TE Vwgh Erkenntnis 1991/3/22 86/18/0279

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Veröffentlicht am 22.03.1991
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KFGNov 03te Art3 Abs5;
StVONov 11te Art1 Z2;
VStG §21;
VStG §30 Abs1;
VStG §47;
VStG §49 Abs2;
VStG §50 Abs2;
VStG §50;
VStG §51;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Herbert N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 29. Oktober 1986, Zl. MA 70-10 1780/86/Str, betreffend Übertretungen des Kraftfahrgesetzes 1967 und der 3. Novelle hiezu, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen, insoweit sie hinsichtlich der in der Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Wien vom 15. Juli 1986 genannten drei Verwaltungsübertretungen die Schuldfrage bekämpft.

Der angefochtene Bescheid wird, insoweit der Beschwerdeführer wegen der Verwaltungsübertretung nach Art. III Abs. 1 und 5 der 3. Novelle zum Kraftfahrgesetz, BGBl. Nr. 352/1976, in der Fassung BGBl. Nr. 253/1984, mit einer Geldstrafe von S 200,-- (Ersatzarreststrafe zwölf Stunden) und wegen der Verwaltungsübertretung nach § 71 Abs. 3 des Kraftfahrgesetzes 1967 mit einer Geldstrafe von S 1.500,-- (Ersatzarreststrafe 60 Stunden) belegt wurde, einschließlich der diesbezüglichen Kostenentscheidungen zweiter Instanz, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Wien

- Bezirkspolizeikommissariat Landstraße - vom 15. Juli 1986 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 17. Juni 1986 um 17.10 Uhr in Schwechat, Brauhausstraße, als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws, 1) den gesetzlich vorgeschriebenen Sicherheitsgurt auf der Fahrt nicht angelegt gehabt, 2) es unterlassen, unverzüglich die Ausstellung eines neuen Führerscheines zu beantragen, obwohl das Lichtbild den Besitzer nicht mehr einwandfrei habe erkennen lassen, und 3) es unterlassen, Änderungen an einem einzelnen zum Verkehr zugelassenen Fahrzeug einer genehmigten Type unverzüglich dem Landeshauptmann anzuzeigen. Er habe hiedurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

Zu 1) Art. III Abs. 1 in Verbindung mit 5 der 3. Novelle zum Kraftfahrgesetz 1967 (KFG), zu 2) § 71 Abs. 3 KFG, zu 3) § 33 Abs. 1 KFG. Es wurden folgende Strafen verhängt:

Zu 1) Gemäß Art. III Abs. 5 der vorgenannten Novelle eine Geldstrafe von S 300,-- (Ersatzarreststrafe 18 Stunden), zu 2) gemäß § 134 KFG eine Geldstrafe von S 1.500,-- (Ersatzarreststrafe 60 Stunden), zu 3) gemäß § 134 KFG eine Geldstrafe von S 500,-- (Ersatzarreststrafe 30 Stunden).

Der Beschwerdeführer ergriff gegen diese Strafverfügung eine "Berufung gemäß § 49 Abs. 2 VStG", in der er sich ausdrücklich nur in der Straffrage für beschwert erachtete. Er stellte an die Berufungsbehörde folgende Abänderungsanträge:

Hinsichtlich der Übertretung zu 1) wolle die Geldstrafe auf S 100,-- hinsichtlich der Übertretung zu 3) auf S 200,-- herabgesetzt werden, hinsichtlich der Übertretung zu 2) wolle von einer Bestrafung Abstand genommen und eine "Verwarnung" ausgesprochen werden.

Der Landeshauptmann von Wien entschied als Berufungsbehörde mit Bescheid vom 29. Oktober 1986 gemäß § 66 Abs. 4 AVG dahin, daß hinsichtlich der zu 1) genannten Verwaltungsübertretung die Geldstrafe auf S 200,-- (Ersatzarreststrafe zwölf Stunden) herabgesetzt werde. Hinsichtlich der Übertretungen zu 2) und 3) wurde der Berufung keine Folge gegeben. Die Herabsetzung zu Punkt 1) wurde damit begründet, daß der Beschwerdeführer nicht "einschlägig" vorbestraft sei. Im übrigen komme ihm der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit nicht zugute; die Behörde gehe von durchschnittlichen Einkommensverhältnissen, von Vermögenslosigkeit und von Sorgepflichten für die Ehefrau und zwei Kinder aus. Der Strafsatz für die unter 2) und 3) genannten Übertretungen reiche bis S 30.000,--. Die verhängten Geldstrafen seien dem Unrechtsgehalt der Taten und dem Verschulden des Beschwerdeführers angemessen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wirft der Beschwerdeführer, was insbesondere aus seiner Ausführung des Beschwerdepunktes zu erkennen ist, auch die Schuldfrage hinsichtlich aller drei Übertretungen auf. Im übrigen macht er Ausführungen zur Straffrage, insbesondere dahin, daß hinsichtlich aller drei Verwaltungsübertretungen § 21 VStG angewendet werden solle. Der angefochtene Bescheid sei wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Da der Beschwerdeführer die oben genannte Strafverfügung ausdrücklich nur wegen ihres Ausspruches über die Strafen bekämpft hat, war es ihm verwehrt, im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof die Schuldfrage aufzuwerfen (siehe die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 277/3/4 genannten Entscheidungen). Die Beschwerde war daher, insoweit sie die Schuldfrage aufwirft, wegen entschiedener Sache gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Auch in der Straffrage ist der Beschwerdeführer zunächst darauf zu verweisen, daß er hinsichtlich der zu 1) und 3) genannten Übertretungen in seiner Berufung vom 4. August 1986 nur die Herabsetzung der Geldstrafen, und zwar zu 1) auf S 100,--, zu 3) auf S 200,-- beantragt hat; das Vorgehen bloß mit einer Ermahnung beantragte er nur hinsichtlich der zu 2) genannten Übertretung.

Unrichtig ist die Meinung des Beschwerdeführers, die oben genannte Strafverfügung verstieße deshalb gegen § 47 VStG in der zur Tatzeit und zur Zeit der Erlassung der Strafverfügung geltenden Fassung, weil die Summe der verhängten Geldstrafen - dies wäre auch nach Herabsetzung durch die Berufungsbehörde der Fall - den Betrag von S 2.000,-- überstiege. Die Rechtsprechung (siehe die bei Mannlicher-Quell, Das Verwaltungsverfahren8, 2. Halbband, Seite 802/4 genannten Entscheidungen) und die Lehre (Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts4, Rz 891/3) stellen klar, daß sich die gesetzliche Höchstgrenze nur auf je eine Verwaltungsübertretung bezieht. Diese Höchstgrenze wurde durch keinen der einzelnen Strafaussprüche überschritten.

Das Vorbringen hinsichtlich der zu 1) genannten Verwaltungsübertretung, die Voraussetzung des Vorgehens nach Art. III Abs. 5 letzter Satz der oben erwähnten 3. Novelle zum KFG seien nicht gegeben, ist im Sinne einer Mangelhaftigkeit des Verfahrens gerechtfertigt.

Art. III Abs. 5 der oben genannten Novelle lautet:

"Wer als Lenker eines Kraftfahrzeuges oder als mit einem Kraftfahrzeug beförderte Person die im Abs. 1 erster Satz angeführte Verpflichtung nicht erfüllt, begeht, wenn dies bei einer Anhaltung gemäß § 97 Abs. 5 StVO 1960 festgestellt wird, eine Verwaltungsübertretung, welche mit einer Organstrafverfügung gemäß § 50 VStG 1950 mit einer Geldstrafe von 100 S zu ahnden ist. Wenn die Zahlung des Strafbetrages oder die Entgegennahme eines zur postalischen Einzahlung des Strafbetrages geeigneten Beleges verweigert wird (§ 50 Abs. 6 vierter Satz VStG 1950), ist von der Behörde eine Geldstrafe bis zu 300 S, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Freiheitsstrafe bis zu 24 Stunden, zu verhängen."

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20. November 1986, Slg. N.F. Nr. 12309/A, ausgeführt hat, ist in dieser Gesetzesstelle ein Rechtsanspruch auf Verhängung einer Organstrafverfügung normiert, der nur dann verwirkt wird, wenn der Beanstandete sowohl die Zahlung des Strafbetrages als auch die Entgegennahme eines oben erwähnten geeigneten Beleges verweigert.

Selbst dann, wenn das Straßenaufsichtsorgan anläßlich einer Beanstandung entweder keinen Zahlungsbeleg bei sich hat oder es keine Ermächtigung zur Übergabe eines Zahlungsbeleges im Sinne des § 50 Abs. 2 VStG besitzt, hat ein ZAHLUNGSWILLIGER Beanstandeter einen Rechtsanspruch, nur mit einer Geldstrafe von S 100,-- belegt zu werden.

Die Behörden des Verwaltungsstrafverfahrens haben in keiner Weise - insbesondere auch nicht die Berufungsbehörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides - ausgeführt, daß der Beschwerdeführer bei der Beanstandung zahlungsunwillig gewesen sei oder die Entgegennahme eines geeigneten Zahlungsbeleges verweigert habe. Dem Verwaltungsgerichtshof ist es, da er im Verfahren über eine Bescheidbeschwerde keine Tatsacheninstanz ist, verwehrt, aus der Anzeige diesbezügliche ergänzende Feststellungen zu treffen.

Es bedarf daher einer Sachverhaltsergänzung in der Richtung, ob der Beschwerdeführer bei der Beanstandung sich im Sinne des oben zitierten Erkenntnisses als zahlungsunwillig erwiesen hat.

Daher war der Strafausspruch hinsichtlich der zu 1) genannten Übertretung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Auch die Höhe der zur Übertretung nach 2) verhängten Geldstrafe von S 1.500,-- erweckt Bedenken im Sinne einer mangelhaften Begründung. Die belangte Behörde unterließ es, darzulegen, warum sie - bei einer erstmaligen Bestrafung des Beschwerdeführers wegen dieses Deliktes - gerade eine Geldstrafe von S 1.500,-- für angemessen hielt, insbesondere in Anbetracht des Umstandes, daß sie bei der Übertretung nach § 33 Abs. 1 KFG mit einer Geldstrafe von S 500,-- das Auslangen fand, obwohl der in § 134 KFG für beide Delikte festgesetzte Strafrahmen der gleiche ist. In der Unterlassung einer diesbezüglichen Begründung liegt ebenfalls ein wesentlicher Verfahrensmangel.

Zur Strafbemessung hinsichtlich der zu 3) genannten Übertretung ist zu sagen, daß es hier allein - siehe die obigen Ausführungen über den Inhalt der Berufung des Beschwerdeführers - um die Höhe der Geldstrafe geht. Der Beschwerdeführer vermochte nicht aufzuzeigen, welche geringere Geldstrafe seinem Verschulden und den sonstigen Umständen der Tat und des Täters angemessen sein sollte; der Verwaltungsgerichtshof vermag in dieser Strafbemessung einen Verstoß gegen die Grundsätze des § 19 VStG nicht zu erblicken. Es war auch nicht rechtswidrig, daß die belangte Behörde hinsichtlich der zu 2) genannten Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe und nicht mit einer Ermahnung vorging. Eine Anwendung des § 21 VStG kommt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur in Frage, wenn die Schuld des Beschuldigten geringfügig ist; davon kann aber nur die Rede sein, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt (Erkenntnis vom 4. Juni 1987, Zl. 87/02/0027 und die dort zitierte weitere Judikatur).

Von einem solch geringen Verschulden kann aber nach den Feststellungen der belangten Behörde, die diesbezüglich im Akteninhalt ihre Deckung finden, keine Rede sein.

Somit war die Beschwerde zum Teil als unzulässig zurückzuweisen, zum Teil war ihr wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften stattzugeben, zum Teil war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 50 VwGG, in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen einerseits, weil die Umsatzsteuer im Pauschalbetrag für den Aufwandersatz bereits enthalten ist, andererseits, weil der allein als Beilage vorzulegende angefochtene Bescheid nur aus einem Bogen bestand und daher nur mit S 30,-- zu vergebühren war.

Schlagworte

Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Nichterschöpfung des Instanzenzuges Allgemein Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetze

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1986180279.X00

Im RIS seit

22.03.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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