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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §45 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Sepp N gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 1. April 1986, Zl. MA 70-XI/R 48/85/Str, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Berufungsbescheid der Wiener Landesregierung vom 1. April 1986 wurde der Beschwerdeführer im Instanzenzug für schuldig erkannt, er habe am 19. Dezember 1984 um 17.40 Uhr in Wien 1, Singerstraße 12, als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges 1) keinen entsprechenden Sicherheitsabstand zu einem vor ihm fahrenden, ebenfalls dem Kennzeichen nach bestimmten, Pkw eingehalten, so daß ein rechtzeitiges Anhalten nicht mehr möglich gewesen sei und es in weiterer Folge zu einem Verkehrsunfall mit Sachschaden gekommen sei, an dem der Beschwerdeführer ursächlich beteiligt gewesen sei. Er habe 2) diesen Verkehrsunfall nicht ohne unnötigen Aufschub der nächsten Polizeidienststelle gemeldet. Er habe hiedurch zu 1) eine Übertretung nach § 18 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) begangen, zu 2) eine solche nach § 4 Abs. 5 StVO. Es wurden Geld- und Ersatzarreststrafen verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorliegen einer Gegenschrift der belangten Behörde erwogen hat:
Gemäß § 18 Abs. 1 StVO hat der Lenker eines Fahrzeuges stets einen solchen Abstand vom nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten, daß ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird.
Gemäß § 4 Abs. 5 StVO in der Fassung der 10. Novelle haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen.
Die Beschwerde bekämpft unter anderem die Glaubwürdigkeit der Zeugin T. Dazu ist folgendes zu sagen:
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u. a. das Erkenntnis vom 24. Mai 1974, Slg. N.F. Nr. 8619/A) schließt die auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendende Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, das heißt, ob sie u.a. den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen, weshalb wesentliche Mängel der Sachverhaltsfeststellung einschließlich der Beweiswürdigung zur Aufhebung des Bescheides führen. Ob aber der Akt einer Beweiswürdigung richtig in dem Sinne ist, daß z.B. eine den Beschwerdeführer belastende Darstellung und nicht dessen Verantwortung den Tatsachen entspricht, kann der Verwaltungsgerichtshof auf Grund seiner eingeschränkten Prüfungsbefugnis in einem Verfahren über eine Bescheidbeschwerde nicht überprüfen (Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053). Die von bestimmten Verfahrensmängel losgelöste Rüge, die belangte Behörde hätte "im Zweifel für den Beschuldigten" entscheiden müssen, stellt keinen tauglichen Beschwerdegrund vor dem Verwaltungsgerichtshof dar (Erkenntnisse je vom 23. Mai 1984, Zl. 84/03/0005 und Zl. 83/03/0379, vom 11. Mai 1990, Zl. 89/18/0198).
Die belangte Behörde hat der als Zeugin vernommenen Regine T aus den im angefochtenen Bescheid auf Seite 3 genannten Gründen Glauben geschenkt, nicht aber der leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers. Die Behauptung der Beschwerde, diese Zeugin habe den Sachschaden an der Stoßstange ihres Kraftfahrzeuges mit "links hinten" angegeben, ist, soweit es um das Wort "links" geht, unrichtig, weil Regine T eine solche Angabe weder gegenüber dem Meldungsleger laut Anzeige noch gegenüber dem Sicherheitswachebeamten S am 18. Jänner 1985 noch in ihrer Zeugenaussage vom 2. Juli 1985 machte. Damit erweist sich der Vorwurf in der Beschwerde, die Angaben der Regine T stimmten mit den Gutachten der beiden Amtssachverständigen, was den Ort der Kratzer auf der Stoßstange und was die wahrscheinliche Verursachung dieser Kratzer anlangt, nicht überein, als unbegründet. Die belangte Behörde konnte daher ohne Verstoß gegen das Gebot der Schlüssigkeit der Beweiswürdigung auf Seite 3 des angefochtenen Bescheides feststellen, die am Fahrzeug der Regine T festgestellten Schäden könnten, von der technischen Seite her gesehen, von den Befestigungsschrauben der vorderen Kennzeichentafel des Pkws des Beschwerdeführers herrühren.
Inwiefern die behauptete, aber nicht bewiesene Befangenheit des Amtssachverständigen Ing. A zu einem inhaltlich unrichtigen oder mangelhaften Gutachten geführt haben sollte, wurde von der Beschwerde nicht aufgezeigt. Das abschließende Amtsgutachten wurde nicht von diesem Sachverständigen, sondern von Dipl. Ing. B abgegeben, gegen den der Beschwerdeführer den Vorwurf der Befangenheit nicht erhoben hat. Auch dieser Amtssachverständige kam zum Schluß, es lägen am Fahrzeug der Regine T Lackabschürfungen am lackierten Gummiteil der hinteren Stoßstange vor, die durch die Schrauben der vorderen Kennzeichenbefestigung des Pkws des Beschwerdeführers entstanden sein könnten. Ob die Kausalität zwischen den Schäden unter Einwirkung des Kraftfahrzeuges des Beschwerdeführers gegeben ist, ist nicht Sache des Amtssachverständigen, sondern der Beweiswürdigung der belangten Behörde. Diese hat diese Kausalität bejaht.
Zur Rechtsfrage, ob die festgestellten Lackabschürfungen am lackierten Gummiteil der hinteren Stoßstange des Kraftfahrzeuges der Regine T Sachschäden im Sinne des § 4 Abs. 5 StVO seien, kann auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen werden: Von einem Sachschaden kann dann nicht gesprochen werden, wenn der frühere Zustand ohne nennenswerten Aufwand wieder hergestellt werden kann. Dies trifft daher in Ansehung von Fahrzeugen - anders als bei einem Lackschaden, einer bleibenden Verformung eines seiner Teile oder einer Abschürfung an einem Gummigriff, mögen diese Schäden auch nur geringfügig sein - bei bloßer Beschmutzung, einer wegwischbaren Kontaktspur oder einem herausgerissenen Gummiwulst aus einer Stoßstange, falls der Gummi hiebei keine dauernde Beschädigung erlitten hat, zu (Erkenntnis vom 31. Oktober 1990, Zl. 90/02/0119 und die dort zitierte Vorjudikatur).
Demnach fällt ein Lackschaden, wie im vorliegenden Fall festgestellt, durchaus unter den Begriff des Sachschadens.
Hinsichtlich der Übertretung nach § 18 Abs. 1 StVO fehlen in der Beschwerde, abgesehen von der nicht erfolgreichen Bestreitung der Kausalität des Verhaltens des Beschwerdeführers zur stattgefundenen Kollision, jede Ausführungen.
Da es der Beschwerde somit insgesamt nicht gelungen ist, die von ihr behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
Schlagworte
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Sachschaden Verfahrensbestimmungen Beweiswürdigung Antrag Verfahrensbestimmungen Diverses Beweismittel BeschuldigtenverantwortungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1986180135.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
17.11.2008