TE Vwgh Erkenntnis 1991/3/22 90/13/0113

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.03.1991
beobachten
merken

Index

23/04 Exekutionsordnung;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

AbgEO §65 Abs1;
AbgEO §65 Abs3;
EO §294;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 90/13/0114 90/13/0115

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Graf als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerden der A Handelsgesellschaft mbH gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 27. März 1990, Zlen. GA 7-659/3/90, GA 7-659/4/90 und GA 7-659/5/90, betreffend Umbuchung und Überrechnung eines Guthabens, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 34.710,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Antrag vom 8. Mai 1989 begehrte die Beschwerdeführerin die Umbuchung des Betrages von S 4,189.119,-- aus einem Guthaben auf ihrem Abgabenkonto auf das Abgabenkonto eines anderen Abgabepflichtigen.

Mit Antrag vom 5. Juli 1989 begehrte die Beschwerdeführerin die Überrechnung eines Betrages von S 267.909,-- auf das Konto eines anderen Abgabepflichtigen beim Finanzamt F sowie die Umbuchung von S 4,377.449,-- auf das Konto eines anderen Abgabepflichtigen.

Mit Bescheid vom 10. August 1989 wies das Finanzamt diese Anträge mit der Begründung ab, die Beschwerdeführerin habe entgegen einer mit ihrem steuerlichen Vertreter getroffenen Vereinbarung keine Bankgarantie vorgelegt.

In der dagegen erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin aus, ihre Umbuchungs- bzw. Überrechnungsanträge seien nach den Bestimmungen der BAO berechtigt, weshalb ihnen auch ohne Erstellung einer Bankgarantie stattzugeben gewesen wäre.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 28. November 1989 wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab und führte aus, auf Grund des (zur Sicherstellung von Abgabenforderungen in der Höhe von S 257,668.246,-- erlassenen) Sicherstellungsauftrages vom 22. November 1989 habe der Anspruch der Beschwerdeführerin auf Rückerstattung des auf ihrem Abgabenkonto bestehenden Guthabens in der Höhe von S 14,859.276,-- gepfändet werden müssen. Da nach Durchführung dieser finanzbehördlichen Maßnahme auf dem Abgabenkonto der Beschwerdeführerin kein Guthaben mehr bestehe, könnten auch keine Umbuchungen bzw. Überrechnungen durchgeführt werden.

In ihrem Vorlageantrag vom 21. Dezember 1989 führte die Beschwerdeführerin aus, das Guthaben wäre gemäß § 215 Abs. 4 BAO zurückzuzahlen, umzubuchen oder zu überrechnen gewesen. Gemäß § 239 Abs. 2 BAO könne die Abgabenbehörde den Rückzahlungsbetrag auf jenen Teil des Guthabens beschränken, der die der Höhe nach festgesetzten Abgabenschuldigkeiten übersteigt, die der Abgabepflichtige nicht später als drei Monate nach der Stellung des Rückzahlungsantrages zu entrichten haben werde. Innerhalb der drei Monate seien keine Abgaben festgesetzt worden, umso weniger könne der Sicherstellungsauftrag vom 22. November 1989 den gestellten Anträgen hinderlich sein.

Mit dem erstangefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab und führte begründend aus, auf Grund des Sicherstellungsauftrages vom 22. November 1989 seien vom Finanzamt Sicherstellungsmaßnahmen gesetzt worden, u.a. sei das zu diesem Zeitpunkt bestehende Abgabenguthaben der Beschwerdeführerin in der Höhe von S 14,859.276,-- zur Sicherstellung gepfändet worden. Da die Abgabenbehörde sowohl betreibender Gläubiger als auch Drittschuldner gewesen sei, sei die Pfändung in Form eines Zweitverbotes ergangen. Mit der Zustellung der Pfändungsverfügung (= Zahlungsverbot) am 22. November 1989 sei die Pfändung als bewirkt anzusehen. Ab diesem Zeitpunkt habe die Abgabenbehörde keine das Bestehen der Forderung betreffende Verfügungen mehr befolgen dürfen. Auch wenn die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides unzutreffend gewesen sei, sei bei der Berufungsentscheidung auf die erfolgte Pfändung des Guthabens Bedacht zu nehmen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die zur Zl. 90/13/0113 protokollierte Beschwerde.

1.2. Mit Antrag vom 4. August 1989 begehrte die Beschwerdeführerin die Überrechnung eines Betrages von S 484.600,-- auf das Konto eines anderen Abgabpflichtigen beim Finanzamt F sowie die Umbuchung von S 3,959.628,-- auf das Konto eines anderen Abgabepflichtigen.

Diesen Antrag wies das Finanzamt mit Bescheid vom 23. August 1989 mit derselben Begründung ab, die es bereits in dem unter Punkt 1.1. genannten Bescheid vom 10. August 1989 verwendet hatte.

Der Inhalt der folgenden Berufung, der Berufungsvorentscheidung, des Vorlageantrages und des (zweitangefochtenen) Bescheides der belangten Behörde deckt sich im wesentlichen mit den unter Punkt 1.1. beschriebenen entsprechenden Verfahrensschritten.

Gegen den zweitangefochtenen Bescheid richtet sich die zur Zl. 90/13/0114 protokollierte Beschwerde.

1.3. Mit Antrag vom 8. September 1989 beantragte die Beschwerdeführerin die Umbuchung eines Betrages von S 730.067,-- auf das Konto eines anderen Abgabepflichtigen.

Diesen Antrag wies das Finanzamt mit Bescheid vom 22. September 1989 ab, dessen Begründung mit der im oben genannten Bescheid vom 10. August 1989 verwendeten Begründung übereinstimmt.

Auch der Inhalt der weiteren Verfahrensschritte (Berufung, Berufungsvorentscheidung, Vorlageantrag, Begründung des drittangefochtenen Bescheides) entspricht im wesentlichen dem Inhalt der unter Punkt 1.1. beschriebenen entsprechenden Verfahrensschritte.

Gegen den drittangefochtenen Bescheid richtet sich die zur Zl. 90/13/0115 protokollierte Beschwerde.

1.4. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und darüber erwogen:

2.1. Gemäß § 78 Abs. 3 Abgabenexekutionsordnung (AbgEO) sind auf die zur Sicherung von Abgaben vorgenommenen Vollstreckungshandlungen die Bestimmungen des I. Teiles sinngemäß anzuwenden.

Gemäß § 65 Abs. 1 leg. cit. erfolgt die Vollstreckung auf Geldforderungen des Abgabenschuldners mittels Pfändung derselben. Sofern nicht die - hier nicht in Betracht kommende - Bestimmung des § 67 zur Anwendung kommt, geschieht die Pfändung dadurch, daß das Finanzamt dem Drittschuldner verbietet, an den Abgabenschuldner zu bezahlen. Zugleich ist dem Abgabenschuldner selbst jede Verfügung über seine Forderung sowie über das für dieselbe etwa bestellte Pfand und insbesondere die Einziehung der Forderung zu untersagen.

Gemäß § 65 Abs. 2 leg. cit. ist sowohl dem Drittschuldner wie dem Abgabenschuldner hiebei mitzuteilen, daß die Republik Österreich an der betreffenden Forderung ein Pfandrecht erworben hat. Die Zustellung des Zahlungsverbotes ist zu eigenen Handen vorzunehmen.

Gemäß § 65 Abs. 3 leg. cit. ist die Pfändung mit Zustellung des Zahlungsverbotes an den Drittschuldner als bewirkt anzusehen.

2.2. Die im § 65 AbgEO enthaltene Regelung der Forderungspfändung ist weitgehend wörtlich den Bestimmungen über die Forderungspfändung im § 294 EO nachgebildet worden. In beiden Gesetzesstellen ist ausdrücklich angeordnet, daß die Pfändung mit der Zustellung des Zahlungsverbotes an den Drittschuldner bewirkt wird. Die Zustellung des Zahlungsverbotes ist somit der konstitutive Akt, mit dem das Pfandrecht zugunsten der Republik Österreich (des betreibenden Gläubigers) begründet wird, weshalb der Zustellung des Verfügungsverbotes an den Abgabenschuldner (den Verpflichteten) nur deklarative Wirkung zukommt (siehe das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1988, Zl. 85/14/0021; vgl. ferner Heller-Berger-Stix, Kommentar zur EO, Seite 2130; MGA EO,

12. Auflage, E. Nr. 65 zu § 294).

Auch in den Fällen, in denen die Abgabenbehörde auf Grund eines Guthabens des Abgabenschuldners selbst als Drittschuldner anzusehen ist, bedarf es der Erlassung des Zahlungsverbotes (sogenanntes Zweitverbot), um das Pfandrecht an dem Guthaben zu begründen (siehe auch dazu das oben zitierte Erkenntnis vom 19. Jänner 1988).

2.3. Die Beschwerdeführerin macht u.a. geltend, daß die von der belangten Behörde ins Treffen geführte Pfändung ihres Guthabens in Wahrheit nicht erfolgt sei, weil es an der Erlassung und Zustellung eines Zahlungsverbotes mangle.

Die im Akt erliegende Pfändungsverfügung vom 22. November 1989 hat folgenden Wortlaut:

"Auf Grund des Sicherstellungsauftrages vom 22.11.1989 wird zur Sicherstellung des Abgabenanspruches v. 257,668.246,-- der Anspruch des Abgabenschuldners gegen das Finanzamt für Körperschaften auf Rückerstattung des derzeitigen Ü-Saldos in Höhe von S 14,859.276,-- gepfändet.

Der Abgabenschuldner hat sich jeder Verfügung über den gepfändeten Rückerstattungsanspruch zu enthalten."

Die Beschwerdeführerin macht mit Recht geltend, daß diese Pfändungsverfügung kein Zahlungsverbot, sondern neben der Anordnung der Pfändung nur das an den Abgabenschuldner gerichtete Verfügungsverbot enthält. Durch die Übermittlung dieser Pfändungsverfügung an die Finanzkasse konnte somit kein Pfandrecht begründet werden.

Die angefochtenen Bescheide, in denen jeweils von der wirksamen Begründung eines Pfandrechtes zugunsten der Republik Österreich ausgegangen wurde, waren daher schon aus diesem Grund wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, sodaß auf das weitere Beschwerdevorbringen nicht eingegangen zu werden brauchte.

2.4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990130113.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten