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22/02 Zivilprozessordnung;Norm
AVG §46;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Großmann und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Puntigam, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 30. Oktober 1990, Zl. Ge-44.685/7-1990/Pan/Dg, betreffend Bestrafung wegen Übertretung der Bauarbeitenschutzverordnung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 30. Oktober 1990 wurde der nunmehrige Beschwerdeführer "als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ (§ 9 VStG 1950)" der Holzbau F. Gesellschaft m.b.H. einer (vom Sachverhalt her detailliert beschriebenen) am 29. Juni 1989 begangenen Übertretung der Bauarbeitenschutzverordnung, BGBl. Nr. 267/1954, schuldig erkannt und hiefür bestraft.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, aus diesen Gründen den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.
3. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerde bekämpft zunächst die Ansicht der belangten Behörde, daß eine rechtswirksame Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten i.S. des § 9 Abs. 2 VStG nicht vorliege. Die vom Verwaltungsgerichtshof für die Rechtswirksamkeit der Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten aufgestellten Erfordernisse hinsichtlich des Vorliegens eines Zustimmungsnachweises der zum verantwortlichen Beauftragten bestellten Person seien im Beschwerdefall erfüllt. Abgesehen davon, daß auch nach dem von der belangten Behörde zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Juni 1990, Zl. 90/19/0116, der Nachweis der Zustimmung nicht mittels Urkunde erbracht werden müsse (auf dieses Beweismittel werde lediglich demonstrativ hingewiesen), könne der belangten Behörde nicht gefolgt werden, wenn sie den vorliegenden Zustimmungsnachweis nicht als Urkunde werte. Jedenfalls seien in Ansehung der vorgelegten Bestätigung die Voraussetzungen des § 294 ZPO gegeben. Die belangte Behörde hätte daher richtigerweise vom Vorliegen einer rechtswirksamen Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten auszugehen und demnach der Berufung des Beschwerdeführers stattzugeben gehabt. Bereits dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.
2.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wirkt die Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten erst ab dem Zeitpunkt, zu dem der Behörde die Zustimmung der zum verantwortlichen Beauftragten bestellten Person nachgewiesen wird, und tritt erst mit dem Einlangen des Zustimmungsnachweises bei der Behörde ihr gegenüber der namhaft gemachte verantwortliche Beauftragte in rechtswirksamer Weise als Adressat der Verwaltungsstrafnorm an die Stelle des zur Vertretung nach außen Berufenen bzw. des Einzelunternehmers. Es muß bei der Behörde spätestens während des Verwaltungsstrafverfahrens ein - aus der Zeit vor der Begehung der gegenständlichen Übertretung stammender - Zustimmungsnachweis eines derartigen verantwortlichen Beauftragten eingelangt sein. Von einem aus der Zeit vor der Begehung der Verwaltungsübertretung stammenden Zustimmungsnachweis kann nur dann gesprochen werden, wenn ein die Zustimmung zur Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten betreffendes Beweisergebnis schon vor der Begehung der Tat vorhanden war (etwa in Form einer entsprechenden Urkunde, aber auch einer Zeugenaussage etc.). Da dies auf ein erst nach diesem Zeitpunkt zustandegekommenes Beweisergebnis nicht zutrifft, genügt zur Erbringung des vom Gesetzgeber geforderten Zustimmungsnachweises jedenfalls nicht die Berufung auf eine erst im Verwaltungsstrafverfahren abzulegende Zeugenaussage des verantwortlichen Beauftragten oder anderer Personen, mit der die Zustimmung des Erstgenannten zur Bestellung unter Beweis gestellt werden soll. (Vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 18. Juni 1990, Zl. 90/19/0116, und die dort zitierte Vorjudikatur.)
2.2.1. In dem der vorliegenden Beschwerde zugrunde liegenden Verwaltungsstrafverfahren hat der Beschwerdeführer erstmals in seiner Berufung (vom 15. Dezember 1989) behauptet, für den Bereich des Arbeitnehmerschutzrechtes einen "verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 VStG" bestellt zu haben. Diese Behauptung hat er in der Folge belegt: Mit an die belangte Behörde gerichteter Eingabe vom 12. März 1990 legte er dieser ein handschriftlich abgefaßtes Schriftstück folgenden Wortlautes vor:
"Im Mai 1988
Bestätigung
Ich C. F. bestätige, daß mir mein Bruder A. F., Geschäftsführer der Holzbau F. GesmbH, die strafrechtliche Verantwortung auf Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes und Arbeitnehmerschutzgesetzes mir heute überträgt.
Ich bin mir dieser Verantwortung bewußt und nehme diese an
C. F."
Laut der über die dazu von der belangten Behörde veranlaßte Einvernahme des C. F. als Zeuge abgefaßten Niederschrift vom 21. August 1990 wurde die vorstehend wiedergegebene "Bestätigung" von diesem "selbst aufgesetzt und selbstverständlich auch unterschrieben".
2.2.2. Da unter Zugrundelegung dieser Zeugenaussage, die von der belangten Behörde nicht in Zweifel gezogen wurde, die besagte "Bestätigung" vom Aussteller unterschrieben worden ist, und nach der Aktenlage von der belangten Behörde auch keine Bedenken hinsichtlich der Echtheit der Unterschrift des C. F. geäußert worden sind, macht diese "Bestätigung" als Privaturkunde i.S. des § 294 ZPO (§ 47 Abs. 1 AVG) vollen Beweis darüber, daß die darin enthaltene Erklärung vom Genannten (Aussteller) herrührt. Damit hatte die belangte Behörde davon auszugehen, daß C. F. seiner Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten zugestimmt hat. Was die Frage des Nachweises dieser Zustimmung ihr gegenüber anlangt, so war die belangte Behörde im Hinblick auf den im § 46 AVG iVm § 24 VStG verankerten Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel auch im Verwaltungsstrafverfahren gehalten, die in Rede stehende Privaturkunde in ihre Beweiswürdigung einzubeziehen. In diesem Sinne hatte sie - die oben 2.1. dargestellte Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes zugrunde gelegt - zu klären, ob ihr mit dieser Urkunde ein Beweismittel vorliegt, das als ein aus der Zeit vor der Begehung der gegenständlichen Übertretung stammender Zustimmungsnachweis anzusehen ist.
Dies hat die belangte Behörde unterlassen und damit den entscheidungswesentlichen Sachverhalt nicht ermittelt. Dieses Versäumnis ist auf eine Verkennung der Rechtslage zurückzuführen, die in der (verfehlten) Meinung der belangten Behörde Ausdruck gefunden hat, daß der "strenge Zustimmungsnachweis gemäß § 9 Abs. 4 VStG 1950" durch die vorgelegte Bestätigung, da diese nicht als Urkunde zu qualifizieren sei, (überhaupt) nicht erbracht werden könne.
Die dazu von der belangten Behörde erstmals in ihrer Gegenschrift vorgetragene Argumentation, die vorgelegte Bestätigung gebe keinen Aufschluß darüber, ob sie "tatsächlich vor dem gegenständlichen Tatzeitpunkt aufgestellt worden ist, denn eine derartige Bestätigung kann auch jederzeit im nachhinein erstellt worden sein", ist schon deshalb, und damit ohne daß es eines Eingehens auf die Stichhaltigkeit dieses ganz allgemein gehaltenen Hinweises bedürfte, für das verwaltungsgerichtliche Verfahren unbeachtlich, weil im Verwaltungs(straf)verfahren Versäumtes nicht im Rahmen der Gegenschrift nachgeholt werden kann.
3. Nach dem Gesagten leidet der angefochtene Bescheid an inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, daß zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung Stempelgebühren für Beilagen lediglich in der Höhe von S 60,-- zu entrichten waren.
Schlagworte
Beweise Beweismittel Grundsatz der UnbeschränktheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990190597.X00Im RIS seit
22.03.1991