TE Vwgh Erkenntnis 1991/3/22 90/19/0220

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Veröffentlicht am 22.03.1991
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Index

21/03 GesmbH-Recht;
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

AAV §70 Abs2;
ASchG 1972 §31 Abs2 litp;
GmbHG §18;
VStG §5 Abs1;
VStG §9 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Großmann und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Puntigam, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 29. Dezember 1989, Zl. MA 63-D 4/89/Str, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Arbeitnehmerschutzgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (der belangten Behörde) vom 29. Dezember 1989 wurde der nunmehrige Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung des Arbeitgebers, der D. Baugesellschaft m.b.H. in Wien XIX, H.-Straße 28, nach außen Berufener im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG 1950 zu verantworten, daß am 18. Oktober 1988 auf der Baustelle in Wien XIV, L. Straße, den namentlich genannten sieben Arbeitnehmern für die bei den durchzuführenden Arbeiten (Rohbau, Schalungs- und Mauerungsarbeiten) die Gefahr einer Fußverletzung bestanden habe, kein passender, zweckentsprechender Schutz aus geeignetem Material, wie Sicherheitsschuhe, zur Verfügung gestellt worden sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 31 Abs. 2 lit. p des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl. Nr. 234/1972 (ASchG), in Verbindung mit § 70 Abs. 2 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung, BGBl. Nr. 218/1983 (AAV), begangen. Es wurde gemäß § 31 Abs. 2 ASchG eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die belangte Behörde - soweit hier von Belang - aus, der Beschwerdeführer habe zu dem ihm zur Last gelegten Sachverhalt vorgebracht, es habe zur Tatzeit keine Verletzungsgefahr bestanden. Außerdem seien auf sämtlichen Baustellen Sicherheitsschuhe vorhanden, die auch, wenn es erforderlich sei, getragen würden. Hiezu habe das Überprüfungsorgan des Arbeitsinspektorates für Bauarbeiten als Zeuge ausgesagt, daß zur Tatzeit Mauerungs- und Schalungsarbeiten durchgeführt worden seien, bei denen die Gefahr von Fußverletzungen bestanden habe; es seien den Arbeitnehmern keine Sicherheitsschuhe zur Verfügung gestellt worden. Gegen die Richtigkeit dieser Aussage bestünden keine Bedenken, weil das Überprüfungsorgan auf Grund seiner Ausbildung und Erfahrung über die zur Beurteilung der Verletzungsgefahr erforderliche Sachkunde verfüge und unter Strafsanktion zur Angabe der Wahrheit verpflichtet gewesen sei. Von der Einvernahme der vom Beschwerdeführer als Zeugen geführten Arbeitnehmer sei abgesehen worden, weil es zwar glaubhaft erscheine, daß sie sich nicht gefährdet gefühlt hätten, doch könne nicht erwartet werden, daß sie die zur richtigen Beurteilung der Verletzungsgefahr erforderliche Sachkunde besäßen. Die belangte Behörde nehme daher den dem Beschwerdeführer angelasteten Sachverhalt als erwiesen an. Auch dem gegen das Verschulden gerichteten Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe auf der Baustelle einen Baupolier gehabt, der auf die Einhaltung der geltenden Vorschriften zu achten gehabt habe, und ein Bauleiter habe die Baustelle regelmäßig besucht, habe kein Erfolg beschieden sein können, weil sich der Beschwerdeführer zumindest durch Stichproben persönlich davon hätte überzeugen müssen, ob die mit der Einhaltung der Verwaltungsvorschriften betrauten Personen diese Aufträge befolgten. Seine in der Berufung enthaltene Bemerkung, er habe als Geschäftsführer andere Agenden als Baustellenüberwachung, lasse erkennen, daß er keine solchen Stichproben vorgenommen habe. Da der Beschwerdeführer somit nicht im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG 1950, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 516/1987, glaubhaft gemacht habe, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe, sei anzunehmen, daß er sich fahrlässig verhalten habe, was zur Strafbarkeit genüge.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 70 Abs. 2 AAV ist jedem Arbeitnehmer, für den bei der beruflichen Tätigkeit die Gefahr von Verletzungen oder Hautschädigungen für die Beine insbesondere durch Einwirkungen nach Abs. 1 besteht und für diese Tätigkeit Arbeitsschuhe nicht geeignet sind, ein passender, zweckentsprechender Schutz aus geeignetem Material zur Verfügung zu stellen, wie Sicherheitsschuhe, Stiefel, Gamaschen, Schienbeinschützer oder Knieschützer.

Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes macht der Beschwerdeführer zunächst geltend, die belangte Behörde habe in unzulässiger Weise aus seinem Vorbringen in der Berufung - er habe als Geschäftsführer andere Agenden als die Baustellenüberwachung - den Schluß gezogen, daß er den mit der Einhaltung der geltenden Vorschriften auf der in Rede stehenden Baustelle beauftragten Polier nicht stichprobenweise überwacht habe.

Dieser gegen die subjektive Tatseite ins Treffen geführte Einwand ist nicht stichhältig. Der Beschwerdeführer führt des weiteren doch selbst aus, daß er an der streitgegenständlichen Baustelle die Einhaltung des Arbeitnehmerschutzes nicht kontrolliert, sondern seinem Bauleiter und Polier vertraut habe, daß diese Personen ihre ihnen übertragene Aufgabe, unter anderem auch für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen zu sorgen, erfüllten. Vom Beschwerdeführer wurde im Verwaltungsstrafverfahren niemals vorgebracht, daß von ihm Kontrollen auf den Baustellen betreffend die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften vorgenommen worden seien. Das Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsstrafverfahren, die subjektive Tatseite betreffend, hat sich allein auf die Äußerung beschränkt, "Ich habe auf der Baustelle einen Polier, der auf die Einhaltung der geltenden Vorschriften zu achten hat, des weiteren besucht ein Bauleiter regelmäßig die Baustelle." Da es sich bei der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verwaltungsübertretung um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG 1950 handelt, hätte der Beschwerdeführer glaubhaft zu machen gehabt, daß ihm die Einhaltung der objektiv verletzten Verwaltungsvorschriften ohne sein Verschulden unmöglich war; er hätte demnach initiativ alles, was für seine Entlastung spricht, darlegen und glaubhaft machen müssen, um der belangten Behörde eine Beurteilung zu ermöglichen, ob sein Vorbringen geeignet sei, im Falle seiner Richtigkeit seine Schuldlosigkeit zu erweisen. Vom Beschwerdeführer wurden im Verwaltungsstrafverfahren nicht einmal geeignete Behauptungen, seine Schuldlosigkeit betreffend, aufgestellt, geschweige denn hat er glaubhaft gemacht, daß ihn an der Verletzung der ihm angelasteten Verwaltungsübertretung kein Verschulden trifft. Die belangte Behörde hatte daher zufolge § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG 1950 das Verschulden des Beschwerdeführers (in Form von Fahrlässigkeit) an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift des § 70 Abs. 2 AAV anzunehmen.

Das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers zu der von ihm erhobenen Rechtsrüge muß aber schon deshalb ins Leere gehen, weil die Argumentation des Beschwerdeführers zur Voraussetzung hat, daß an der in Rede stehenden Baustelle zur Tatzeit die erforderliche Schutzkleidung überhaupt vorhanden war. Das wurde aber von der belangten Behörde ausdrücklich verneint. Diese Feststellung findet ihre Stütze in den Ausführungen des Arbeitsinspektorates in der erstatteten Strafanzeige sowie in der mit dem Arbeitsinspektionsorgan, das die gegenständliche Baustelle am 18. Oktober 1988 überprüft hat, als Zeugen aufgenommenen Niederschrift vom 19. April 1989. Vom Beschwerdeführer wurde, nachdem der objektive Tatbestand im Verfahren erster Instanz nicht bestritten und auch in der Berufung gegen das Straferkenntnis erster Instanz zu dieser Frage nichts vorgebracht worden ist, lediglich anläßlich seiner Vernehmung vom 11. Mai 1989 behauptet, "daß auf sämtlichen Baustellen Sicherheitsschuhe vorhanden sind und, wenn es erforderlich ist, auch getragen werden". Bei dieser Beweislage vermag der Gerichtshof keine Rechtswidrigkeit darin zu erblicken, wenn die belangte Behörde es als erwiesen annahm, daß auf der streitgegenständlichen Baustelle im Tatzeitpunkt keine Sicherheitsschuhe vorhanden waren.

Unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer geltend, die belangte Behörde hätte die von ihm zu seiner Entlastung als Zeugen geführten Arbeitnehmer einvernehmen müssen.

Auch hierin vermag ihm der Verwaltungsgerichtshof nicht zu folgen. In seiner Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis und bei seiner bereits erwähnten Vernehmung hat der Beschwerdeführer behauptet, zum Zeitpunkt der Überprüfung der Baustelle habe keine Verletzungsgefahr bestanden. Zum Beweis dafür wurde von ihm die Vernehmung der zur Tatzeit an der Baustelle beschäftigten Arbeitnehmer beantragt. Im Spruch des Straferkenntnisses vom 25. Jänner 1989 hat die Behörde ausgesprochen, daß die genannten Arbeitnehmer zur Tatzeit auf der streitgegenständlichen Baustelle beim Rohbau Schalungs- und Mauerungsarbeiten, bei welchen die Gefahr einer Fußverletzung bestanden habe, zu verrichten gehabt hätten. Da der Beschwerdeführer die Art der von den Arbeitnehmern am streitgegenständlichen Tag zu verrichtenden Tätigkeiten nicht bestritten hat, konnte sein Antrag auf Vernehmung des von ihm geführten Zeugen lediglich auf die Lösung der Frage gerichtet sein, ob bei den an einem Rohbau zu verrichtenden Schalungs- und Mauerungsarbeiten für die damit betrauten Arbeitnehmer die Gefahr einer Fußverletzung besteht. Für diese Frage kann aber durch die Aussage der bei der Arbeit eingesetzten Arbeiter nichts gewonnen werden, da es sich hiebei - bei Bestehen von Zweifeln - um eine allein von einem Sachverständigen zu beantwortende Frage handelt. Solche Zweifel wurden aber vom Beschwerdeführer nicht vorgebracht, weshalb für die belangte Behörde auch kein Anlaß bestand, von sich aus einen Sachverständigen beizuziehen.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 sowie Art. III Abs. 2 der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Verantwortung für Handeln anderer Personen Besondere Rechtsgebiete Arbeitsrecht Arbeiterschutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990190220.X00

Im RIS seit

01.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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