TE Vwgh Erkenntnis 1991/3/22 88/13/0195

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.03.1991
beobachten
merken

Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

ABGB §1220;
BAO §166;
BAO §167 Abs2;
BAO §168;
BAO §171 Abs1 lita;
BAO §22 Abs1;
BAO §23 Abs1;
BAO §25;
EStG 1972 §34 Abs1;
EStG 1972 §34 Abs3;
EStG 1972 §34;

Beachte

Besprechung in: ÖStZB 1992, 24;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte

Dr. Schubert, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Graf als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des J gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 12. September 1988, Zl. GA 5-2068/88, betreffend Eintragung eines steuerfreien Betrages auf der Lohnsteuerkarte für das Kalenderjahr 1987 wegen außergewöhnlicher Belastung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist bei der X-Bank als technischer Abteilungsleiter beschäftigt. Mit Antrag vom 16. Oktober 1987 machte er beim Finanzamt die Hingabe einer Heiratsausstattung an seinen Sohn in Höhe von S 150.000,-- als außergewöhnliche Belastung gemäß § 34 EStG geltend. Sein Sohn habe sich am 4. September 1987 verehelicht. Eine Bestätigung des Sohnes über den Empfang der Heiratsausstattung war dem Antrag angeschlossen.

Das Finanzamt ersuchte den Beschwerdeführer als "Bestätigung über den Geldfluß von S 150.000,-- Kontoauszug bzw. Sparbuch" vorzulegen.

Der Beschwerdeführer verwies in Beantwortung dieses Vorhaltes auf ein Schreiben seiner Ehegattin, die dem Sohn ebenfalls eine Heiratsausstattung gegeben, den Betrag (S 100.000,--) als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht und vom Finanzamt einen gleichen Vorhalt bekommen hatte. In diesem Schreiben hatte die Ehegattin des Beschwerdeführers dem Finanzamt mitgeteilt, daß sie sich kurz vor Hingabe der Heiratsausstattung an ihren Sohn beim zuständigen Referenten im Finanzamt erkundigt habe, ob eine Empfangsbestätigung ihres Sohnes als Unterlage für die Geltendmachung der Heiratsausstattung als außergewöhnliche Belastung genüge. Dies sei bejaht worden. Hätte man ihr gesagt, daß sie den Geldfluß nachweisen müsse, so hätte sie den Betrag auf das Konto ihres Sohnes überwiesen. Sie habe im Jahr 1987 über ein monatliches Nettoeinkommen von S 16.000,-- verfügt. Es bedürfe wohl keines besonderen Nachweises, daß sie dadurch in die Lage versetzt gewesen sei, in relativ kurzer Zeit den Betrag von S 100.000,-- zusammenzusparen. Daß sie den Betrag zu Hause angesammelt und so auf Zinsen verzichtet habe, sei darauf zurückzuführen, daß sie in ihrer "Einstellung zu Geldangelegenheiten ein etwas großzügiger Mensch" sei und darin einen Vorteil erblickt habe, die Übergabe des Betrages jederzeit zu Hause vornehmen zu können.

Der Beschwerdeführer schloß sich diesem Schreiben seiner Ehegattin "sinngemäß an" und ergänzte es mit dem Zusatz, daß sein Nettoverdienst im Jahre 1987 bis zur Hochzeit seines Sohnes mehr als S 310.000,-- betragen habe.

Das Finanzamt wies den Antrag mit der Begründung ab, daß kein belegmäßiger Nachweis über die tatsächliche Hingabe der Heiratsausstattung erbracht worden sei.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Es sei unrichtig, daß kein belegmäßiger Nachweis für die Hingabe der Heiratsausstattung erbracht worden sei. Er habe seinem diesbezüglichen Antrag eine schriftliche Empfangsbestätigung seines Sohnes beigefügt.

Die belangte Behörde wies die Berufung ab.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde begründet den angefochtenen Bescheid damit, daß mit einer Bestätigung des Sohnes allein "nicht das Auslangen gefunden werden kann". Dies ergebe sich aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach Verträge zwischen nahen Angehörigen steuerlich nur anzuerkennen seien, wenn sie nach außen ausreichend zum Ausdruck kommen, weil sonst steuerliche Folgen willkürlich herbeigeführt werden könnten. Gerade die Hingabe von Heiratsausstattungen sei von Gefälligkeitsbescheinigungen bzw. mißbräuchlicher Inanspruchnahme von Steuerbegünstigungen gekennzeichnet. Auch widerspreche es den Erfahrungen des täglichen Lebens, "daß ein 51jähriger Angestellter der X-Bank .... S 150.000,-- zu Hause aufbewahrt".

Der Beschwerdeführer wendet zunächst ein, es gebe keinen Erfahrungssatz, daß Aussagen oder Beurkundungen von Verwandten grundsätzlich zugunsten ihrer nahen Angehörigen unrichtig sein müssen. Es wäre der belangten Behörde frei gestanden, den Sohn des Beschwerdeführers als Zeugen einzuvernehmen bzw. eine allfällige Entschlagung gemäß § 171 BAO der freien Beweiswürdigung zu unterziehen.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Recht. Das Finanzamt hat trotz Vorliegens einer schriftlichen Empfangsbestätigung des Sohnes des Beschwerdeführers die Hingabe der Heiratsausstattung mit der lapidaren Feststellung als nicht erwiesen angenommen, daß "ein belegmäßiger Nachweis" darüber nicht erbracht werden konnte. In seiner Berufung hat der Beschwerdeführer auf die Bestätigung seines Sohnes hingewiesen. Ohne auf die Aussagekraft dieser Bestätigung einzugehen, hat die belangte Behörde die Berufung abgewiesen. Sie meint, es liege klar auf der Hand, daß ein solches Beweismittel nicht genüge und gibt damit zu erkennen, daß sie ganz allgemein der Auffassung ist, Bestätigungen von Kindern über den Empfang einer Heiratsausstattung hätten keine Beweiskraft. Eine solche Vermutung läßt sich weder mit allgemeinem menschlichem Erfahrungsgut noch mit den Denkgesetzen begründen. Sie vermag eine Beweiswürdigung im Einzelfall nicht zu ersetzen. An einer solchen mangelt es aber im Beschwerdefall. Die belangte Behörde gibt keine Begründung dafür, warum sie am Wahrheitsgehalt der Bestätigung des Sohnes des Beschwerdeführers zweifelt, obwohl damit lediglich die Einhaltung einer gesetzlichen Verpflichtung des Beschwerdeführers seinem Sohn gegenüber dokumentiert wird (§ 1231 ABGB) und es keineswegs als unüblich bezeichnet werden kann, daß ein Großteil der Eltern dieser Verpflichtung ihren Kindern gegenüber entspricht.

Der belangten Behörde kann auch nicht gefolgt werden, wenn sie sich auf jene Kriterien beruft, die der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung für die steuerliche Anerkennung von Vertragsgestaltungen zwischen nahen Angehörigen als maßgebend bezeichnet hat. Zu Recht weist der Beschwerdeführer darauf hin, daß in der Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtung zur Hingabe einer Heiratsausstattung keine Vertragsgestaltung unter nahen Angehörigen erblickt werden kann.

Lediglich in einem Punkt ist der belangten Behörde zuzustimmen:

Es ist tatsächlich nicht sehr glaubwürdig, daß ein leitender Bankangestellter einen Geldbetrag von S 150.000,-- allmählich zu Hause in bar anspart, um ihn später seinem Sohn als Heiratsausstattung übergeben zu können. Auch die Begründung für eine solche Vorgangsweise, als "großzügiger Mensch" gerne auf Zinsen zu verzichten, um den angesammelten Betrag jederzeit übergeben zu können, vermag nicht zu überzeugen, zumal auch ein zu Hause aufbewahrtes Sparbuch jederzeit übergeben werden kann.

Die belangte Behörde hat dieses Vorbringen des Beschwerdeführers zu Recht als unglaubwürdig bezeichnet. Das berechtigte sie aber nicht zu dem Schluß, daß der Beschwerdeführer seinem Sohn überhaupt keine Heiratsausstattung gegeben habe.

Überlegungen und entsprechende Feststellungen in der Richtung, daß die Heiratsausstattung möglicherweise aus Mitteln stammte, die der Beschwerdeführer vor dem Jahr 1987 angespart hatte, - derartige Feststellungen wären einer Berücksichtigung der Heiratsausstattung als außergewöhnliche Belastung nach der hg. Rechtsprechung entgegengestanden (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 12. April 1983, Zl. 82/14/0229, und vom 15. März 1988, Zl. 87/14/0071) - wurden von der belangten Behörde nicht angestellt bzw. nicht getroffen.

Der angefochtene Bescheid erweist sich somit als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften (mangelhafte Beweiswürdigung und unvollständige Sachverhaltsermittlung) und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1988130195.X00

Im RIS seit

22.03.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten