TE Vwgh Erkenntnis 1991/3/22 87/18/0061

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Veröffentlicht am 22.03.1991
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §45 Abs2;
StVO 1960 §4 Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Degischer und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Kurt N gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 18. März 1987, Zl. MA 70-11/1213/86/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Favoriten, vom 6. August 1984 war der Beschwerdeführer für schuldig befunden worden, am 4. April 1984 um 9,45 Uhr als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws "und Beteiligter an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in Wien 10., Favoritenstraße bei Nr. 119" in der Folge nicht ohne unnötigen Aufschub "Selbstanzeige bei der nächsten Polizeidienststelle erstattet" zu haben, obwohl ein gegenseitiger Nachweis der Identität mit dem Eigentümer eines anderen beschädigten Kraftfahrzeuges nicht durchgeführt worden sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 begangen, weshalb über ihn eine Geld- und Ersatzarreststrafe verhängt worden ist.

Nachdem die belangte Behörde dieses Straferkenntnis mit Bescheid vom 12. Juli 1985 gemäß § 66 Abs. 2 AVG 1950 behoben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz verwiesen hatte, erging nach einer Ergänzung des Ermittlungsverfahrens das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Favoriten, vom 3. Juni 1986, mit welchem dem Beschwerdeführer angelastet worden ist, eine Übertretung der erwähnten Vorschrift begangen zu haben, weil er zur angegebenen Zeit "in 10., Favoritenstraße 119" als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws "und ursächlich Beteiligter an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in der Folge nicht ohne unnötigen Aufschub Meldung an die nächste Polizeidienststelle erstattet" habe. Über den Beschwerdeführer wurde neuerlich eine Geld- und Ersatzarreststrafe verhängt.

Mit Bescheid der Wiener Landesregierung vom 18. März 1987 wurde dieses Straferkenntnis auf Grund der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 bestätigt.

Die Berufungsbehörde stützte ihren Schuldspruch im wesentlichen auf die Aussagen der Zeugen Gerhard und Erna S., der Geschädigten Jutta M. sowie auf ein Gutachten des technischen Amtssachverständigen, und führte zur Beweiswürdigung aus, daß sie den Angaben der Zeugen S. mehr Glauben schenke als jenen des Beschwerdeführers. Die Zeugen würden auf Grund ihrer verfahrensrechtlichen Stellung der Wahrheitspflicht unterliegen und müßten bei deren Verletzung mit strafrechtlichen Sanktionen rechnen, wogegen den Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Beschuldigten keine derartigen Pflichten bzw. Sanktionen treffen würden. Für die Berufungsbehörde habe somit kein Anlaß bestanden, an den klaren, widerspruchsfreien und schlüssigen Aussagen der Augenzeugen Gerhard und Erna S. sowie der Geschädigten Jutta M. zu zweifeln, wobei insbesondere bei dem Ehepaar S. zu berücksichtigen gewesen sei, daß es sich um unbeteiligte Unfallzeugen, die kein konkretes Interesse an der Verfolgung des Beschwerdeführers gehabt hätten, handle. Aus dem Akt ergäbe sich auch sonst kein Anhaltspunkt, daß die unbeteiligten Zeugen eine ihnen unbekannte Person wahrheitswidrig hätten belasten wollen. Hinsichtlich des Zeugen K. (eines Bediensteten des Verkehrsamtes der Bundespolizeidirektion Wien, bei welchem der Beschwerdeführer eine Auskunft über den Zulassungsbesitzer eines Kraftfahrzeuges eingeholt hatte) sei festzuhalten, daß seinen Angaben kein den Beschwerdeführer entlastender Umstand habe entnommen werden können, da er weder bezüglich der Fahrzeugfarbe, noch der Wagentype konkrete Erinnerungen gehabt habe. Es könne sogar angenommen werden, daß, da eine Farbübereinstimmung bestehe, der Beschwerdeführer eine Auskunft betreffend das Fahrzeug der Geschädigten eingeholt habe, zumal sich der Beschwerdeführer offenbar auch mit der Geschädigten in Verbindung gesetzt habe, bevor er von der Polizei erstmals zu dem gegenständlichen Vorfall befragt worden sei.

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsstrafakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

In Erwiderung auf die einleitend geltend gemachte Mangelhaftigkeit der Tatortumschreibung

("10., Favoritenstraße 119") ist festzuhalten, daß der Beschwerdeführer im Sinne des hg. Erkenntnisses eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Slg. N. F. Nr. 11.894/A, dadurch nicht in seinen Verteidigungsrechten beschränkt worden ist, weil auch für ihn nie ein Zweifel daran bestanden hat, daß es sich bei dieser Tatortbezeichnung nur um den 10. Wiener Gemeindebezirk handeln kann. Andernfalls hätte der Beschwerdeführer allfällige diesbezügliche Unklarheiten bereits in der Berufung gegen das von der belangten Behörde auch in dieser Hinsicht bestätigte Straferkenntnis vom 3. Juni 1986 geltend gemacht, wozu aber auch deshalb kein Anlaß bestanden hat, weil schon in dem dem Straferkenntnis vom 3. Juni 1986 vorausgegangenen und, wie erwähnt, mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 12. Juli 1985 aufgehobenen Straferkenntnis vom 6. August 1984 davon die Rede war, daß der "Verkehrsunfall mit Sachschaden in Wien 10., Favoritenstraße bei Nr. 119" stattgefunden hat. In Ermangelung eines Verstoßes gegen das Konkretisierungsgebot des § 44a lit. a VStG 1950 kann es dahingestellt bleiben, ob die belangte Behörde auch nach Ablauf der Frist des § 31 Abs. 3 VStG 1950 zur Erlassung eines diesbezüglichen Berichtigungsbescheides im Sinne des § 62 Abs. 4 AVG 1950 berechtigt gewesen wäre.

Da der Beschwerdeführer im übrigen die Beweiswürdigung der belangten Behörde bekämpft, ist daran zu erinnern, daß dem Verwaltungsgerichtshof eine Kontrolle der Beweiswürdigung nur insoweit zusteht, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen, nicht aber, ob der Akt der Beweiswürdigung in dem Sinne richtig ist, daß z.B. eine den Beschwerdeführer belastende und nicht dessen Verantwortung den Tatsachen entspricht (vgl. auch dazu das schon erwähnte hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985).

Zur Rüge des Beschwerdeführers, die aus der Aussage des Zeugen K. abgeleitete Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe sich mit der Geschädigten in Verbindung gesetzt, bevor er von der Polizei zu dem Vorfall befragt worden sei, sei unschlüssig, ist zu bemerken, daß es auf sich beruhen kann, ob der Name und die Anschrift der Geschädigten dem Beschwerdeführer erst anläßlich einer telefonischen Befragung durch Bezirksinspektor F. am 3. Mai 1984 bekannt geworden sind, weil im gegebenen Zusammenhang entscheidend ist, ob der Beschwerdeführer bereits am Unfallsort erkannt hat,

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zumindest - ein Fahrzeug der Marke Peugeot (und nicht vielleicht auch eines der Marke VW) beschädigt zu haben. Eine derartige Schlußfolgerung ist aber auf Grund der Aussage des

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vom Ausgang des Verfahrens nicht betroffenen - Zeugen Gerhard S. vom 25. Mai 1984 gerechtfertigt, weil dieser ausdrücklich erklärt hat, daß der Beschwerdeführer aus seinem Fahrzeug ausgestiegen sei, "den Peugeot besichtigte" und wieder in sein Fahrzeug eingestiegen sei, ohne eine "Verständigung am Fahrzeug anzubringen". Es bestand daher für die belangte Behörde auch keine Veranlassung zu einer ergänzenden Einvernahme dieses Zeugen, um ihn zu befragen, welchen Pkw der Beschwerdeführer nach der Kollision besichtigt habe, weshalb die diesbezügliche Verfahrensrüge des Beschwerdeführers unbegründet ist.

Auf Grund des Gesagten steht aber fest, daß der Beschwerdeführer die Möglichkeit einer Beschädigung des Fahrzeuges der Marke Peugeot in Erwägung gezogen hat. Bei entsprechender Aufmerksamkeit hätte ihm daher auffallen müssen, daß jedenfalls bei diesem Fahrzeug auch tatsächlich ein Schaden eingetreten ist (laut polizeilicher Verkehrsunfallsmeldung "am linken vorderen Kotflügel Dellen und Kratzspuren"), weshalb er zufolge § 4 Abs. 5 StVO 1960 die nächste Polizeidienststelle von diesem Verkehrsunfall mit Sachschaden ohne unnötigen Aufschub zu verständigen gehabt hätte.

Es bedarf daher keiner Erörterungen, ob der Beschwerdeführer zur Tatzeit am Tatort - auch - "mit einem VW-Jetta einen VU hatte" (vgl. den Polizeibericht vom 12. Mai 1984). Unter diesen Umständen ist auch ohne Belang, daß sich der als Zeuge vernommene Bedienstete des Verkehrsamtes der Bundespolizeidirektion Wien nicht mehr an die "Kfz-Type" jenes Fahrzeuges erinnern konnte, nach dessen Zulassungsbesitzer sich der Beschwerdeführer erkundigt hat, und welche Folgen sich daraus für den vorliegenden Schuldspruch der belangten Behörde ergeben. Ferner kann der belangten Behörde keine unter dem Gesichtspunkt des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG relevante Verletzung von Verfahrensvorschriften angelastet werden, wenn sie den Zeugen S. nicht danach gefragt hat, ob sich am Tatort "z.B. neben dem Peugeot noch ein weiteres Fahrzeug, d.h. der von mir angegebene VW befunden hat", wobei in Erwiderung auf ein diesbezügliches Beschwerdevorbringen zu ergänzen ist, daß nicht zu erkennen ist, inwiefern diesem Zeugen bei der Bezeichnung der Fahrzeugmarke Peugeot eine Verwechslung unterlaufen sein soll, wenn davon auszugehen ist, daß sich ein Fahrzeug dieser Marke zur Tatzeit tatsächlich am Tatort befunden hat.

Die behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides liegt daher nicht vor, weshalb sich die Beschwerde als unbegründet erweist und gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1987180061.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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