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L40019 Anstandsverletzung Lärmerregung Wien;Norm
EGVG Art8/Wr Fall2 Lärmerregung;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungskommissär Mag. Kirchner, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 2. Oktober 1990, Zl. MA 62-III/407/90/Str, betreffend Bestrafung wegen ungebührlicher Erregung störenden Lärms, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1.1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, am 26. Juli 1988 um 01.10 Uhr in Wien 22, Biberhaufenweg, ca. 100 m nach dem Bahnübergang (ÖMV) Richtung Siegesplatz, durch lautes Schreien ungebührlicherweise störenden Lärm erregt und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach Art. VIII zweiter Fall EGVG 1950 begangen zu haben. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über ihn eine Geldstrafe in Höhe von S 500,-- (Ersatzarreststrafe in der Dauer von 24 Stunden) verhängt.
Nach der Begründung könne der dem Beschwerdeführer vorgeworfene Tatbestand auf Grund der widerspruchsfreien Angaben des Meldungslegers in der Anzeige und bei seiner zeugenschaftlichen Einvernahme am 2. September 1988 sowie der Zeugenaussagen von Revierinspektor A und Inspektor B am 12. Oktober 1988 als erwiesen angenommen werden. Daraus ergebe sich, daß sich der Beschwerdeführer um 01.10 Uhr in eine gegen eine andere Person (C) geführte Amtshandlung eingemengt und nach einer Aufforderung des Meldungslegers, dies zu unterlassen, laut zu schreien begonnen habe. Von diesem Verhalten habe er trotz einiger Abmahnungen nicht Abstand genommen, sondern immer weiter geschrieen. Darüber hätten auch einige anwesende Fahrzeuglenker ihren Unmut gegenüber den Organen der Straßenaufsicht geäußert. Der Beschwerdeführer habe schließlich wegen seines Verharrens im strafbaren Tun trotz entsprechender Abmahnungen festgenommen werden müssen. Die als Zeugen vernommenen Sicherheitswachebeamten unterlägen auf Grund ihres Diensteides und ihrer verfahrensrechtlichen Stellung der Wahrheitspflicht, bei deren Verletzung sie mit disziplinären und strafrechtlichen Folgen zu rechnen hätten. Es lasse sich auch kein Anhaltspunkt dafür finden, weshalb sie den Beschwerdeführer, der ihnen bis zur Tat unbekannt gewesen sei, eines Verhaltens bezichtigen sollten, das er gar nicht gesetzt habe.
Hingegen habe der Aussage des Beschwerdeführers und des Zeugen C nicht gefolgt werden können, der ein Schreien des Beschwerdeführers in Abrede gestellt habe. Seine Darstellung des Sachverhaltes stimme nicht einmal mit der des Beschwerdeführers überein, der nie behauptet habe, als Rechtsvertreter des Zeugen in eine gegen diesen geführte Amtshandlung eingegriffen zu haben. Der Zeuge habe auch angegeben, daß er sich mehr auf die gegen ihn gerichtete Amtshandlung konzentriert habe als auf die Auseinandersetzung zwischen dem Beschwerdeführer und dem Meldungsleger, die sich teilweise auch außerhalb seiner Hörweite abgespielt habe. Er habe sich auch an manche Details des Sachverhaltes nicht mehr erinnern können. Schließlich sei bei der Würdigung seiner Aussage auch sein freundschaftliches Naheverhältnis zum Beschwerdeführer zu berücksichtigen gewesen.
Die Beschreibung der Intensität der Lärmerregung in Verbindung mit dem Unwillen, den das Verhalten des Beschwerdeführers bei anderen unbeteiligten Personen hervorgerufen habe, lasse nach Auffassung der belangten Behörde den Schluß zu, daß dieses Schreien auch nach einem objektiven Maßstab als äußerst unangenehm zu empfinden gewesen sei (Tatzeit 01.10 UhrÜ) und darüber hinaus auch gegen ein Verhalten verstoßen habe, wie es im Zusammenleben mit anderen verlangt werden müsse, sowie geeignet gewesen sei, das Wohlbefinden normal empfindender Menschen zu beeinträchtigen.
1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.
1.3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 11 Abs. 1 VwGG gebildeten Strafsenat erwogen:
2.1. Gemäß Art. VIII zweiter Fall EGVG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer ungebührlicherweise störenden Lärm erregt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Lärm dann störend, wenn er seiner Art und/oder seiner Intensität nach geeignet ist, das Wohlbefinden normal empfindender Menschen zu beeinträchtigen. Lärm wird ungebührlicherweise erregt, wenn das Verhalten, das zur Erregung des Lärms führt, jene Rücksicht vermissen läßt, die im Zusammenleben verlangt werden kann. Strafbarkeit ist bereits dann gegeben, wenn die Lärmerregung - nach einem objektiven Maßstab - geeignet erscheint, von anderen, nicht beteiligten Personen als ungebührlich und störend empfunden zu werden (vgl. das Erkenntnis vom 30. Jänner 1984, Zl. 83/10/0298).
2.2.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, am 26. Juli 1988 um 01.10 Uhr am Tatort von einem Sicherheitswachebeamten zur Fahrzeug- und Ausweiskontrolle angehalten worden zu sein. Gleichzeitig sei auch sein Bekannter C angehalten und zur Ableistung eines Alko-Tests aufgefordert worden. Der Beschwerdeführer sei nach Abschluß der Kontrolle, bei der keinerlei Alkoholisierungsmerkmale festgestellt worden seien, am Anhalteort verblieben, um die Amtshandlung betreffend C abzuwarten. Dabei sei es "in der Folge zu einem Disput" zwischen dem späteren Meldungsleger, Bezirksinspektor D, und dem Beschwerdeführer gekommen, was letztlich zur Festnahme des Beschwerdeführers und seiner Anzeige wegen Lärmerregung, Störung der Ordnung, Verweigerung der Atemalkoholuntersuchung und Nichtaushändigung des Führerscheines geführt habe. Das Verfahren bezüglich Nichtaushändigung des Führerscheines und Ordnungsstörung sei zwischenzeitig eingestellt worden. Obwohl der Beschwerdeführer bereits im erstinstanzlichen Verfahren und in seiner Berufung Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Meldungsleger vorgebracht habe, sei sein Antrag auf neuerliche Vernehmung des Zeugen C und des Sicherheitswachebeamten Inspektor E unerledigt geblieben. Insofern sei das zu beurteilende Verwaltungsstrafverfahren mangelhaft geblieben.
2.2.2. Dem Beschwerdeführer ist insofern zuzustimmen, als die Aussagen der eingeschrittenen Sicherheitswachebeamten bezüglich der Feststellung der Alkoholisierung des Beschwerdeführers widersprüchlich sind: So hat etwa Bezirksinspektor D in seiner Anzeige vom 26. Juli 1988 angegeben, von Inspektor B erfahren zu haben, daß der Beschwerdeführer aus dem Mund nach alkoholischen Getränken rieche und gerötete Augenbindehäute habe. In seiner Zeugenaussage vom 2. September 1988 hat er dann erklärt, sofort bemerkt zu haben, daß der Beschwerdeführer betrunken gewesen sei. Demgegenüber hat Inspektor B, der den Beschwerdeführer zunächst kontrollierte, bei seiner Zeugenaussage am 3. August 1989 erklärt, beim Beschwerdeführer keine Alkoholisierungsmerkmale festgestellt zu haben; er rechtfertigte dies jedoch damit, daß er eine Verkühlung gehabt habe und daher keinen Alkoholgeruch habe wahrnehmen können.
Diese Divergenzen sind jedoch im Hinblick auf die dem Beschwerdeführer vorgeworfene Lärmerregung nicht entscheidend, da diesbezüglich die vernommenen Sicherheitswachebeamten übereinstimmend angegeben haben, daß sich der Beschwerdeführer in die Amtshandlung mit C einmischte und dabei auch zu schreien begann. Daß die belangte Behörde den Aussagen des dabei am 18. Mai 1989 vernommenen Zeugen C, der angegeben hat, der Beschwerdeführer habe keinesfalls geschrieen, im Hinblick auf sein Freundschaftsverhältnis zum Beschwerdeführer und seiner weiteren Aussage, daß er sich mehr auf die gegen ihn gerichtete Amtshandlung als auf die Auseinandersetzung zwischen dem Beschwerdeführer und dem Meldungsleger, die sich teilweise auch außerhalb seiner Hörweite abgespielt habe, konzentrierte, nicht gefolgt ist, kann deshalb nicht als rechtswidrig erkannt werden. Dies gilt auch für die unterbliebene Einvernahme des Sicherheitswachebeamten E, der an der Amtshandlung erst dann beteiligt war, als die Festnahme des Beschwerdeführers bereits ausgesprochen gewesen war.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes hat die belangte Behörde in dieser Hinsicht auf Grund eines mängelfreien Ermittlungsverfahrens als erwiesen angenommen, daß der Beschwerdeführer bei einer Amtshandlung zumindest mit einem Polizeibeamten geschrieen hat. Im Sinne der Ausführungen zu Punkt 2.1. ist dabei jedoch zu prüfen, ob dieses Verhalten des Beschwerdeführers das Merkmal des Ungebührlichen und des Störenden aufweist.
2.3. Was die Frage der Ungebührlichkeit anlangt, so genügt es auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach lautes Schreien mit einem Polizeibeamten gegen ein Verhalten verstößt, wie es im Zusammenleben mit anderen verlangt werden kann. Es ist daher als ungebührlich zu werten (vgl. das Erkenntnis vom 12. Oktober 1987, Zl. 87/10/0116, mit weiteren Judikaturhinweisen).
Hinsichtlich des Tatbestandselementes des Störenden wird im angefochtenen Bescheid ausgeführt, daß die Intensität der Lärmerregung in Verbindung mit dem Unwillen, den das Verhalten des Beschwerdeführers bei anderen unbeteiligten Personen hervorgerufen habe, den Schluß zulasse, daß dieses Schreien auch nach einem objektiven Maßstab als äußerst unangenehm zu empfinden gewesen sei (Tatzeit 01.10 Uhr) und darüber hinaus gegen ein Verhalten verstoßen habe, wie es im Zusammenleben mit anderen verlangt werden müsse, sowie geeignet gewesen sei, das Wohlbefinden normal empfindender Menschen zu beeinträchtigen.
Der Schluß der belangten Behörde, aus dem Unwillen, den das Verhalten des Beschwerdeführers bei anderen unbeteiligten Personen hervorgerufen habe, ergebe sich bereits, daß der Lärm, den der Beschwerdeführer verursacht habe, nach einem objektiven Maßstab bereits geeignet gewesen sei, das Wohlbefinden anderer anwesender Personen zu stören, ist für den Gerichtshof jedoch nicht nachvollziehbar (vgl. zu dieser Problematik das bereits genannte Erkenntnis vom 12. Oktober 1987).
Aus der Anzeige von Bezirksinspektor D bezüglich des Tatbestandes der Ordnungsstörung ergibt sich zwar, daß das Verhalten des Beschwerdeführers bei vier Sicherheitswachebeamten und drei angehaltenen Pkw-Lenkern Ärgernis erregt haben soll. Daraus kann jedoch nach Auffassung des Gerichtshofes - unabhängig davon, daß dieser Tatvorwurf mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 28. September 1990 mit einer Einstellung des Verfahrens endete - noch nicht ohne nähere Tatsachenfeststellungen geschlossen werden, daß das Schreien des Beschwerdeführers objektiv geeignet gewesen sei, das Wohlbefinden anderer anwesender nicht beteiligter Personen zu beeinträchtigen. Dazu kommt weiters, daß hinsichtlich der Frage, ob überhaupt andere unbeteiligte Pkw-Lenker am Tatort anwesend gewesen sind, die vorliegenden Aussagen wiederum differieren: So hat etwa Bezirksinspektor D in seiner Aussage vom 2. September 1988 angegeben, in der Nähe hätten sich noch andere Fahrzeuglenker befunden, da Revierinspektor A selbst Anhaltungen durchgeführt habe. Diese Aussage ist vom Beschwerdeführer jedoch stets bestritten worden, wobei auch Revierinspektor A in seiner Vernehmung am 12. Oktober 1988 angegeben hat, die Amtshandlung mit dem Zeugen C durchgeführt zu haben. Eine ensprechende Aufklärung des Sachverhaltes ist von der belangten Behörde jedoch auch in dieser Hinsicht unterlassen worden.
2.4. Auf Grund dieser Erwägungen ergibt sich, daß der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig geblieben ist, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.
2.5. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. 1991/104, die mit ihrem Art. III Abs. 2 zur Anwendung kam. Da nur zwei Ausfertigungen der Beschwerde vorzulegen waren, konnte für die dritte Ausfertigung kein Stempelgebührenersatz zuerkannt werden.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990100210.X00Im RIS seit
03.12.2001