographismus, keine anderen vegetativen Zeichen, RR 150 / 80 bei Puls um 75 / min. sonst unauffällig.
b) psychiatrisch
Der KT erweist sich in der Untersuchungssituation als voll orientiert und bei freier Bewußtseinslage, keine Auffassungsstörung und adäquate Reaktion ohne wesentliche Verlangsamung mit kohärentem Gedankenablauf und Duktus. Gut kooperativ und anstrengungsbereit. Im affektiven Bereich etwas labil und reizbar, versucht immer wieder, wortreich, seine Auffassung von den Kausalzusammenhängen darzulegen. Bringt aus der Vorgeschichte, einerseits anhand von mitgeführten schriftlichen Befunden, andererseits auch aus dem Gedächtnis, eine Fülle Details zur Mitteilung, wobei eine gewisse Perseverationstendenz auffällt.
In diesem Sinne, besonders was die gegenständlich interessierende Problematik betrifft, etwas kritikschwach, sonst aber der Exploration mit guter Aufmerksamkeitsspannung folgend. Eine Einschränkung der Merkfähigkeit kann nicht objektiviert werden, der KT ist auch sehr gut über die letzte Entwicklung seines Berufungsverfahrens beim LIA informiert und greift immer wieder sehr zielgerichtet zu den, seiner Meinung nach wesentl. Befunden. Keine depressive Symptomatik, keine Psychosehinweise, auch bei gerichteter Befragung keine speziellen anderen psychopathologischen Phänomene faßbar. Während der ganzen Dauer der Untersuchung ist der KT gut kontakt- und rapportfähig und verhält sich situativ voll angepaßt."
Der Sachverständige Dr. W kam schließlich unter Berücksichtigung des (medizinisch maßgebenden) Aktenmaterials - insbesondere auch des Befundberichtes Dris. B, des fachärztlichen Befundes und Gutachtens Dris. A sowie der Computer-Tomographie - zu dem Ergebnis, daß entsprechend dem derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Forschung im speziellen Falle das Bestehen eines kausalen Zusammenhanges zwischen den, intermittierend auftretenden, leichten vegetativen Störungen und der, angeblich in der Kriegsgefangenschaft durchgemachten Fleckfieberencephalitis mit absoluter Sicherheit verneint werden könne.
In seiner Stellungnahme vom 30. August 1989 (auch dieser Stellungnahme waren zwei persönliche Stellungnahmen des Beschwerdeführers vom 20. Juli 1989 und vom 24. Juli 1989 angeschlossen) zu diesem Gutachten brachte der bevollmächtigte Vertreter vor, das Gutachten Dris. W stütze sich im wesentlichen darauf, daß er den akuten Krankheitsverlauf der Fleckfieberencephalitis deshalb als leicht annehme, weil eine Lazarettaufnahme damals nicht erfolgt sei. Diese Tatsache könne in Anbetracht der damaligen Zustände im Gefangenenlager wohl kaum ernst gemeint sein, weil keinerlei geordnete Verhältnisse geherrscht hätten und tausende Menschen damals ihr Leben hätten lassen müssen. Selbst bei Schwerstkranken sei eine Lazarettaufnahme nicht erfolgt; man habe lediglich die Möglichkeit gehabt, die Krankheit selbst zu überwinden oder zu sterben. Nach der Rückkehr aus der Gefangenschaft habe der Beschwerdeführer bemerkt, daß seine Merkfähigkeit wesentlich eingeschränkt gewesen sei; aus diesem Grunde habe er es sich angewöhnt, immer und überall auch im privaten Bereich alle Begebenheiten und wichtigen Tatsachen stets in Notizen festzuhalten. Diese Angewohnheit habe es ihm ermöglicht, seinen anspruchsvollen intellektuellen Beruf weiterhin auszuüben und seine Behinderung entsprechend zu korrigieren. Die Ausführungen im Gutachten betreffend den CT-Befund erschienen in Anbetracht dieser Tatsache in einem vollkommen anderen Licht und es müsse die Tatsache, daß die Rechte des Beschwerdeführers nunmehr schon seit vielen Jahren in diesem Verfahren immer wieder negiert würden, herausgestrichen werden. Obwohl das Gutachten äußerst umfangreich und ausführlich sei, müsse es als vollkommen unzutreffend zurückgewiesen werden.
Die belangte Behörde holte zu diesen Einwendungen des Beschwerdeführers eine Stellungnahme des Sachverständigen Dr. W ein, der zu dem Ergebnis kam, daß eine Änderung seines Gutachtens von psychiatrisch-neurologischer wissenschaftlicher Seite aus nicht möglich sei.
Dazu nahm der Beschwerdeführer in der Folge mit Schreiben vom 4. Dezember 1989 ausführlich Stellung.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 5. Februar 1990 wurde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, daß die anerkannte Dienstbeschädigung gemäß § 4 KOVG 1957 nunmehr laute:
1.
Taubheit links,
2.
Narben an der rechten Handfläche und Wange links,
3.
geringe arthrotische Veränderungen.
In der Begründung dieses Bescheides wies die belangte Behörde nach kurzer Darstellung des bisherigen Verfahrensablaufes sowie nach Wiedergabe des wesentlichen Begründungsteiles des oben zitierten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Mai 1988 auf das von ihr eingeholte Gutachten des Sachverständigen Dr. W hin, woraus sich folgende medizinische Beurteilung ergäbe:
"Der BW hat angegeben 1943 einer Fleckfiebererkrankung durchgemacht zu haben, die, seinen Angaben über den Verlauf des akuten Krankheitsstadiums nach, mit einer Encephalitis einhergegangen sein könnte. Aktenmäßig belegt ist die Erkrankung nicht.
In der Folge sind aufgrund einer eher minimalen und unspezifischen Symptomatik passager und mit Unterbrechungen vegetative Störungen als kausal aufgefaßt und als Dienstbeschädigung (DB) anerkannt worden. In den letzten Jahren sind von verschiedenen Untersuchern differente Befunde bezüglich dieser vegetativen Auffälligkeiten erhoben worden. Im wesentlichen handelt es sich dabei um die Symptome der Hyperhidrosis der Handflächen und des Dermographismus, die fallweise nicht, leicht oder stark ausgeprägt gefunden werden. Gravierende Symptome vegetativer Störungen von eigentlichem Krankheitswert, die mit Wahrscheinlichkeit als Encephalitisfolge aufgefaßt werden könnten, wurden in den letzten Jahren von keinem Untersucher behauptet oder nachgewiesen. Zum Zeitpunkt der Untersuchung im Juni 1989 waren die angeführten Symptome überhaupt nicht nachweisbar. Von klinischer Seite her ist es in viel höherem Maße wahrscheinlich, daß die angeführten Beschwerden des BW auf Basis konstitutioneller Gegebenheiten oder persönlichkeitsbedingt (neurotisch) auftreten, denn Folge einer organischen Hirnläsion sind.
Die Ergebnisse von Untersuchungen nach den Fleckfieberepidemien nach dem zweiten Weltkrieg hat W.Scheid im Kapitel über psychische Störungen bei Infektions- und Tropenkrankheiten in 'Psychiatrie der Gegenwart', Springer, 1960, S. 491-499 zusammengefaßt. Daraus ergeben sich folgende Überlegungen:
Dauerfolgen sind nur nach schwersten Verläufen, die meist mit klinisch oder durch Hilfsbefunde faßbaren organischen Hirnläsionen einhergehen als wahrscheinlich zu erwarten. Gefordert wird neben dem Nachweis der Schwere des akuten Krankheitsverlaufs auch eine Kontinuität der Beschwerden ab dem Akutstadium. Bei leichten Verläufen sind die Symptome einer isolierten vegetativen Labilität (vergleichbar dem vorliegenden speziellen Fall) bei 100 bearbeiteten Fällen überhaupt nicht zur Beobachtung gekommen. Im speziellen Fall muß der akute Krankheitsverlauf deshalb als wahrscheinlich leicht angenommen werden, weil eine Lazarettaufnahme nicht erfolgte, der BW nach Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft durch Jahrzehnte einen anspruchsvollen intellektuellen Beruf ausüben konnte, klinisch neurologisch und psychiatrisch nie zentrale Ausfälle faßbar waren und auch im EEG und CCT normale Befunde erhoben werden konnten. Der offenkundige Wechsel in der, letztlich doch minimalen und banalen, Symptomatik läßt es viel eher wahrscheinlich sein, daß akausale Faktoren an der Entstehung beteiligt sind, wobei neben der schon erwähnten konstitutionellen Komponenten, neurotische Mechanismen und auch altersbedingte Prozesse eine maßgebliche Rolle spielen. In diesem Zusammenhang ist zur Auffassung im Befund und Gutachten von Prof. A folgendes zu sagen:
Es werden hier pathophysiologische Abläufe beschrieben und über deren Hauptlokalisationen berichtet, sowie die Auffassung vertreten, daß auch periphere Läsionen (z.B. am Reizleitungssystem des Herzens) auftreten und die Folgezustände beeinflussen. Außerdem soll es zu hirnatrophisierenden Prozessen kommen. Nun ist im internen Befund über Reizleitungsstörungen am Herzen nichts berichtet und das craniale CT war normal und hat keine Hirnatrophie beschrieben, im Gegensatz zu den Angaben von Herrn Prof. A, der in seinem Bericht eine 'deutlich über den Altersdurchschnitt hinausreichende corticale diffuse Hirnatrophie' angibt. Sollte bei einem 70 Jahre alten Mann tatsächlich eine Hirnatrophie im CCT gefunden werden, die deutlich über den Altersdurchschnitt hinausreicht, wäre dies im Originalbefund der Neurologischen Universitätsklinik mit Sicherheit ausdrücklich vermerkt worden. Der CT-Befund ist also vom Gutachter falsch in sein Gutachten übernommen worden. Damit ist auch die Annahme widerlegt, daß die Hirnatrophie deshalb, klinisch psychiatrisch, so gut kompensiert werden kann, weil ihre Ursache und der Beginn ihrer Entstehung so lange zurück liegen. Der Schluß des Gutachters einen Kausalkonnex zwischen dem jetzigen Befinden des BW und der 1943 durchgemachten Fleckfiebererkrankung herzustellen, muß deshalb als gescheitert bezeichnet werden.
Entsprechend dem derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Forschung kann aufgrund der oben gemachten Ausführungen, im speziellen Fall, das Bestehen eines kausalen Zusammenhanges zwischen den, intermittierend auftretenden, leichten vegetativen Störungen und der, angeblich in der Kriegsgefangenschaft durchgemachten Fleckfieberencephalitis mit absoluter Sicherheit verneint werden."
Nach Aufzählung des gesamten berücksichtigten Aktenmaterials verwies die belangte Behörde in ihrer Begründung noch auf die Ausführungen des Facharztes für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten Dr. E sowie des Facharztes für interne Medizin Dr. K. Nach dem Ergebnis der eingeholten Sachverständigengutachten sei eine Einschätzung der Gesamt-MdE mangels Zusammenwirkens der einzelnen Gesundheitsschädigungen mit 20 v.H. gerechtfertigt. Die Gutachten der Sachverständigen seien als schlüssig erkannt und daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt worden. Gemäß § 52 Abs. 4 KOVG 1957 gebühre weiterhin Beschädigtenrente nach einer MdE von 40 v.H.
Dem bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers sei das Ergebnis der Beweisaufnahme gemäß § 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis gebracht worden. Die vorgebrachten Einwendungen seien nicht geeignet gewesen, die Beweiskraft der ärztlichen Sachverständigengutachten zu mindern, weil es sich um Behauptungen handle, welche die auf ärztliches Fachwissen gegründeten Sachverständigengutachten nicht zu entkräften vermögen. Insbesondere sei jedoch zu entgegnen, daß von nervenfachärztlicher Seite nur auf die sachlich-medizinisch vorgebrachten Einwände geantwortet werden könne. Es werde behauptet, daß sich die Annahme eines leichten Verlaufes der akuten Fleckfiebererkrankung, die vom Beschwerdeführer behauptet werde, im wesentlichen auf die Tatsachen stütze, daß keine Lazarettaufnahme erfolgt sei. Dies sei unrichtig, weil das Gutachten vom 16. Juni 1989 nicht vollständig zitiert werde. Im wesentlichen, nämlich durch objektiv nachweisbare Befunde belegt, stütze sich diese Annahme auf regelrechte klinische psychiatrische und neurologische Befunde und einen normalen EEG-Befund sowie das normale Ergebnis eines cranialen Computer-Tomogramms, was im Gutachten Dris. W ausdrücklich angeführt und im gutachterlichen Zusammenhang auch ausführlich in seiner Bedeutung interpretiert werde. Bei Annahme eines, wie behauptet, schwersten Verlaufes des akuten Krankheitsstadiums, nämlich der Encephalitis, müßte mit entsprechendem Wahrscheinlichkeitsgrad, zumindest bei einem oder einem Teil der angeführten klinischen Befunde oder Hilfsbefunde eine Normabweichung gefordert werden, die als kausal bezeichnet werden könnte, was im speziellen Fall eben nicht möglich gewesen sei. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer angegeben habe, daß er nach Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft Merkfähigkeitsstörungen gehabt hätte, die ihn dazu gezwungen hätten, dauernd schriftliche Notizen zu machen, sei nicht geeignet, daraus eine postencephalitische Demenz abzuleiten, welche auch weder von Voruntersuchern noch vom Sachverständigen Dr. W selbst objektiviert habe werden können. Von Dr. A werde eine im CT erfaßbare Hirnatrophie behauptet, diese werde aber im Originalbefund der neurologischen Universitätsklinik über die Untersuchung nicht beschrieben. Bezüglich der Tatsache, daß der Beschwerdeführer in der Lage gewesen sei, nach Kriegsende und Gefangenschaft durch 23 Jahre den Beruf eines Gerichtsbeamten auszuüben, könne von psychiatrischer Seite aus gesagt werden, daß diese Fähigkeit mit die Annahme einer, auch nur leichten, Demenz unvereinbar sei. Darüber hinaus sei auch derzeit, beim rund 83 Jahre alten Beschwerdeführer, keine pathologische Demenz nachweisbar gewesen. Bezüglich der vom Beschwerdeführer in Frage gestellten wissenschaftlichen Erkenntnisse werde auf das neurologische Gutachten verwiesen, in dem die entsprechende Literaturstelle genau präzisiert sei. Eine Änderung des Gutachtens von Dr. W sei von psychiatrisch-neurologischer wissenschaftlicher Seite nicht möglich.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht "auf richtige Anwendung der Bestimmungen des KOVG 1957" sowie in seinem Recht "auf richtige Anwendung der Verordnung des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom 9. Juni 1965 über die Richtsätze für die Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit nach den Vorschriften des Kriegsopferversorgungsgesetzes" verletzt.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt zunächst unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, der angefochtene Bescheid sei als mangelhaft anzusehen, weil er sich nur darauf beschränke, die Meinung des Sachverständigen Dr. W wiederzugeben. Formell seien zwar sämtliche medizinische Gutachten angeführt worden, der Beweiswürdigung sei jedoch ausschließlich das Sachverständigengutachten Dris. W zugrunde gelegt worden. Es könne und dürfe nicht Aufgabe der Behörde sein, Gutachten lediglich wiederzugeben, sondern es müsse von der Behörde auch angeführt werden, aus welchen Gründen ein Beweismittel für richtig bzw. für unrichtig angesehen werde. Als Begründung für die Entscheidung würden wiederum nur die Worte des Sachverständigen Dr. W wiedergegeben, sodaß der belangten Behörde der Vorwurf gemacht werden müsse, daß sie ihrer Begründungspflicht nach § 60 AVG keinesfalls nachgekommen sei.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Beschwerde zum Erfolg zu führen.
Die belangte Behörde hat im fortgesetzten Verfahren zunächst ein Ergänzungsgutachten Dris. M eingeholt, der die Ausführungen in den Befunden von Dr. B und Dr. A nur als persönliche Meinungen bezeichnet hat, die durch objektive Befunde nicht gedeckt seien. Aus dem Computer-Tomogramm ließen sich ebenfalls keine Hinweise für Restausfälle nach Fleckfieberencephalitis bzw. vegetative Übererregbarkeit nach solcher ableiten. Nachdem der Beschwerdeführer dagegen umfangreiche Einwendungen vorgebracht hatte, hat die belangte Behörde den Sachverständigen Dr. W mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt; dieser Sachverständige ist dabei insbesondere auch unter Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer vorgelegten Beweismittel (Befundbericht Dris. B, fachärztlicher Befund und Gutachten Dris. A, Computer-Tomogramm) zu dem Ergebnis gekommen, daß das Bestehen eines kausalen Zusammenhanges zwischen den, intermittierend auftretenden, leichten vegetativen Störungen und der, angeblich in der Kriegsgefangenschaft durchgemachten Fleckfieberencephalitis mit absoluter Sicherheit verneint werden könne. Zu den hiezu vom Beschwerdeführer erhobenen Einwendungen hat Dr. W ausführlich und in schlüssiger Weise Stellung genommen. Diesen Ausführungen ist der Beschwerdeführer im fortgesetzten Verfahren nur mit seinen eigenen Behauptungen, nicht aber mit anderslautenden Gutachten auf gleichem medizinischem Niveau begegnet.
Wenn die belangte Behörde ihrer Entscheidung in freier Beweiswürdigung in erster Linie das - im übrigen ausführlich begründete - Sachverständigengutachten Dris. W und dessen Stellungnahme zugrunde gelegt hat, so ist dies im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zustehenden nachprüfenden Kontrolle, die darauf beschränkt ist, ob ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliegt bzw. ob die Erwägungen den Denkgesetzen, somit auch dem allgemein menschlichen Erfahrungsgut entsprechen können, nicht als unschlüssig zu erkennen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Februar 1988, Zl. 87/09/0055).
Der Verwaltungsgerichtshof vermag auch nicht zu erkennen, inwiefern der Beschwerdeführer in dem von ihm geltend gemachten - aber nicht näher präzisierten - Recht auf richtige Anwendung der Richtsatzverordnung zum KOVG 1957 verletzt worden sein soll.
Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, im vorliegenden Fall lägen eine Fülle von einander widersprechenden Befunden, Gutachten und medizinischen Ansichten vor. Es sei daher nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen die belangte Behörde, obwohl zunächst der Beschluß gefaßt worden sei, ein Klinikgutachten einzuholen, von der Aufnahme dieses Beweismittels wieder abgekommen sei. Insbesondere im Hinblick auf die vorliegenden Gutachten Dris. B und Dris. A wäre es für die Beurteilung der medizinischen Sachfragen von entscheidender Bedeutung, daß nicht wiederum ein Sachverständiger seine Meinung äußere, sondern daß ein zusammenfassendes Klinikgutachten erstattet werde. Das Ermittlungsverfahren sei daher mangelhaft geblieben und auch die Begründung sei als mangelhaft und verfehlt anzusehen.
Diesem Vorbringen ist zu erwidern, daß sich nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus § 90 KOVG 1957 kein Anspruch auf die Einholung eines Klinikgutachtens ergibt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. März 1978, Zl. 2843/77). Eine Ergänzung des Ermittlungsverfahrens seitens der belangten Behörde wäre nur dann erforderlich gewesen, wenn sie an der Vollständigkeit oder Schlüssigkeit des eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachtens Dris. W und dessen Stellungnahme Zweifel haben hätte müssen. Daß der im fortgesetzten Verfahren bestellte Sachverständige aus dem Fachgebiet für Psychiatrie und Neurologie die rechtlich wesentlichen Fragen vom Standpunkt der medizinischen Wissenschaft nicht oder nicht ausreichend fundiert zu beurteilen vermocht hätte, wird weder von der Beschwerde über die allgemein gehaltene Verfahrensrüge hinaus im einzelnen begründet und dargetan, noch ergeben sich Anhaltspunkte dafür, daß es sich im Beschwerdefall um die Beurteilung von Fragen handelt, deren Beantwortung eine klinische Begutachtung voraussetzt oder zumindest als zweckmäßig erscheinen ließe.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher weder das durchgeführte Verfahren als mangelhaft, noch die Begründung des angefochtenen Bescheides als ungenügend und verfehlt zu erkennen.
Die Beschwerde war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Aufgabe des ärztlichen Sachverständigen in Abgrenzung von den Aufgaben der Behörde Erfordernis des Sachverständigenbeweises AllgemeinBeweismittel Sachverständigenbeweis Besonderes FachgebietVerfahrensrecht Aufgabe des Sachverständigen Wertung von Sachverständigengutachten Befund und Attest (siehe auch KOVG §90 Abs1)Person des Sachverständigen Anspruch der Partei auf die Verpflichtung der Behörde zur Beiziehung bestimmter Sachverständiger und Durchführung bestimmter UntersuchungenAufgabe des ärztlichen Sachverständigen in Abgrenzung von den Aufgaben der Behörde Erfordernis des Sachverständigenbeweises Verfahren nach KOVG §4 Abs1 und §34)Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH AllgemeinSachverständiger Erfordernis der Beiziehung Arztfreie BeweiswürdigungVerfahrensrecht Aufgabe der Behörde Überprüfung von SachverständigengutachtenVerfahrensbestimmungen Beweiswürdigung AntragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990090059.X00Im RIS seit
27.03.2001Zuletzt aktualisiert am
01.06.2010