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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
VStG §16 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Josef N gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien - Bezirkspolizeikommissariat Leopoldstadt - vom 25. Oktober 1990, Zl. Pst 4326/89, betreffend Entrichtung von Geldstrafen in Teilbeträgen, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Es haben an Aufwendungen an den Beschwerdeführer binnen
zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen:
der Bund S 1.918,33,
die Bundeshauptstadt (Land) Wien S 9.591,67.
Begründung
Der Beschwerdeführer wurde mit rechtskräftig gewordenem Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien - Bezirkspolizeikommissariat Leopoldstadt - vom 9. Jänner 1990 wegen fünf Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 zu Geldstrafen von zusammen S 20.500,-- (Ersatzarreststrafen 19 Tage 20 Stunden) und wegen einer Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967 zu einer Geldstrafe von S 500,-- (Ersatzarreststrafe 20 Stunden) verurteilt.
Mit Schriftsatz vom 11. Juni 1990 ersuchte er um Bewilligung von Ratenzahlungen von S 1.000,--, beginnend ab 1. August 1990, weil er kein ausreichendes Einkommen oder Vermögen habe, das ihm die Bezahlung der Geldstrafen in höheren Raten ermöglichen würde. Am 22. Juni 1990 forderte die Erstbehörde den Beschwerdeführer auf, seine Zahlungsfähigkeit nachzuweisen und wirtschaftliche Gründe, die eine Bewilligung des Ansuchens rechtfertigen würden, bekanntzugeben. Mit Schriftsatz vom 9. Juli 1990 gab der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers bekannt, daß der Beschwerdeführer den Offenbarungseid abgelegt habe und daß Exekutionsverfahren anhängig seien. Mit Schriftsatz vom 17. Juli 1990 legte der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers die Einkommensteuererklärung seines Mandanten für 1988 sowie die Einkommensteuerbescheide 1985 bis 1987 vor. Mit Schriftsatz vom 26. Juli 1990 gab der Rechtsanwalt bekannt, daß der Beschwerdeführer keine höheren Zahlungen als die angebotenen Raten leisten könnte, es werde ein Vollstreckungsauftrag des Finanzamtes Krems, ein Zahlungsplan und ein Auftrag zum Offenbarungseid vorgelegt. Auf Ersuchen der Erstbehörde berichtete der Gendarmerieposten Langenlois am 25. August 1990, daß der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben kein Einkommen beziehe (Taschenpfändung) und auch kein Vermögen besitze. Er sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Die Erstbehörde verständigte den Rechtsanwalt des Beschwerdeführers vom Ergebnis der Beweisaufnahme, worauf dieser mit Schriftsatz vom 2. Oktober 1990 folgendes vorbrachte:
"Bezugnehmend auf die Aufforderung zur Stellungnahme vom 17.9.1990, mir zugestellt am 19.9.1990, erlaube ich mir mitzuteilen, daß mein Mandant Herr N, geboren 1955, nunmehr unter der Zuhilfenahme von Zuschüssen dritter Seite in der Lage wäre, die angebotene Ratenzahlung zu leisten. Es kann auch in der nächsten Zeit mit einer geringfügigen Verbesserung der Einkommensverhältnisse gerechnet werden, so daß mein Mandant jedenfalls in der Lage sein wird, die angebotene Ratenzahlung zu leisten. Sohin wird um positive Erledigung des Ratenansuchens ersucht."
Die Erstbehörde wies mit Bescheid vom 25. Oktober 1990 das eingangs erwähnte Ansuchen des Beschwerdeführers vom 11. Juni 1990 mit der Begründung ab, es habe nicht nachgewiesen werden können, daß Zahlungsfähigkeit vorliege und der Beschwerdeführer in der Lage sei, die Geldstrafe in Teilbeträgen zu entrichten. Zahlungsfähigkeit sei aber unbedingte Voraussetzung einer Antragsbewilligung.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorliegen einer Gegenschrift der belangten Behörde erwogen hat:
Gemäß § 54b Abs. 3 VStG in der Fassung der Verwaltungsstrafgesetz-Novelle 1987, BGBl. Nr. 516, hat die Behörde einem Bestraften, dem aus wirtschaftlichen Gründen die unverzügliche Zahlung nicht zuzumuten ist, auf Antrag einen angemessenen Aufschub oder Teilzahlung zu bewilligen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. Erkenntnisse vom 23. Dezember 1983,
Zlen. 82/02/0124, 0132, vom 23. Jänner 1991, Zlen. 90/02/0211 bis 0215 und die in diesen Erkenntnissen zitierte Vorjudikatur) können die wirtschaftlichen und familiären Verhältnisse eines Bestraften triftige Gründe für die Bewilligung der Entrichtung einer Geldstrafe in Teilbeträgen dann sein, wenn anzunehmen ist, daß durch die Bewilligung von Ratenzahlungen vorübergehende finanzielle Schwierigkeiten des Bestraften vermindert oder vermieden werden. Nicht im Sinne des Gesetzes liegt es allerdings, Ratenbewilligungen allein deshalb zu gewähren, damit - ohne jede Möglichkeit einer einzigen Ratenzahlung - die Ersatzarreststrafe nicht vollzogen und allenfalls Vollstreckungsverjährung eintreten solle. Konnte daher die belangte Behörde schlechthin von der Uneinbringlichkeit der Geldstrafen ausgehen, so war sie schon aus diesem Grund berechtigt, den Antrag auf Teilzahlung abzuweisen.
Da der Verwaltungsgerichtshof jedoch gemäß § 41 Abs. 1 VwGG Rechtswidrigkeiten infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auch ohne diesbezügliche Rüge des Beschwerdeführers aufzugreifen hat, muß der belangten Behörde zum Vorwurf gemacht werden, daß sie auf den Schriftsatz des Rechtsanwaltes des Beschwerdeführers vom 2. Oktober 1990 nicht dahin reagierte, daß sie die Konkretisierung der dort aufgezeigten zukünftigen Zahlungsmöglichkeiten verlangte, und zwar einerseits durch Namhaftmachung der "Zuschüsse von dritter Seite" nach der leistenden Person, dem Rechtsgrund der Zahlung, ihrem Zeitpunkt und ihrer Höhe, andererseits nach den bestimmten Umständen der "geringfügigen Verbesserung der Einkommensverhältnisse", z.B. durch Angabe eines zukünftigen Dienstgebers oder Dienstverhältnisses samt der entsprechenden zukünftigen Entlohnung.
Durch die Vernachlässigung der diesbezüglichen Pflicht der belangten Behörde zur amtswegigen Erforschung der Wahrheit hat sie Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG Abstand genommen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Hinsichtlich der Aufteilung der Auferlegung des Aufwandersatzes im Verhältnis fünf Übertretungen der Straßenverkehrsordnung zu einer Übertretung des Kraftfahrgesetzes, somit wie fünf zu eins, wird auf das Erkenntnis vom 23. Oktober 1985, Zl. 85/02/0219, verwiesen.
Schlagworte
Gültigkeit der Kostenbestimmungen InhaltlichEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990180265.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
05.11.2013