TE Vwgh Erkenntnis 1991/3/22 90/10/0088

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Veröffentlicht am 22.03.1991
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
64/02 Bundeslehrer;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
UPG 1988 §24 Abs5 Z3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Mag. Onder, Dr. Puck, Dr. Waldner und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungskommissär Mag. Kirchner, über die Beschwerde der N gegen den Bescheid des Landesschulrates für Salzburg vom 16. März 1990, Zl. 5-5987/15-L-90, betreffend Feststellung der Leistungen im Unterrichtspraktikum nach dem Unterrichtspraktikumsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.140,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 16. März 1990 sprach der Landesschulrat für Salzburg (belangte Behörde) aus, daß die von der Beschwerdeführerin erhobene "Berufung ..... gegen die Beurteilung des Schulleiters des Bundes-Oberstufenrealgymnasiums X vom 6. 9. 1989", gemäß § 24 Abs. 7 des Unterrichtspraktikumsgesetzes-UPG, BGBl. Nr. 145/1988, abgewiesen werde und stellte fest, daß die Beschwerdeführerin in der Zeit vom 7. September 1988 bis 6. September 1989 am Bundes-Oberstufenrealgymnasium X (Stammschule) und am Bundes-Oberstufenrealgymnasium Y das Unterrichtspraktikum aus den Gegenständen Philosophie, Pädagogik und Psychologie sowie Leibeserziehung Mädchen zurückgelegt und dabei den zu erwartenden Arbeitserfolg gemäß § 24 Abs. 5 Z. 3 leg. cit. trotz nachweislicher Ermahnung nicht aufgewiesen habe.

Die belangte Behörde wies in der Begründung ihres Bescheides nach Wiedergabe des umfangreichen Berufungsvorbringens auf den Inhalt der Erläuternden Bemerkungen zu § 7 UPG hin und setzte sich mit dem Berufungsvorbringen in der Weise auseinander, daß sie dieses in eine Vielzahl von Punkten gliederte und jeweils die diesbezüglichen Stellungnahmen der Betreuungslehrer A, B, der Fachinspektorin C, des Direktors der Stammschule D, sowie Schreiben der Mutter einer Schülerin und des Univ.Doz.E gegenüberstellte und dazu ihre "Feststellungen" traf. Auf Grund dieser "Feststellungen" brachte sie zusammenfassend zum Ausdruck, daß die Beschwerdeführerin nicht in der Lage sei, Planungen in die Wirklichkeit umzusetzen und konstruktive Kritik zur Änderung ihres Verhaltens zu akzeptieren und daß deshalb die (negative) Beurteilung der Beschwerdeführerin im Fach Leibesübungen als gerechtfertigt erscheine. Es zeige auch insbesondere die Stellungnahme des Betreuungslehrers B - die Beschwerdeführerin sei bemüht, die von der Universität her fehlenden Kenntnisse durch eifrige Vorbereitung zu kompensieren, es fehle durchaus nicht an Einsatzeifer und Fleiß; allerdings gelinge es nur schwer, ihre Vorbereitung pädagogisch umzusetzen; ihre Hauptschwierigkeit liege auf der Beziehungsebene zu Schülern und auch Eltern; es sei für die Beschwerdeführerin das ganze Jahr über kaum möglich gewesen, die Klasse pädagogisch sinnvoll zu führen -, daß die Beschwerdeführerin offensichtlich eine eifrige und einsatzbereite Unterrichtspraktikantin gewesen sei, daß es ihr aber auch im Philosophischen Einführungsunterricht nur sehr schwer gelungen sei, ihre Vorbereitungen in pädagogische Realität umzusetzen; das im kognitiven Unterricht besonders deutlich gewordene Problem der Beschwerdeführerin sei augenscheinlich ihre mangelnde Fähigkeit, erzieherisch wirksam werden zu können, da es ihr nicht gelungen sei, eine konstruktive Beziehung zu den Schülern und Eltern zu erstellen.

Die belangte Behörde führte in der Begründung ihres Bescheides weiter aus, es habe der Vertreter der Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 23. Jänner 1990 begehrt, daß die Entscheidung über die Beurteilung der Beschwerdeführerin keinesfalls einem Sachverständigen, nämlich dem Landesschulinspektor, überlassen werden dürfe. Es erschiene dem Vertreter unklar, zu welchem Beweisthema jener ein Sachverständigengutachten erstatten solle. Da er keine persönlichen Wahrnehmungen über die Unterrichtstätigkeit der Beschwerdeführerin hätte, könne er als Gutachter nicht in Betracht kommen. Überdies wäre im Zweitfach "Leibeserziehung" Landesschulinspektor F zuständig. Gegen die Einholung einer weiteren Stellungnahme von A und C durch LSI H werde Einspruch erhoben. Durch ein derartiges Gutachten würde die Beweiswürdigung der Behörde vorweggenommen werden. Überdies werde die vollkommene Unbefangenheit von LSI H in Zweifel gezogen. Es wäre zu befürchten, daß ein kollegiales Naheverhältnis zwischen ihm und A wie auch C bestünde. Darüberhinaus wäre zu besorgen, daß die Genannten derselben politischen Gruppierung angehörten. Auch bestünde ein Naheverhältnis zum Leiter des Bundes-Oberstufenrealgymnasiums X Direktor D. LSI H und Dir. D würden ein enges, beruflich kollegiales Verhältnis pflegen und der gleichen politischen Gruppierung angehörten.

Dazu führte die belangte Behörde aus, daß gemäß § 24 Abs. 7 UPG die Überprüfung der Beurteilung der Leistungen eines Unterrichtspraktikanten dem Landesschulrat obliege. Gemäß § 11 des Bundesgesetzes vom 25. Juli 1962, BGBl. Nr. 240, über die Organisation der Schulverwaltung und Schulaufsicht des Bundes (Bundes-Schulaufsichtsgesetz) i.d.g.F. seien die Geschäfte des Landesschulrates unter der Leitung des Präsidenten des Landesschulrates vom Amt des Landesschulrates zu besorgen. Das erforderliche Personal des Amtes des Landesschulrates werde, soweit es sich nicht um Beamte des Schulaufsichtsdienstes und Lehrer, die mit einer Schulaufsichtsfunktion betraut sind, handle, dem Landesschulrat auf Antrag seines Präsidenten vom Bundesminister für Unterricht und Kunst zugewiesen. Das Kollegium des Landesschulrates habe gemäß § 11 Abs. 6 des Bundes-Schulaufsichtsgesetzes einen Geschäftsverteilungsplan zu beschließen, demzufolge die Geschäfte des Landesschulrates nach ihrem Gegenstand und ihrem sachlichen Zusammenhang aufzuteilen seien. Dieser Geschäftsverteilungsplan sei im November 1983 durch das Kollegium des Landesschulrates für Salzburg für den Landesschulrat für Salzburg erlassen worden (VOBl.Nr. 71/1983). Lt. Geschäfts- und Personaleinteilung des Landesschulrates für Salzburg (VOBl. 1. Stück/1989) sei LSI H berufen, über pädagogische Belange am Bundes-Oberstufenrealgymnasium X zu entscheiden. Die Zuständigkeit des Bundes-Oberstufenrealgymnasiums X ergebe sich aus den Bestimmungen des § 24 Abs. 5 des Unterrichtspraktikumsgesetzes, wonach der Leiter jener Schule, die nicht Stammschule ist, den Bericht des Betreuungslehrers seiner Schule samt der allfälligen Stellungnahme des Unterrichtspraktikanten und seinen Beurteilungsvorschlag dem Leiter der Stammschule zu übermitteln habe. Die Befassung von LSI H als zuständiges Schulaufsichtsorgan sei daher gesetzmäßig richtig. Die Überprüfung seiner behaupteten Befangenheit habe nach den Bestimmungen des § 7 AVG zu erfolgen. Gemäß Z. 4 leg. cit. haben sich Verwaltungsorgane der Ausübung ihres Amtes zu enthalten, wenn sonstige wichtige Gründe vorliegen, die geeignet sind, die volle Unbefangenheit in Zweifel zu setzen, doch liege - mangels Angabe konkreter Anhaltspunkte - nach Ansicht der belangten Behörde die behauptete Befangenheit nicht vor. Die Behauptung des Vertreters der Beschwerdeführerin, wonach das Gutachten keinem einzelnen Sachverständigen überlassen werden dürfe, sei, wie das Bundes-Schulaufsichtsgesetz und die Geschäftsverteilung des Landesschulrates für Salzburg zeige, gesetzlich nicht zulässig. Zur Ausführung, daß LSI H über keine persönlichen Eindrücke von der Beschwerdeführerin verfüge, werde auf die Bestimmungen des Unterrichtspraktikumsgesetzes verwiesen, wonach eine Inspektion durch den jeweils zuständigen Landesschulinspektor nicht verpflichtend vorgeschrieben sei. Zum Vorwurf, die belangte Behörde wäre im Rahmen des Überprüfungsverfahrens nicht berechtigt, A zu den Ausführungen in der Berufungsschrift zu befragen, werde festgestellt, es sei gemäß § 37 AVG Zweck des Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Als Beweismittel komme gemäß § 46 leg. cit. alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich sei. Dazu gehöre nach Ansicht der belangten Behörde auch die Erhebung an der Schule zu konkreten Vorwürfen in Berufungsschriften. Der Beschwerdeführerin sei im Rahmen des Ermittlungsverfahrens am 20. Oktober 1989 mittels Akteneinsicht ihres Rechtsvertreters Gelegenheit gegeben worden, ihre Interessen geltend zu machen. Unter Berücksichtigung aller pädagogischen und rechtlichen Aspekte komme die belangte Behörde zur Ansicht, daß die Beschwerdeführerin "das Unterrichtspraktikum in der Zeit vom 7. September 1988 bis 6. September 1989 aus den Unterrichtsgegenständen Philosophie, Pädagogik, Psychologie und Leibeserziehung Mädchen trotz nachweislicher Ermahnung nicht aufgewiesen hat".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, wobei als Beschwerdegründe Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt. Die Beschwerdeführerin replizierte in einem weiteren Schriftsatz auf die Ausführungen der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die für die Erledigung des Beschwerdefalles maßgeblichen Bestimmungen des Unterrichtspraktikumsgesetzes - UPG, BGBl. Nr. 145/1988, lauten:

"Beurteilung und Zeugnis über die Zurücklegung des Unterrichtspraktikums

§ 24. (1) Am Ende des Unterrichtspraktikums haben die Betreuungslehrer die Leistungen des Unterrichtspraktikanten am Praxisplatz unter Bedachtnahme auf folgende Punkte zu beschreiben:

1. Vermittlung des im Lehrplan vorgeschriebenen Lehrstoffes gemäß dem Stand der Wissenschaft sowie unter Beachtung der dem Unterrichtsgegenstand entsprechenden didaktischen und methodischen Grundsätze,

2.

erzieherisches Wirken,

3.

die für die Unterrichts- und Erziehungstätigkeit erforderliche Zusammenarbeit mit den anderen Lehrern sowie mit den Erziehungsberechtigten,

              4.              Erfüllung der mit der Unterrichts- und Erziehungsarbeit verbundenen administrativen Aufgaben.

(2) .....

(3) .....

(4) Der Unterrichtspraktikant hat das Recht auf Einsichtnahme in die Beschreibungen und Mitteilungen gemäß Abs. 1 bis 3 sowie das Recht auf Abgabe einer Stellungnahme.

(5) Der Vorgesetzte des Unterrichtspraktikanten (§ 26) hat auf Grund der Unterlagen gemäß Abs. 1 bis 4 sowie auf Grund eigener Wahrnehmungen festzustellen, ob der Unterrichtspraktikant den zu erwartenden Arbeitserfolg

1.

durch besondere Leistungen erheblich überschritten,

2.

aufgewiesen oder

3.

trotz nachweislicher Ermahnung nicht aufgewiesen hat. Unterrichtet der Unterrichtspraktikant an mehreren Schulen, hat der Leiter jener Schule, die nicht Stammschule ist, den Bericht des Betreuungslehrers seiner Schule samt der allfälligen Stellungnahme des Unterrichtspraktikanten und seinem Beurteilungsvorschlag dem Leiter der Stammschule zu übermitteln.

(6) Die Beurteilung und der Zeitraum der Zurücklegung des Unterrichtspraktikums sind unter Angabe der unterrichteten Unterrichtsgegenstände in einem Zeugnis zu bestätigen, welches innerhalb von drei Wochen nach Beendigung des Unterrichtspraktikums auszufolgen ist.

(7) Hält der Unterrichtspraktikant die im Zeugnis enthaltene Beurteilung für nicht gerechtfertigt, so hat er das Recht, innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Zeugnisses beim Landesschulrat die Überprüfung der Beurteilung zu beantragen. Bei einer Überprüfung der Beurteilung eines Unterrichtspraktikanten in Religion ist die Stellungnahme der zuständigen kirchlichen Behörde einzuholen. Im Falle einer Änderung der Beurteilung ist ein entsprechend geändertes Zeugnis auszustellen.

......

Vorgesetzter des Unterrichtspraktikanten

§ 26. (1) Unmittelbarer Vorgesetzter des Unterrichtspraktikanten ist der Leiter der Schule, an der sich der Praxisplatz befindet.

(2) Befinden sich die Praxisplätze an verschiedenen Schulen, obliegt dem Leiter der Stammschule die Koordination."

Soweit in der Beschwerde eine funktionelle Unzuständigkeit der belangten Behörde darin erblickt wird, daß die belangte Behörde nicht selbst entschieden habe, sondern die Entscheidung praktisch dem Schulaufsichtsorgan H überlassen habe, da dessen Stellungnahme vollinhaltlich zum Bescheidinhalt erhoben worden sei, ohne daß dies im Bescheid auch nur erkenntlich gemacht worden wäre, und die dem in Beschwerde gezogenen Bescheid zugrundeliegende, negative Leistungsfeststellung in Wahrheit nicht von den Dienstvorgesetzten der Beschwerdeführerin, sondern von den beiden Betreuungslehrern getroffen worden sei und eine eigene, selbständige Beurteilungstätigkeit der beiden Dienstvorgesetzten nicht erkennbar sei und diese jegliche Begründung des von ihnen getroffenen Leistungsurteiles schuldig geblieben seien, ist darauf zu erwidern, daß es sich in Wahrheit um die Geltendmachung der Verletzung von Verfahrensvorschriften (Begründungsmängel) handelt, daß aber formal richtig die zuständigen Dienstvorgesetzten die Leistungsfeststellung getroffen und die belangte Behörde als dafür zuständige Behörde über den gemäß § 24 Abs. 7 UPG gestellten Antrag entschieden haben. Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen geht daher ins Leere.

Im übrigen ist die Beschwerde begründet.

Aus dem in der Beschwerde dargestellten Verlauf des Überprüfungsverfahrens nach § 24 Abs. 7 UPG, der der Aktenlage entspricht und dem die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift nicht entgegengetreten ist, ergibt sich: Der Überprüfungsantrag der Beschwerdeführerin ist am 2. November 1989 bei der belangten Behörde eingegangen. Am 12. Jänner 1990 hat der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin bei der für die Erlassung der Entscheidung zuständigen Organwalterin der belangten Behörde vorgesprochen und sich nach dem Stand des Verfahrens erkundigt; ihm wurde mitgeteilt, daß sich der Akt seit dem 21. Dezember 1989 beim Landesschulinspektor H befinde und eine Akteneinsicht derzeit nicht möglich wäre. Mit Schriftsatz vom 23. Jänner 1990 hat die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme zur Absicht der Behörde auf Einholung eines pädagogischen Gutachtens durch den Landesschulinspektor H abgegeben, wobei einerseits dessen vollkommene Unbefangenheit in Zweifel gezogen wurde, andererseits jedoch im Schriftsatz auch darauf hingewiesen wurde, daß eine ordnungsgemäße Durchführung des gegenständlichen Verwaltungsverfahrens zur Voraussetzung hätte, daß vorweg in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht eine Auseinandersetzung mit dem entsprechenden Antragsvorbringen der Beschwerdeführerin erfolgt und klargestellt wird, welche Beschreibungen, Aufzeichnungen und Unterlagen bzw. welcher Sachverhalt überhaupt der gegenständlichen Leistungsbeurteilung zugrundegelegt werden darf.

Während des gesamten, annähernd sechsmonatigen Überprüfungsverfahrens erfolgte keinerlei Kontaktnahme der belangten Behörde mit der Beschwerdeführerin. Vielmehr wurde der Beschwerdeführerin am 19. März 1990 der angefochtene Bescheid vom 16. März 1990 zugestellt. Erst durch eine am 24. April 1990 bei der belangten Behörde vorgenommene Akteneinsicht gelangte dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin zur Kenntnis, daß a) der Hauptteil der Begründung des angefochtenen Bescheides aus einer wörtlichen Wiedergabe einer Stellungnahme des Landesschulinspektors H vom 14. Februar 1990 besteht; b) diese Stellungnahme demgemäß bereits erhebliche Zeit vor Erlassung des Bescheides bei der belangten Behörde eingegangen war, diese es jedoch unterlassen hat, die Stellungnahme der Beschwerdeführerin zur Kenntnis zu bringen und ihr eine Äußerungsmöglichkeit dazu einzuräumen; c) im Akt eine Stellungnahme der A vom 14. Jänner 1990 erliegt, welche am 6. Februar 1990 bei der belangten Behörde eingegangen ist und gleichfalls der Beschwerdeführerin nicht zur Kenntnis gebracht wurde; d) im Akt weiters eine Stellungnahme der C vom 18. Dezember 1989 erliegt, welche der Beschwerdeführerin gleichfalls nicht zur Kenntnis gebracht wurde; e) schließlich der Direktor der Stammschule mit Schreiben vom 12. Jänner 1990, eingegangen bei der belangten Behörde am 15. Jänner 1990, eine Stellungnahme des Betreuungslehrers B, datiert mit 21. Dezember 1989, sowie eine Stellungnahme des Schulleiters, datiert mit 10. Jänner 1990, sowie als Beilagen eine "zu Protokoll gegebene Erklärung" des Schulleiters J sowie eine weitere "zu Protokoll gegebene Erklärung" des K sowie schießlich ein Brief einer Frau L vom 19. Juni 1989, "ein Protokoll eines Schülers über die Psychologiestunde vom 26. Mai 1989" und ein Schreiben des Doz.E vom 27. Juni 1989 der belangten Behörde vorgelegen waren, welche Schriftstücke und Unterlagen der Beschwerdeführerin gleichfalls von der belangten Behörde nicht zur Kenntnis gebracht worden sind.

Aus dem dargestellten Gang des Verfahrens ergibt sich, daß die belangte Behörde durch die von ihr gewählte Vorgangsweise einen fundamentalen Grundsatz jedes geordneten Verwaltungsverfahrens, nämlich das in § 45 Abs. 3 AVG normierte Parteiengehör, gröblich verletzt hat. Dazu ist auszuführen, daß ja schon nach der Bestimmung des § 37 leg. cit. Parteiengehör zu gewähren ist und § 45 Abs. 3 leg. cit. klarstellt, daß der Partei die Möglichkeit einzuräumen ist, nicht nur vom Ergebnis der Beweisaufnahme bzw. vom Abschluß des Ermittlungsverfahrens Kenntnis zu nehmen, sondern auch Stellung zu nehmen, wobei alle Feststellungen des Ermittlungsverfahrens, welche von der Behörde bei der Beweiswürdigung berücksichtigt werden, den Parteien von AMTS wegen und unter Angabe der Beweismittel zur Kenntnis zu bringen sind. Auch Sachverständigenäußerungen des entscheidenden Organs - insbesondere im Rahmen der Beratungen eines Kollegialorganes - unterliegen, sofern sie - wie hier - Niederschlag in der Entscheidung finden, dem Parteiengehör. Die in der Gegenschrift der belangten Behörde zum Ausdruck gebrachte Ansicht, daß es der Beschwerdeführerin bzw. deren Vertreter freigestanden wäre, auch noch später Akteneinsicht zu nehmen, ist mit der Rechtslage unvereinbar.

Die Nichteinhaltung der oben erwähnten, wesentlichen Verfahrensvorschrift erweist sich aber gerade im vorliegenden Verwaltungsverfahren als wesentlicher Verfahrensmangel (vgl. dazu etwa die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Dezember 1948, Slg. N. F. Nr. 637/A, und vom 24. Juni 1970, Slg. N. F. Nr. 7826/A), weil sich aus den Verwaltungsakten und auch aus dem Beschwerdevorbringen ergibt, daß die belangte Behörde bei Beachtung der Vorschrift des § 45 Abs. 3 AVG zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der in Beschwerde gezogene Bescheid war daher schon deshalb wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.

Ausdrücklich sei aber festgestellt, daß der in Beschwerde gezogene Bescheid auch an Rechtswidrigkeit des Inhaltes leidet. Wie in der Beschwerde zutreffend aufgezeigt wird, muß bei einer Leistungsbeurteilung im Sinne des § 24 Abs. 5 Z. 3 UPG, wonach der Unterrichtspraktikant den zu erwartenden Arbeitserfolg "trotz nachweislicher Ermahnung nicht aufgewiesen hat", eine Ermahnung erfolgt sein. Wie der Verwaltungsgerichtshof schon in seinem Erkenntnis vom 16. April 1986, Slg. N. F. Nr. 12.107/A, dargelegt hat, muß in einer Ermahnung im Sinne der genannten gesetzlichen Bestimmungen zumindest ein für die spätere Leistungsbeurteilung bedeutsames Fehlverhalten des Betroffenen dargelegt werden. Daß die der Beschwerdeführerin erteilten "Ermahnungen" vom 21. April 1989 ("Ermahnung im Hinblick auf mangelhafte Leistungen im Unterrichtsgegenstand Leibesübungen") und vom 27. April 1989 (in den Gegenständen Philosophie, Pädagogik und Psychologie), mit denen sich die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides im übrigen nicht auseinandersetzt, ein konkretes Fehlverhalten zum Inhalt haben, kann den Verwaltungsakten jedenfalls nicht entnommen werden. Auch die von der belangten Behörde in der Gegenschrift dazu angestellten Überlegungen und Schlußfolgerung vermögen den aufgezeigten Mangel nicht zu beheben, wobei dahingestellt bleiben kann, ob die Erteilung einer Ermahnung in einem zeitlich so weit fortgeschrittenen Schuljahr den durch eine Ermahnung beabsichtigten Zweck - Verbesserung der Leistung bis zum Ende des Schuljahres - überhaupt noch sinnvoll erscheinen läßt. Die hier vorliegenden Ermahnungen reichten jedenfalls nicht hin, darauf eine Leistungsfeststellung im Sinne des § 24 Abs. 5 Z. 3 UPG zu stützen.

Solcherart erweist sich der angefochtene Bescheid auch als mit der Rechtslage nicht in Einklang stehend. Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid auch mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Parteiengehör Erhebungen ErmittlungsverfahrenParteiengehör Verletzung des Parteiengehörs VerfahrensmangelParteiengehör Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990100088.X00

Im RIS seit

22.03.1991

Zuletzt aktualisiert am

17.05.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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