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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §115 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr.Graf als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der Firma H & Co. gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 29. August 1990, Zl. 6/5-1748/90-04, betreffend Bescheidbehebung gemäß § 299 Abs. 2 BAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Bescheidbehebung hinsichtlich der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb für die Jahre 1984 bis 1986 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution Aufwendungen in der Höhe von S 11.630,-- zu ersetzen.
Begründung
Im Anschluß an eine abgabenbehördliche Prüfung (BP) versagte das Finanzamt einer echten stillen Beteiligung an der beschwerdeführenden Kommanditgesellschaft die steuerliche Anerkennung. Den dadurch bewirkten Gewinnerhöhungen trug das Finanzamt gleich der BP durch Anpassung (Erhöhung) der Gewerbesteuerrückstellung Rechnung.
Der Berufung gegen die die Jahre 1984 bis 1986 betreffenden Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb und die für den selben Zeitraum erlassenen Gewerbesteuerbescheide gab das Finanzamt mit Berufungsvorentscheidungen insoweit statt, als die sich aus der Nichtanerkennung der stillen Beteiligung ergebenden Erfolgsauswirkungen rückgängig gemacht und demgemäß für das Jahr 1984 S 770.199,--, für 1985 S 888,882,-- und für 1986 S 1,092.953,-- gewinnmindernd berücksichtigt wurden. Eine Anpassung der Gewerbesteuerrückstellungen an die neuberechneten Gewinne nahm das Finanzamt nicht vor.
Die belangte Behörde erblickte darin eine inhaltliche Rechtswidrigkeit der Berufungsvorentscheidungen und hob sie mit dem angefochtenen Bescheid in Ausübung des Aufsichtsrechts gemäß § 299 Abs. 2 BAO auf. Gemäß § 4 Abs. 4 Z. 6 EStG 1972 sei bei Steuerpflichtigen, die den Gewinn nach § 4 Abs. 1 oder § 5 ermittelten, die auf das Kalenderjahr entfallende Gewerbesteuer, soweit sie die festgesetzten Vorauszahlungen übersteige, als Betriebsausgabe anzusetzen. Daraus ergebe sich, daß im Zuge der Berufungsvorentscheidungen die Gewerbesteuerrückstellungen den nicht bloß geringfügigen Gewinnänderungen angepaßt hätten werden müssen. Darüberhinaus habe das Finanzamt entgegen der Bestimmung des § 7 Z. 3 GewStG 1953 die Gewinnanteile des stillen Gesellschafters für die Streitjahre nicht dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzugerechnet. Da sich die Berufungsvorentscheidungen damit als fehlerhaft erwiesen, seien sie aus Gründen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und im Hinblick auf den Vorrang des Grundsatzes der Rechtsrichtigkeit vor dem der Rechtsbeständigkeit aufzuheben gewesen.
Vorliegende Beschwerde macht sowohl inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides als auch dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin wirft der belangten Behörde zunächst vor, sie hätte im angefochtenen Bescheid den für die Bescheidbehebung maßgeblichen Sachverhalt nicht ausreichend dargelegt und die Bescheidbehebung unzureichend begründet. Der Verwaltungsgerichtshof hält diesen Vorwurf nicht für berechtigt. Denn entscheidungswesentlich ist der Sachverhalt, daß mit den Berufungsvorentscheidungen der stillen Beteiligung bei der Beschwerdeführerin durch Gewinnminderungen Rechnung getragen wurde, ohne die Gewerbesteuerrückstellung entsprechend dem verminderten Gewinn herabzusetzen und ohne die Gewinnanteile des stillen Gesellschafters durch eine Hinzurechnung gemäß § 7 Z. 3 GewStG 1953 zu berücksichtigen. Diesen Sachverhalt hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid auch dargestellt. Sie hat anhand der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen auch hinreichend begründet, daß nach ihrer Auffassung die fehlende Anpassung der Gewerbesteuerrückstellung bei der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte und die fehlende Hinzurechnung nach § 7 Z. 3 GewStG 1953 bei der Gewerbesteuerfestsetzung in den Berufungsvorentscheidungen im Sinne einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit das Gesetz verletzten. Eine Rechtswidrigkeit liegt entgegen der Aufassung der Beschwerdeführerin nicht nur vor, wenn sie "den GRUND der Entscheidung gemäß § 188 BAO", sondern auch dann, wenn sie "die HÖHE der Steuerbeträge" (Einkünfte) betrifft.
Wenn die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang § 293 Abs. 1 BAO ins Spiel bringt und die Meinung vertritt, mit der unterbliebenen Anpassung der Gewerbesteuerrückstellung bzw. Hinzurechnung nach § 7 Z. 3 GewStG 1953 wäre dem Finanzamt lediglich ein zu berichtigendes Versehen unterlaufen, verkennt sie den normativen Gehalt des § 293 Abs. 1 BAO. Wie der Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, sollte mit § 293 Abs. 1 BAO die Möglichkeit geschaffen werden, Fehler zu berichtigen, die in einem Auseinanderklaffen von tatsächlichem Bescheidwillen und formeller Erklärung des Bescheidwillens bestehen. Fehler, die der Abgabenbehörde im Zuge ihrer Willensbildung unterlaufen, sind hingegen nicht berichtigungsfähig im Sinne des § 293 BAO. Die Willensbildung einer bescheiderlassenden Behörde ist ein Denkprozeß, dessen Ergebnis als Bescheidwille in Erscheinung tritt. Fakten, die während dieses Denkprozesses in Vergessenheit geraten sind, können nicht Gegenstand der Willensbildung sein. Sie führen vielmehr, soweit sie für den Denkprozeß relevant wären, zu einer unrichtigen oder unvollständigen Willensbildung, deren unmittelbare Auswirkung auf den jeweiligen Bescheid auch dann nicht gemäß § 293 BAO berichtigt werden kann, wenn der Fehler in der Willensbildung klar zu Tag tritt (siehe zuletzt das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Juni 1990, Zl. 89/13/0113). Im Beschwerdefall vergaß das Finanzamt bei Erstellung der Berufungsvorentscheidungen die Anpassung der Gewerbesteuerrückstellung und die Hinzurechnung gemäß § 7 Z. 3 GewStG 1953; nach den eben wiedergegebenen Ausführungen des Erkenntnisses Zl. 89/13/0113 stellt dieses Vergessen kein berichtigungsfähiges Versehen dar. Selbst wenn dem aber nicht so wäre, hätte die belangte Behörde das Gesetz nicht verletzt, wenn sie statt der Berichtigung gemäß § 293 Abs. 1 eine Bescheidbehebung nach § 299 Abs. 2 BAO vornahm (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Dezember 1968, Zl. 301/67, Slg.Nr. 3.834/F).
Eine Verpflichtung der Behörde, der Beschwerdeführerin vor Erlassung des Aufhebungsbescheides diese Absicht bekanntzugeben, bestand, anders als die Beschwerdeführerin meint, nicht (hg. Erkenntnisse vom 29. September 1982, Zl. 82/13/0127, und vom 19. September 1989, Zl. 88/14/0174). Parteiengehör wäre der Beschwerdeführerin nach dieser und auch sonst ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu gewähren gewesen, wenn ein neuer Sachverhalt angenommen oder neue Beweise aufgenommen worden wären. Beides traf im Beschwerdefall aber nicht zu.
Teilweise im Recht ist die Beschwerdeführerin allerdings mit ihrem auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gegründeten Einwand, daß - bei zutreffender Ausübung des der Oberbehörde in § 299 BAO eingeräumten Ermessens - eine bloß geringfügige Rechtswidrigkeit eine Bescheidbehebung gemäß § 299 Abs. 2 leg.cit. nicht rechtfertigt; verwiesen sei auf die hg. Erkenntnisse vom 30. Juni 1986, Zl. 84/15/0047, vom 3. September 1987, Zl. 86/16/0160, vom 19. September 1989, Zl. 88/14/0174, vom 7. November 1989, Zl. 86/14/0158, und insbesondere auf das Erkenntnis vom 10. Mai 1988, Zl. 85/14/0034). Die belangte Behörde hatte zwar, wie erwähnt, die Beschwerdeführerin zur beabsichtigten Bescheidbehebung gemäß § 299 Abs. 2 BAO nicht zu hören. Ohne dieses Parteiengehör hatte die Beschwerdeführerin allerdings erst in der Beschwerde Gelegenheit, den von der Oberbehörde (belangten Behörde) ins Treffen geführten Behebungsgründen den Einwand bloß geringfügiger Rechtswidrigkeit entgegenzuhalten.
Dieser Einwand trifft nun zwar hinsichtlich der Gewerbesteuer nicht zu, weil bei einer unterbliebenen Hinzurechnung von jeweils mehreren hunderttausend Schilling zum Gewinn aus Gewerbebetrieb gemäß § 7 Z. 3 GewStG 1953 von einer bloß geringfügigen Rechtswidrigkeit keine Rede mehr sein kann. Insoweit war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen. Bei der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO zeigt der Einwand bloß geringfügiger Rechtswidrigkeit jedoch einen Begründungsmangel des angefochtenen Bescheides auf. Denn es mindern zwar bei der Bildung (Anpassung) der Gewerbesteuerrückstellung die Gewinnanteile des stillen Gesellschafters zunächst den Gewinn aus Gewerbebetrieb, bei der Ermittlung des für die Gewerbesteuerrückstellung maßgeblichen Gewerbeertrages sind sie ihm aber gemäß § 7 Z. 3 GewStG 1953 wieder hinzuzurechnen. Bei dieser Sachlage wäre die belangte Behörde verhalten gewesen, in der Begründung für ihre Ermessensübung auch darzulegen, warum das hinsichtlich der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte als inhaltliche Rechtswidrigkeit der Berufungsvorentscheidungen gerügte Fehlen der Anpassung der Gewerbesteuerrückstellungen nicht eine bloß geringfügige Rechtswidrigkeit bewirkte. Die (im übrigen selbst in der Gegenschrift) fehlende Begründung bedeutet in Bezug auf die die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte betreffende Bescheidbehebung einen Verfahrensmangel, sodaß der angefochtene Bescheid insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit.c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr.104/91, insbesondere auf deren Art. III Abs. 2.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990130243.X00Im RIS seit
22.03.1991Zuletzt aktualisiert am
14.10.2009