TE Vwgh Erkenntnis 1991/3/22 86/18/0241

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Veröffentlicht am 22.03.1991
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §14 Abs2 litc;
StVO 1960 §43;
StVO 1960 §44;
StVO 1960 §55 Abs4;
StVO 1960 §9 Abs7;
StVO 1960 §98 Abs3;
StVO 1960 §98 Abs4;
VwGG §41;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der Anna N gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 11. September 1986, Zl. MA 70-10/8/86/Str, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtich der Übertretung nach § 9 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung 1960 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, hinsichtlich der Übertretung nach § 14 Abs. 2 lit. c der Straßenverkehrsordnung 1960 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Berufungsbescheid der Wiener Landesregierung vom 11. September 1986 wurde die Beschwerdeführerin im Instanzenzug für schuldig erkannt, sie habe am 17. Jänner 1985 um 9.15 Uhr in Wien 16, Thaliastraße Nr. 18, als Lenkerin eines dem Kennzeichen nach bestimmten Fahrzeuges, beim Wegfahren in Richtung stadtauswärts 1) eine Sperrfläche befahren und 2) ihr Fahrzeug bei starkem Verkehr umgekehrt und sei in Richtung stadteinwärts weitergefahren. Sie habe hiedurch zu 1) eine Verwaltungsübertretung nach § 9 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), zu 2) eine solche nach § 14 Abs. 2 lit. c StVO begangen; es wurden Geld- und Ersatzarreststrafen verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorliegen einer Gegenschrift der belangten Behörde und nach Vorlage des Verordnungsaktes der Magistratsabteilung 46 erwogen hat:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053 und die darauf folgende Rechtsprechung) kann der Verwaltungsgerichtshof auf Grund seiner eingeschränkten Prüfungsbefugnis in einem Verfahren über eine Bescheidbeschwerde nicht überprüfen, ob der Akt einer Beweiswürdigung richtig in dem Sinne ist, daß z.B. eine den Beschwerdeführer belastende Darstellung und nicht dessen Verantwortung den Tatsachen entspricht. Die Richtigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde im Sinne dieser Rechtsprechung kann daher dahingestellt bleiben; schlüssig ist die Beweiswürdigung deshalb, weil die Behörde auf den Seiten 2 und 3 des angefochtenen Bescheides zwischen ihren auf der Zeugenaussage des Meldungslegers aufbauenden Feststellungen und der Verantwortung der Beschwerdeführerin, wonach eben dieser Meldungsleger kurz vor der Tatzeit gegen sie eine Organstrafverfügung erließ, einen solchen Zusammenhang herstellte, der die Frage der Farbe des PKWs der Beschwerdeführerin - bei unbestrittener Übereinstimmung der Marke und Type des Fahrzeuges - in den Hintergrund treten läßt.

Nach der Rechtslage zur Zeit der Tat und zur Zeit des erstinstanzlichen Straferkenntnisses vom 29. August 1985, somit vor Inkrafttreten der 13. Novelle zur StVO mit 1. Mai 1986, bedurfte eine Sperrfläche einer Verordnung als Rechtsgrundlage (so die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, z. B. Erkenntnis vom 10. Februar 1982, Slg. N.F. Nr. 10649/A). An einer solchen Grundlage fehlt es aber bei der gegenständlichen Sperrfläche nach dem Inhalt des Aktes der Magistratsabteilung 46, Zl. V 16-121/80: Nach der dort inliegenden Skizze befindet sich vor dem Hause Thaliastraße 18, zwar nicht unmittelbar am Rande der Fahrbahn, jedoch im Bereich der Straßenbahnschienen, eine dreieckige Sperrfläche, wobei das Dreieck an seiner Basis laut Skizze ungefähr 2.50 m mißt und sich stadteinwärts mit zueinander laufenden Dreiecksschenkeln auf ungefähr 17.50 m erstreckt. Die am 20. Jänner 1981 erlassene Verordnung hat nach ihrem Wortlaut das zum Inhalt, was als Ergebnis unter Punkt 6. der Niederschrift festgehalten ist. In den dort aufscheinenden Ziffern 1) bis 5) ist die geschilderte Sperrfläche nicht enthalten, zumindest nicht erkennbar: Die Ziffer 1) a) behandelt die Aufhebung einer früheren Vorrangregelung, die Ziffer 1) b) die Setzung einer Vorrangregelung, die Ziffer 2) die Aufhebung eines früheren Fahrtrichtungsgebotes, die Ziffer 3) die Anordnung eines Halte- und Parkverbotes, die Ziffer 4) die Anordnung eines Geradeaus- und Rechtsfahrgebotes, schließlich lautet die Ziffer 5):

"In Wien 16, Thaliastraße, werden im Bereich der Kreuzung mit der Panikeng.-Feßtg. sowie der Brunneng. FBM gemäß ZNr.: 13481, 13486 festgelegt."

Da der gegenständliche Tatort nahe der Kreuzung Thaliastraße-Brunnengasse liegt, ist nicht ausgeschlossen, daß die Ziffer 5) etwas mit der - angeblich - verordneten Sperrfläche zu tun haben soll, allein kann darin infolge der unverständlichen Abkürzung "FBM" und dem unverständlichen Verweis auf die ZNr.: 13481, 13486 kein rechtsgültiger Verordnungstext entnommen werden.

Die Beschwerdeführerin durfte daher straflos die sich auf keine Verordnung stützende Sperrfläche befahren.

Gemäß § 14 Abs. 2 lit. c StVO ist das Umkehren verboten bei starkem Verkehr.

Der Verwaltungsgerichtshof ist in Übereinstimmung mit den Autoren Benes-Messiner, Straßenverkehrsordnung8, Anmerkung 4 zu § 14, der Ansicht, daß die Worte "starker Verkehr" ein der Auslegung bedürftiger unbestimmter Rechtsbegriff sind. Die erste Instanz führte in ihrer Begründung über den "starken Verkehr" überhaupt nichts aus; die zweite Instanz verwendete an zwei Stellen (Seite 2 und 3 des angefochtenen Bescheides) bloß den Gesetzeswortlaut "bei starkem Verkehr", ohne im näheren zu begründen, aus welchen Umständen das Vorliegen eines solchen starken Verkehres geschlossen werden konnte.

Hinsichtlich der Umschreibung dieses Rechtsbegriffes teilt der Verwaltungsgerichtshof die Rechtsansicht der oben zitierten Autoren, wonach starker Verkehr, bei dem das Umkehren verboten ist, dann anzunehmen sein wird, wenn das Umkehren nicht zwischen den einzelnen herannahenden Fahrzeugen - ohne diese in ihrer Fortbewegung zu behindern - durchgeführt werden kann, das heißt, wenn nur "kleine" - dies im Hinblick auf die Geschwindigkeit der übrigen Fahrzeuge - Verkehrslücken bestehen.

Die belangte Behörde hat ihre Begründungspflicht dadurch verletzt, daß sie nicht dartat, aus welchen tatsächlichen Umständen sie auf das Vorliegen eines starken Verkehrs schloß.

Der angefochtene Bescheid war somit hinsichtlich der Übertretung nach § 9 Abs. 1 StVO wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, hinsichtlich der Übertretung nach § 14 Abs. 2 lit. c StVO wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

Schlagworte

Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7Verordnungen Verhältnis Verordnung - Bescheid VwRallg4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1986180241.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

01.03.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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