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L40019 Anstandsverletzung Lärmerregung Wien;Norm
AVG §13a;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungskommissär Mag. Kirchner, über die Beschwerde der N gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 29. August 1990, Zl. SD 397/90, betreffend Verwaltungsübertretungen nach Art. IX Abs. 1 Z. 1 und 2 EGVG 1950, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Die Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat A, erließ am 30. Mai 1990 gegen die Beschwerdeführerin ein Straferkenntnis mit folgendem Spruch:
"Sie haben am 1.11.1989 zwischen 09.27 Uhr und 09.35 Uhr in Wien, n1, B-Weg vor ONr. n2, 1) durch lautes Schreien der Worte "Schon wieder dieselben Kerle, habt Ihr nichts Besseres zu tun, als hier die Autos aufzuschreiben, arbeitet lieber etwas Vernünftiges, das ist ja die reinste Schikane, Ihr führt ja einen privaten Rachefeldzug gegen uns, das wird Folgen haben, da ich mich beim Permanenzoffizier und beim Abteilungskommandanten beschweren werde, außerdem werde ich Euer beamtenunwürdiges Verhalten der Presse zur Kenntnis bringen, dann werdet Ihr schon sehen, wie weit Ihr kommt."
ungebührlicherweise störenden Lärm erregt, 2) durch Bezeichnen von Organen der öffentlichen Aufsicht mit den Worten "Kerle" und "G"scherte", welche nicht den allgemein anerkannten Grundsätzen der Schicklichkeit entsprechen und einen groben Verstoß gegen die guten Sitten darstellen, wurde der Anstand an einem öffentlichen Ort gestört, 3) durch Ihr Benehmen, das objektiv geeignet war, Ärgernis zu erregen und auch tatsächlich erregt hat, die Ordnung an einem öffentlichen Orte gestört,
4) ungeachtet vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht, während sich dieses in rechtmäßiger Ausübung des Dienstes befand, durch heftiges Gestikulieren mit den Händen ungestüm benommen. Sie haben dadurch folgende
Rechtsvorschriften verletzt: 1) Art VIII EGVG, Art VIII 1. Fall EGVG, 3) Art IX Abs 1 Z 1 EGVG, 4) Art IX Abs 1 Z 2 EGVG. Wegen dieser Verwaltungsübertretungen werden über Sie folgende
Strafen verhängt: Geldstrafen von 1) bis 4) je 500 S, falls diese uneinbringlich sind, Ersatzfreiheitsstrafen von 1) bis 4) je 18 Stunden gemäß 1) und 2) Art VIII EGVG, 3) und 4) Art IX Abs 1 Z 6 EGVG."
Begründet wurde das Straferkenntnis im wesentlichen damit, daß die im Spruch bezeichneten Verwaltungsübertretungen auf Grund der Angaben des Wachebeamten in der Anzeige und in seiner Stellungnahme als erwiesen angenommen worden seien.
Gegen dieses Straferkenntnis erhob die Beschwerdeführerin Berufung.
1.2. Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte
Behörde der Berufung, soweit sie sich gegen die Punkte 3) und
4) des Straferkenntnisses (Störung der Ordnung, ungestümes
Benehmen) richtete, gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 keine Folge; sie
bestätigte den Spruch des Straferkenntnisses mit der Ergänzung,
daß die Beschwerdeführerin zu Punkt 3) durch den schreienden
Gebrauch der Worte "Schon wieder dieselben Kerle ... habt Ihr
nichts Besseres zu tun, als hier die Autos aufzuschreiben ...
arbeitet lieber etwas Vernünftiges ... das ist ja die reinste
Schikane ... Ihr führt ja einen privaten Rachefeldzug gegen
uns ..." usw. sohin durch ein Verhalten, das Ärgernis zu erregen geeignet sei und bei mehreren Passanten auch tatsächlich erregte, die Ordnung an einem öffentlichen Ort gestört habe und zu Punkt 4) durch heftiges Gestikulieren, verbunden mit dem Schreien der Worte "Das sind ja keine Beamte, sondern lauter Gscherte. Ihr lebt ja von meiner Steuer." usw. sich ungeachtet vorausgegangener Abmahnung gegenüber Organen der öffentlichen Aufsicht, die in rechtmäßiger Ausübung ihres Dienstes begriffen gewesen seien, ungestüm benommen habe. Die Strafnorm zu Punkt 3) und 4) habe jeweils Art. IX Abs. 1 EGVG zu lauten.
Nach der Begründung sei die Beschwerdeführerin zu den einschreitenden Beamten gelaufen, als diese wegen eines vorschriftswidrig abgestellten Pkws gerade im Begriffe gewesen seien, Anzeige zu erstatten, und habe sie mit den im Spruch angeführten Worten angeschrieen und dazu heftig gestikuliert. Auch als sie wegen ungestümen Benehmens abgemahnt worden sei, habe sie weiterhin die im Spruch angeführten Worte unter heftigem Gestikulieren schreiend gebraucht. Die Beschwerdeführerin habe in ihrem Einspruch gegen die Strafverfügung vorgebracht, weder geschrieen noch gestikuliert zu haben; sie habe ihre Hände nur als Hilfsmittel für ihre Ausdrucksweise gebraucht. Daraufhin seien im erstinstanzlichen Verfahren beide Beamten zeugenschaftlich vernommen worden. Diese hätten nicht nur den Anzeigeinhalt bestätigt, sondern übereinstimmend neuerlich das strafbare Verhalten der Beschwerdeführerin geschildert. In der Berufung seien keine neuen Umstände bekanntgeworden, aus denen sie sich beschwert erachte. Die belangte Behörde sei daher auf Grund der vorliegenden Beweismittel zu der Überzeugung gelangt, daß hinsichtlich der Störung der Ordnung und des ungestümen Benehmens die Angaben der vernommenen Beamten den Tatsachen entsprechen, zumal es der Beschwerdeführerin durch ihre Angaben nicht gelungen sei, die maßgeblichen Punkte des Anzeigeninhaltes und der Aussagen der Beamten zu entkräften. Die Ergänzung des Spruches diene lediglich der Präzisierung des als erwiesen angenommenen Sachverhaltes sowie der richtigen Zitierung der herangezogenen Strafnormen.
1.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.
1.4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 11 Abs. 1 VwGG gebildeten Strafsenat erwogen:
2.1.1. Die Beschwerdeführerin bringt zunächst vor, die ihr zur Last gelegten Handlungen seien verjährt. Die erste nach außen hin gerichtete Verfolgungshandlung sei die Strafverfügung vom 18. Jänner 1990 gewesen. Gegen diese Strafverfügung habe die Beschwerdeführerin Einspruch erhoben, wobei nach Einvernahme des Anzeigers und der Beschwerdeführerin das Straferkenntnis der Behörde erster Instanz ergangen sei. Die Punkte 3) und 4) dieses Straferkenntnisses seien dabei gleich formuliert gewesen wie die in der Strafverfügung. Die Punkte 3) und 4) des angefochtenen Bescheides legten der Beschwerdeführerin jedoch ein ganz anderes Verhalten zur Last, auf das sich die Verfolgungshandlung nicht beziehe. Die Verfolgungshandlung unterbreche nur dann die Verjährung, wenn sie sich auf alle der Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente bezogen habe. Da die der Beschwerdeführerin im angefochtenen Bescheid zur Last gelegten Handlungen weder durch die Strafverfügung vom 18. Jänner 1990 noch durch das Straferkenntnis vom 30. Mai 1990 gedeckt seien, fehle für die der Beschwerdeführerin nunmehr konkret zur Last gelegten Verhaltensweisen eine innerhalb der Verjährungszeit nach außen hin gerichtete Verfolgungshandlung der Behörde.
2.1.2. Gemäß § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen worden ist.
Verfolgungshandlung im Sinne von § 32 Abs. 2 VStG ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung und dergleichen), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.
Wurde einmal innerhalb der Verjährungszeit wegen der "Tat" - d.h. wegen ein und desselben Verhaltens des Täters - eine Verfolgungshandlung gesetzt, so steht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der weiteren Verfolgung des Beschuldigten Verjährung nicht entgegen, wenn sich - bei sonstiger Identität der Tat - infolge abweichender rechtlicher Beurteilung durch die Berufungsinstanz lediglich die rechtliche Eigenschaft ändert, in der den Beschuldigten die strafrechtliche Verantwortung trifft (vgl. die Erkenntnisse vom 23. November 1982, VwSlg. 10893/A, und vom 18. Jänner 1983, Zl. 82/11/0008). Einer bloßen Spezifizierung der Tatumstände nach Ablauf der Verfolgungsverjährungsfrist steht § 31 Abs. 1 VStG nicht entgegen (vgl. das Erkenntnis vom 29. April 1975, VwSlg. 8819/A). Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage kann der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht gefolgt werden, daß die ihr zur Last gelegten Handlungen verjährt seien.
Mit der Strafverfügung vom 18. Jänner 1990 wurde ihr vorgeworfen, durch lautes Schreien "Schon wieder dieselben Kerle. Habt Ihr nichts Besseres zu tun. Das ist ja reinste Schikane. Das sind ja keine Beamten, sondern lauter Gscherte" sowie durch heftiges Gestikulieren mit den Armen unter anderem ein Verhalten gesetzt zu haben, das Ärgernis zu erregen geeignet war und auch tatsächlich erregt hat, die Ordnung an einem öffentlichen Ort gestört zu haben und ungeachtet vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht, während sich dieses in rechtmäßiger Ausübung des Dienstes befand, ungestüm benommen zu haben. In ihrer Vernehmung als Beschuldigte am 5. April 1990 - somit noch innerhalb der Verjährungsfrist - wurde ihr der gesamte bisherige Akteninhalt, somit auch die Anzeige von Revierinspektor C nachweislich zur Kenntnis gebracht. Danach habe die Beschwerdeführerin folgendes (sinngemäß ausgeführt) geschrien: "Schon wieder dieselben Kerle. Habt Ihr nichts Besseres zu tun, als hier die Autos aufzuschreiben. Arbeitet lieber etwas Vernünftiges. Das ist ja die reinste Schikane. Ihr führt ja einen privaten Rachefeldzug gegen uns. Das wird Folgen haben, da ich mich sofort beim Permanenzoffizier und beim Abteilungskommandanten beschweren werde. Außerdem werde ich Euer beamtenunwürdiges Verhalten der Presse zur Kenntnis bringen, dann werdet Ihr schon sehen, wieweit ihr kommt."
Ferner habe die Beschwerdeführerin im Zuge der Amtshandlung auch wieder (sinngemäß) folgendes geschrien: "Es sind immer wieder dieselben Kerle, welche meinen Sohn anzeigen, weil er auf dem Gehsteig steht, dabei ist genug Platz, um anderen Kraftfahrzeugen die Vorbeifahrt zu ermöglichen. Das sind ja keine Beamten, sondern lauter Gscherte. Ihr lebt ja von meiner Steuer und daher kann ich verlangen, daß Ihr etwas Vernünftiges arbeitet. So eine Beschwerde habt Ihr noch nicht erlebt. Das wird Euch einiges kosten. Die Zeitung wird sich um so eine Geschichte reißen."
Es kann deshalb im Beschwerdefall keine Rede davon sein, daß die der Beschwerdeführerin zur Last gelegten "Verhaltensweisen" nicht innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist bereits durch entsprechende Verfolgungshandlungen vorgeworfen worden sind. Die von der Beschwerdeführerin behauptete Verfolgungsverjährung liegt daher im Beschwerdefall nicht vor.
2.2. Sofern die Beschwerdeführerin rügt, die Bezeichnung der Strafnorm (§ 44 a lit. c VStG) müßte Art. IX Abs. 1 Z. 7 EGVG und nicht Art. IX Abs. 1 lauten, ist sie auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Juni 1990, Zlen. 90/10/0065, 0066, zu verweisen, in dem der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat, daß es im Hinblick auf die den Tatbildern des Art. IX Abs. 1 Z. 1 bis 7 EGVG nachgestellte Zusammenfassung der Strafdrohungen im abschließenden Teil des Abs. 1 genügt, Art. IX Abs. 1 EGVG als jene Vorschrift zu bezeichnen, die im Sinne des § 44 a lit. c VStG bei der Verhängung der Strafe angewendet wurde. Damit ist die angewendete Strafnorm hinreichend bestimmt.
Als Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist (§ 44 a lit. b VStG), hat bereits die Behörde erster Instanz in ihrem Straferkenntnis den Art. IX/1/1 und den Art. IX/1/2 EGVG zitiert.
2.3.1. Die Beschwerdeführerin verweist ferner auf den Umstand, daß ein ungestümes Verhalten erst nach erfolgter Abmahnung zu einer Verwaltungsübertretung werde. Wenn auch das Gesetz nicht bestimme, in welcher Weise die Abmahnung zu erfolgen habe, so gehe doch aus der Bedeutung, die das Gesetz dieser Tatsache beimesse, hervor, daß nicht jede Äußerung des einschreitenden Wachebeamten als Abmahnung zu bewerten sei, sondern - nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom 28. Oktober 1964, Zl. 1153/64) - nur solche Äußerungen, die für den Täter im konkreten Fall als Abmahnung erkennbar seien. Im vorliegenden Fall habe die Beschwerdeführerin die ihr zur Last gelegte Verwaltungsübertretung - und damit auch die Abmahnung - in Abrede gestellt. Es genüge daher nicht, daß der Meldungsleger nur ganz allgemein bezeuge, daß eine Abmahnung erfolgt sei, sondern es müßte aus seinen Angaben auch zu entnehmen sein, mit welchen Worten diese Abmahnung erfolgt sei.
2.3.2. Wenn die Beschwerdeführerin aus dem von ihr zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes die Forderung ableitet, im Beschwerdefall hätte schon wegen der Bestreitung der der Beschwerdeführerin zur Last gelegten Verwaltungsübertretung festgestellt werden müssen, mit welchen Worten die Abmahnung durch den Meldungsleger erfolgt sei, so kann der Beschwerdeführerin dabei nicht gefolgt werden. In dem von der Beschwerdeführerin genannten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof diesen Umstand nämlich nur dann gefordert, wenn vom Täter die Tatsache der Abmahnung in Abrede gestellt worden ist. Dies hat die Beschwerdeführerin jedoch weder anläßlich ihrer Vernehmung als Beschuldigte am 5. April 1990 noch in ihrer Berufung getan. Da im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof die Prüfung des angefochtenen Bescheides gemäß § 41 Abs. 1 VwGG ausschließlich auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes erfolgt, kann auf die erstmals in der Beschwerde aufgestellte Behauptung der fehlenden Abmahnung nicht Rücksicht genommen werden. Wenn die belangte Behörde daher den in dieser Hinsicht unbestrittenen Angaben des Meldungslegers folgte, wonach die Beschwerdeführerin mehrmals abgemahnt worden sei, ihr Verhalten einzustellen, so kann dies nicht als rechtswidrig erkannt werden.
2.4.1. Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bringt die Beschwerdeführerin im wesentlichen vor, die belangte Behörde hätte zum streitgegenständlichen Vorfall auch ihren Ehegatten und ihren Sohn sowie den Sohn der Nachbarin zeugenschaftlich einvernehmen müssen. Da die Beschwerdeführerin von einem "privaten Rachefeldzug" gesprochen habe, hätte zur Frage einer allfälligen Feindschaft zwischen den intervenierenden Beamten oder des gesamten Wachzimmers und der Beschwerdeführerin auch der in der Anzeige genannte Oberst D zeugenschaftlich einvernommen werden müssen. Die Begründung des angefochtenen Bescheides entspreche ferner nicht den Mindesterfordernissen des § 60 AVG 1950. 2.4.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unterliegt die Beweiswürdigung der belangten Behörde der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nur in der Richtung, ob der Sachverhalt genügend erhoben wurde und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig waren, d.h., ob sie unter anderem den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 13. November 1986, Zl. 85/16/0109).
Der Grundsatz der Amtswegigkeit des Verfahrens befreit auch den Beschuldigten nicht von der Verpflichtung, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen (vgl. das Erkenntnis vom 15. Dezember 1989, Zl. 85/18/0134). Die Mitwirkungspflicht des Beschuldigten im Strafverfahren erfordert es, seine Verantwortung nicht darauf zu beschränken, die ihm vorgehaltenen konkreten Erhebungsergebnisse für unrichtig zu erklären, ohne diesen Erhebungsergebnissen ebenso konkrete Behauptungen entgegenzusetzen und entsprechende Beweise anzubieten. Unterläßt der Beschuldigte dies, so bedeutet es keinen Verfahrensmangel, wenn die Behörde von amtswegen keine weiteren Beweiserhebungen durchführt (vgl. das Erkenntnis vom 17. September 1968, Zl. 398/64, VwSlg. 7400/A).
Aus § 13 a AVG 1950 läßt sich auch nicht die Verpflichtung der Behörde ableiten, den Beschuldigten (mag er auch im Verfahren nicht vertreten sein) zur Stellung von geeigneten Beweisanträgen anzuleiten (vgl. das Erkenntnis vom 18. Oktober 1989, Zl. 89/02/0087).
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie bereits auf Grund der Anzeige des Meldungslegers und seiner Stellungnahme und der Angaben der Beschwerdeführerin den Sachverhalt für genügend ermittelt erachtete. Hat die Beschwerdeführerin doch selbst anläßlich ihrer Vernehmung am 5. April 1990 angegeben, sie sei aus dem Haus "gestürzt", wobei sie in der Folge zu einem "Wortwechsel" mit dem einschreitenden Beamten gekommen ist, an den sie sich allerdings Wort für Wort nicht mehr erinnern könne. Dabei hat die Beschwerdeführerin ferner angegeben, sich derart aufgeregt zu haben, daß ihr Mann sie sogar beruhigen wollte. Im übrigen ist von der Beschwerdeführerin nie in Abrede gestellt worden, daß die Sicherheitswachebeamten nicht etwa zu Recht wegen vorschriftswidrig abgestellter Personenkraftwagen eingeschritten sind. Für die belangte Behörde bestand deshalb keine Veranlassung, dem von der Beschwerdeführerin - auch in der Beschwerde ohne nähere Erklärung - gebrauchten Begriff des "Privatkrieges" nachzugehen.
Wenn die belangte Behörde daher in ihrer Begründung auf Grund der vorliegenden Beweismittel zu der Überzeugung gelangte, daß die Angaben der zeugenschaftlich vernommenen Beamten den Tatsachen entsprechen, so kann darin kein Verstoß gegen die Begründungspflicht der Behörde erblickt werden.
2.5.1. Die Beschwerdeführerin macht schließlich geltend, die Begründung des Strafausspruches entspreche nicht dem § 19 VStG Die Behörde genüge ihrer Begründungspflicht nicht schon dadurch, daß sie die im konkreten Fall rechtserheblichen Strafzumessungskriterien in ihre Erwägungen formal einbeziehe, sondern sie müsse darüberhinaus darlegen, aus welchen Erwägungen sie unter Zugrundelegung dieser Strafzumessungskriterien die konkrete Tat innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens hinsichtlich Straftat und Strafausmaß gerade so werte, wie dies im Spruch zum Ausdruck komme. Die belangte Behörde habe insbesondere nicht dargelegt, warum sie trotz Feststellung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Beschwerdeführerin (kein Einkommen, kein Vermögen und keine Sorgepflichten) finde, mit der Mindeststrafe nicht das Auslagen zu finden.
2.5.2. Zur Strafbemessung hat die belangte Behörde in der Begrüdnung ihres Bescheides folgendes ausgeführt:
"Bei der Strafbemessung war einerseits von den gesetzlichen Strafobergrenzen, d.s. jeweils 3000 S, und andererseits von der Schädigung der Interessen, deren Schutz die Strafdrohungen dienen, auszugehen. Nun waren diese Interessen, nämlich einerseites die Aufrechterhaltung der Ordnung an einem öffentlichen Ort und andererseits die ordnungsgemäße Durchführung einer Amtshandlung (hier im Dienste der Straßenaufsicht), durch das Verhalten der Berufungswerberin nicht unwesentlich geschädigt. Unter Berücksichtigung der Strafrahmen, des nicht unbeträchtlichen Unrechtsgehalts der Taten sowie des nicht geringfügigen Verschuldens der Berufungswerberin erscheinen aber die von der Erstbehörde ohnehin nicht allzu hoch bemessenen Geldstrafen auch im Hinblick auf die ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnisse der Berufungswerberin und des Umstandes, daß sie keine einschlägige Vormerkung aufzuweisen hat, als angemessen. Mildernde Umstände konnten nicht festgestellt werden."
Nach Auffassung des Gerichtshofes hat die belangte Behörde damit in ausreichendem Maße die für die Strafzumessung maßgeblichen Umstände und Erwägungen dargelegt. Daß mangels Einkommens und Vermögens unbedingt jeweils die Mindeststrafe verhängt werden müsse, kann dem Gesetz nicht entnommen werden.
2.6. Auf Grund dieser Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
2.7. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. 1991/104, deren Art. III Abs. 2 zur Anwendung kam.
Schlagworte
Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Offizialmaxime Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht VwRallg10/1/1Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung MitwirkungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990100215.X00Im RIS seit
03.12.2001Zuletzt aktualisiert am
17.05.2009