TE Vwgh Erkenntnis 1991/3/22 90/19/0511

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Veröffentlicht am 22.03.1991
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

AAV §24 Abs6;
AAV §25 Abs1;
VStG §44a litb;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Großmann und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Puntigam, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 3. September 1990, Zl. MA 63-H 65/89/Str, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung-AAV, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 4. und 5. Bezirk, vom 21. Juli 1989 war der nunmehrige Beschwerdeführer als verantwortlicher Beauftragter der "N. Warenhandel Ges.m.b.H."

dafür zur Verantwortung gezogen worden, daß am 11. November 1988 in der Betriebsstätte in Wien 4, S.-Gasse,

"1) der Hauptverkehrsweg im Verkaufsraum zwischen Flaschenrückgabe und Notausgang keine ausreichende Breite von mindestens 1,20 m besaß, da er durch Lagerungen verstellt war;

2) der Notausgang vom Verkaufsraum in den Hausgang durch Lagerungen verstellt war; 3) das Büro, in dem eine ausreichende natürliche Lüftung nicht möglich ist, weder durch Lüftungsanlagen oder Klimageräte, noch durch Klimaanlagen gelüftet war". Er habe dadurch Übertretungen gemäß § 31 Abs. 2 lit. p Arbeitnehmerschutzgesetz, BGBl. Nr. 234/1972, (ASchG) iVm zu 1) § 25 Abs. 1 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung - AAV, BGBl. Nr. 218/1983, zu 2) § 23 Abs. 3 AAV, zu 3) § 13 Abs. 3 AAV begangen. Über den Beschwerdeführer waren deshalb gemäß § 31 Abs. 2 lit. p ASchG Geldstrafen in der Höhe von zu 1) S 3.000,--, zu 2) S 4.000,--, zu 3) S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafen in der Dauer von drei Tagen bzw. vier Tagen bzw. drei Tagen) verhängt worden. Ferner war der vom Beschwerdeführer zu leistende Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens bestimmt sowie ausgesprochen worden, daß er die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen habe.

2. Aufgrund der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers erging unter dem Datum 3. September 1990 der Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (der belangten Behörde), mit dem das Straferkenntnis gemäß § 66 Abs. 4 AVG a) hinsichtlich der Übertretung nach § 13 Abs. 3 AAV (Punkt 3) behoben und das Verfahren in diesem Umfang gemäß § 45 Abs. 1 lit. a VStG eingestellt wurde, und b) hinsichtlich der in den Punkten 1) und 2) angelasteten Übertretungen des § 25 Abs. 1 und des § 23 Abs. 3 AAV in der Schuldfrage und im Ausspruch über die Verpflichtung zum Ersatz der Kosten des Strafvollzuges mit der Maßgabe bestätigt wurde, daß der Schuldspruch in diesen Punkten wie folgt zu lauten habe:

"Sie haben es als für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften im Sinne von § 9 Abs. 2 zweiter Satz VStG 1950 bestellter verantwortlicher Beauftragter der N.-Warenhandel Aktiengesellschaft zu verantworten, daß am 11. November 1988 in der weiteren Betriebsstätte dieser Aktiengesellschaft in Wien 4, S.-Gasse,

1) der Hauptverkehrsweg im Verkaufsraum zwischen Flaschenrückgabe und Notausgang insoferne keine Breite von mindestens 1,2 m besaß, da er durch Lagerungen von sechs Paletten Katzenfutter, acht Kartons Hundefutter und elf Kartons Weichspüler bis auf eine nutzbare Durchgangsbreite von ca. 58 cm eingeengt war,

2) der Notausgang vom Verkaufsraum in den Hausgang durch Lagerungen einer Palette mit Getränken, diverser Kartons mit Vogelfutter, von ca. 10 Ballen mit Heu- und Preßstreu und einer Aufwaschmaschine verstellt war.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 31 Abs. 2 lit. p Arbeitnehmerschutzgesetz in Verbindung mit (zu 1) § 25 Abs. 1 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung und (zu 2) § 23 Abs. 3 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung."

Gemäß § 51 Abs. 4 VStG wurden die Strafen in den Punkten 1) und 2) wegen der Übertretungen nach § 25 Abs. 1 bzw. § 23 Abs. 3 AAV auf je S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je zwei Tage) herabgesetzt.

3. Gegen diesen Bescheid, und zwar erkennbar nur im Umfang seines Spruchpunktes b), richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

4. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 25 Abs. 1 erster Satz AAV müssen Hauptverkehrswege in Betriebsräumen eine ausreichende Breite, mindestens jedoch eine solche von 1,20 m besitzen.

2.1. Nach Ansicht des Beschwerdeführers ist der ihm angelastete Sachverhalt nicht tatbestandsmäßig. § 25 Abs. 1 AAV beziehe sich nämlich nur auf die baulichen Mindestmaße von Verkehrswegen. Der im Schuldspruch bezeichnete Verkehrsweg weise aber die vorgeschriebenen "baulichen Mindestmaße" auf. Wenn dies der Fall sei, dann könne bei einer Verengung des Verkehrsweges durch eine vorübergehende Lagerung im Arbeitsverfahren - eine solche sei vom Beschwerdeführer behauptet worden - eine Tatanlastung richtigerweise nur nach § 24 Abs. 6 AAV und nicht nach § 25 Abs. 1 leg. cit. erfolgen. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.

2.2. Abgesehen davon, daß der Wortlaut des § 25 Abs. 1 erster Satz AAV der Auffassung des Beschwerdeführers, diese Vorschrift ordne (lediglich) eine "bauliche" Mindestbreite an, keine Stütze bietet, wäre eine solche Auslegung mit dem Zweck der genannten Norm - Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer bei ihrer beruflichen Tätigkeit - unvereinbar. Dieser Normzweck, der in concreto in der jederzeitigen ungehinderten Benützbarkeit eines Verkehrsweges, zumal eines solchen, der zu einem Notausgang führt, Ausdruck findet, würde - worauf die belangte Behörde im bekämpften Bescheid zutreffend hingewiesen hat - völlig außer acht gelassen, wollte man, wie der Beschwerdeführer, die Anordnung einer bestimmten Mindestbreite durch § 25 Abs. 1 erster Satz AAV auf die bauliche Gestaltung der dort genannten Verkehrswege beziehen und von da her die beliebige Reduzierung dieser Mindestbreite durch Lagerungen (auch nur kurzfristiger Natur) für zulässig erachten.

Was die Meinung anlangt, die belangte Behörde hätte den inkriminierten Sachverhalt dem § 24 Abs. 6 AAV unterstellen müssen, so übersieht der Beschwerdeführer offenbar, daß ihm spruchmäßig nicht eine im Grunde dieser Bestimmung verbotswidrige vorübergehende Lagerung, sondern eine Unterschreitung der im § 25 Abs. 1 erster Satz AAV für Hauptverkehrswege festgelegten Mindestbreite von 1,20 m angelastet worden ist. Bei diesem Tatvorwurf wäre es im Beschwerdefall zwar angesichts der konkreten spruchmäßigen Umschreibung nicht rechtswidrig gewesen, wenn die Behörde § 25 Abs. 1 erster Satz iVm § 24 Abs. 6 zweiter Satz AAV als verletzte Verwaltungsvorschriften i.S. des § 44a lit. b VStG angeführt hätte (vgl. dazu den dem hg. Erkenntnis vom 18. Februar 1991, Zl. 90/19/0533, zugrunde gelegenen Fall), die Heranziehung allein der zweitgenannten Vorschrift wäre indes verfehlt gewesen.

3.1. Die Beschwerde wirft der belangten Behörde weiters vor, sie habe nicht begründet, weshalb der vom Spruch erfaßte Verkehrsweg als "Hauptverkehrsweg" zu qualifizieren sei. Auch habe sie es unterlassen, diesbezüglich Ermittlungen anzustellen.

3.2. Nach der - vom Beschwerdeführer unbestritten gebliebenen - Feststellung der belangten Behörde handelt es sich bei dem in Rede stehenden Verkehrsweg im Verkaufsraum um jenen "zwischen Flaschenrückgabe und Notausgang". Ein Weg aber, dem die Eigenschaft eines Fluchtweges zukommt, kann rechtlich nicht als "Nebenverkehrsweg" (§ 25 Abs. 1 zweiter Satz AAV) - dies wäre die der Beschwerde offensichtlich vorschwebende Alternative - angesehen werden. Zur näheren Begründung dieser Rechtsanschauung wird unter Bezugnahme auf § 43 Abs. 2 VwGG auf das bereits zitierte hg. Erkenntnis Zl. 90/19/0533 verwiesen, dem ein insoweit gleich gelagerter Fall zugrunde lag.

4.1. Die Beschwerde behauptet ferner, der Schuldspruch des angefochtenen Bescheides verstoße insofern gegen § 44a lit. a VStG, als nicht zu erkennen sei, ob der Beschwerdeführer als verantwortlicher Beauftragter i.S. des § 9 Abs. 2 erster Satz oder i.S. des § 9 Abs. 2 zweiter Satz VStG "in Anspruch genommen werde".

4.2. Dieses Vorbringen steht mit dem Spruch (Punkt b) des bekämpften Bescheides nicht in Einklang, wird doch dort der Beschwerdeführer ausdrücklich "als für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften im Sinne von § 9 Abs. 2 zweiter Satz VStG 1950 bestellter verantwortlicher Beauftragter" zur Verantwortung gezogen.

5.1. Hinsichtlich der im angefochtenen Bescheid unter Spruchpunkt b)2) als erwiesen angenommenen Tat (Verstellen des Notausganges durch Lagerungen verschiedener Waren) "gilt" - so die Beschwerde "das oben Gesagte sinngemäß". Diese Verweisung kann sich sinnvollerweise nur auf das Beschwerdevorbringen betreffend einen angeblichen Verstoß gegen § 44a lit. a VStG beziehen. Insoweit ist auf das zuvor unter 4.2. Gesagte zu verweisen. Eine Übertragung der Beschwerdeausführungen, soweit sie die behauptetermaßen richtige Subsumtion der Unterschreitung der für Hauptverkehrswege vorgesehenen Mindestbreite unter § 24 Abs. 6 AAV und die behauptete unzureichende Begründung für die Qualifizierung des in Rede stehenden Verkehrsweges als Hauptverkehrsweg zum Gegenstand haben, auf die Frage, ob die belangte Behörde im Verstellen des Notausganges zu Recht den Tatbestand des § 23 Abs. 3 AAV als verwirklicht angesehen hat, kommt infolge der gänzlichen Verschiedenheit der Problemstellungen nicht - auch nicht "sinngemäß" - in Betracht.

6. Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet; sie war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

7. Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte im Hinblick auf § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

8. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990190511.X00

Im RIS seit

22.03.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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