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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 4. August 1986, Zl. MA 70-10/762/86/Str, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, insoweit der Beschwerdeführer unter Punkt 2 der Verwaltungsübertretung nach § 38 Abs. 1 lit. a der Straßenverkehrsordnung 1960 schuldig erkannt und deshalb bestraft wurde, einschließlich der diesbezüglichen Kostenentscheidungen erster und zweiter Instanz, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Berufungsbescheid der Wiener Landesregierung vom 4. August 1986 wurde der Beschwerdeführer im Instanzenzug schuldig erkannt, er habe am 31. Oktober 1985 um 7.48 Uhr in Wien 21., Pragerstraße, gegenüber der Nr. 286 an der Kreuzung zur Mayerweckstraße als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges
1.) die durch Verbotszeichen gemäß § 52 lit. a Z. 10a der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um ca. 30 km/h, somit erheblich, überschritten, 2.) das Gelblicht der Verkehrslichtsignalanlage insofern nicht beachtet, als er nicht vor der Haltelinie angehalten habe, sondern in die Kreuzung, ohne anzuhalten, eingefahren sei, obwohl ihm ein Anhalten auf Grund der Geschwindigkeit und Entfernung leicht möglich gewesen wäre, und sei 3.) nicht so weit rechts gefahren, wie ihm dies unter Bedachtnahme auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zumutbar gewesen und ohne Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Straßenbenützer und ohne Beschädigung von Sachen möglich gewesen sei, sondern er habe den zweiten Fahrstreifen benützt, obwohl er den ersten hätte benützen können.
Er habe hiedurch Verwaltungsübertretungen nach der StVO, und zwar zu 1.) nach § 52 lit. a Z. 10a iVm § 20 Abs. 1, zu 2.) nach § 38 Abs. 1 lit. a, zu 3.) nach § 7 Abs. 1 begangen; es wurden Geld- und Ersatzarreststrafen verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorliegen einer Gegenschrift der belangten Behörde erwogen hat:
Die Verfahrensrüge hinsichtlich der Art der Vernehmung der Zeugin Maria Z vor dem Gemeindeamt Langenzersdorf ist deshalb iSd § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG nicht gerechtfertigt, weil der Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren, nachdem ihm diese Zeugenaussage zur Kenntnis gekommen war, jedes Vorbringen dahin unterlassen hat, welche weiteren Fragen an die Zeugin zu stellen gewesen wären oder in welch anderer Weise die Zeugin zu vernehmen gewesen sei (siehe den Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 26. Juni 1986).
Soweit die Beschwerde die Richtigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde bekämpft, ist darauf zu verweisen, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 24. Mai 1974, Slg. N.F. Nr. 8619/A) die auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendende Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht ausschließt, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, d.h., ob sie u.a. den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen, weshalb wesentliche Mängel der Sachverhaltsfeststellung einschließlich der Beweiswürdigung zur Aufhebung des Bescheides führen. Ob aber der Akt einer Beweiswürdigung richtig in dem Sinne ist, daß z.B. eine den Beschwerdeführer belastende Darstellung und nicht dessen Verantwortung den Tatsachen entspricht, kann der Verwaltungsgerichtshof auf Grund seiner eingeschränkten Prüfungsbefugnis in einem Verfahren über eine Bescheidbeschwerde nicht überprüfen (Erkenntnis eines verst. Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053).
Die gegen die Richtigkeit der Beweiswürdigung im obigen Sinn erhobene Rüge des Beschwerdeführers kann daher nicht durchdringen.
Zur weiteren Verfahrensrüge ist zu bemerken:
Das Vorbringen des Beschwerdeführers, die Behörde habe lediglich Teile des Textes des § 38 Abs. 1 und 2 StVO wiederholt und habe nicht konkretisiert, aus welcher Entfernung ihm das Anhalten bei Einhaltung welcher Geschwindigkeit möglich gewesen sein soll, ist zum Teil gerechtfertigt. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fordert, wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift richtig ausführt, hinsichtlich jener Tatumstände, die dem Satz 2 des § 38 Abs. 2 StVO entsprechen (Wortlaut: "Fahrzeuglenker, denen ein sicheres Anhalten nach Abs. 1 nicht mehr möglich ist, haben weiterzufahren") keine Aufnahme in den Spruch im Sinne des § 44a lit. a VStG. Das entbindet aber die Behörden des Verwaltungsstrafverfahrens nicht von ihrer diesbezüglichen Begründungspflicht. Weder in der Begründung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses noch in jener des angefochtenen Bescheides findet sich irgendeine Begründung für die im Spruch aufscheinende Behauptung, dem Beschwerdeführer sei ein Anhalten auf Grund der Geschwindigkeit und der Entfernung leicht möglich gewesen - es fehlen in diesen Begründungen sowohl die Angabe der Geschwindigkeit als auch die Angabe der Entfernung des Kraftfahrzeuges des Beschwerdeführers von der Verkehrslichtsignalanlage zur Zeit des Aufleuchtens des gelben, nicht blinkenden Lichtes; geschweige denn finden sich Ausführungen über den Anhalteweg, bestehend aus Reaktionsweg und Bremsweg. Dem Verwaltungsgerichtshof ist es, da er keine Tatsacheninstanz ist, verwehrt, diese fehlenden Angaben aus der Anzeige und aus der zweimaligen Zeugenaussage des Meldungslegers zu ergänzen.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher in diesem Punkt als mit einem Begründungsmangel behaftet.
Die erst mit der 15. Novelle zur StVO, BGBl. Nr. 86/1989, somit mit 1. März 1989, in Kraft getretene Bestimmung des § 7 Abs. 3a StVO war auf den vorliegenden Sachverhalt nach Rechtsprechung und Lehre zum Verständnis des § 1 Abs. 2 VStG nicht anzuwenden (vgl. Erkenntnis vom 24. Mai 1956, Slg. N.F. Nr. 4074/A, wobei aber ein Günstigkeitsvergleich auf den Zeitpunkt der Fällung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses abzustellen ist, wie z.B. das Erkenntnis vom 19. Oktober 1988, Zl. 88/03/0083 ausführt; im gleichen Sinn Hellbling, Kommentar zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen II, S. 23;
Mannlicher-Quell, Das Verwaltungsverfahren8, 2. Halbband, Anm. 4 zu § 1 VStG).
Der angefochtene Bescheid war daher nur hinsichtlich der oben zu 2. genannten Übertretung wegen des aufgezeigten Begründungsmangels gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben; im übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere 50 VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auf deren Art. III Abs. 2. Das Mehrbegehren nach weiteren S 120,-- Stempelgebühren war abzuweisen, weil die Beschwerde nur in zweifacher Ausfertigung einzubringen war.
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Spruch und Begründung"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Umfang der Konkretisierung (siehe auch Tatbild)Spruch Begründung (siehe auch AVG §58 Abs2 und §59 Abs1 Spruch und Begründung) Tatvorwurf Beschreibung des in der BegründungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1986180232.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
05.03.2010