TE Vwgh Erkenntnis 1991/4/4 88/05/0085

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Veröffentlicht am 04.04.1991
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82000 Bauordnung;
L82009 Bauordnung Wien;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

BauO Wr §129 Abs10;
BauRallg;
VVG §4 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde

1) des EN, 2) der AN und 3) der GN gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 11. Jänner 1988, Zl. MA 64-B 49/85, betreffend einen Auftrag zur Vorauszahlung der Kosten der Vollstreckung in einer Bausache, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von ingesamt S 11.780,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Wiener Magistrates vom 3. April 1985 wurde den Beschwerdeführern der Auftrag erteilt, gemäß § 4 Abs. 2 VVG 1950 die voraussichtlichen Kosten einer Ersatzvornahme im Betrage von S 110.000,-- zu zahlen. Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufungen der Beschwerdeführer ab. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, daß dem baupolizeilichen Beseitigungsauftrag vom 25. Oktober 1963 bisher nicht entsprochen worden und daher zu Recht das Vollstreckungsverfahren einzuleiten gewesen sei. Nachdem den Beschwerdeführern mit Verfahrensanordnung vom 12. März 1982 die Ersatzvornahme angedroht worden sei, sei mit dem erstinstanzlichen Bescheid nunmehr ein Kostenvorauszahlungsauftrag erlassen worden. Die belangte Behörde setzte sich in der Begründung auch mit dem Vorbringen der Beschwerdeführer auseinander, daß für das zu beseitigende Gebäude in Wahrheit eine Baubewilligung vorliege. In diesem Zusammenhang stellte die Berufungsbehörde fest, daß der an die Beschwerdeführer gerichtete baupolizeiliche Auftrag vom 25. Oktober 1963 in Rechtskraft erwachsen sei. Mit einem Bescheid des Wiener Magistrates vom 17. Jänner 1964 sei eine nachträgliche Baubewilligung gemäß § 71 der Bauordnung für Wien (BO) für einen Zeitraum von fünf Jahren erteilt worden. Da jedoch kein Antrag auf Fristverlängerung gestellt worden sei, sei diese Bewilligung abgelaufen. Spätere Anträge um Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung hätten deshalb zurückgewiesen werden müssen, weil die zur Erlangung der Baubewilligung erforderliche Zustimmung von der Grundmiteigentümerin Stadt Wien nach wie vor verweigert werde. Da die Baubewilligung gemäß § 71 BO durch Zeitablauf erloschen sei und die nachträglichen Bauansuchen zurückgewiesen worden seien, sei eine Unzulässigkeit der Vollstreckung des Auftrages zur Beseitigung des nunmehr konsenslosen Baues nicht gegeben.

In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragen die Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Mit dem auf Verwaltungsebene durchgeführten Vollstreckungsverfahren soll der baupolizeiliche Beseitigungsauftrag vom 25. Oktober 1963 exekutiert werden. Der Spruch dieses baupolizeilichen Auftrages wurde im erstinstanzlichen Kostenvorauszahlungsauftrag wie folgt wiedergegeben:

"Die auf der Liegenschaft Wien 21., verlängerte X-Gasse, Gst. Nr. nn/1 Ac, EZ. nn des Grundbuches der Kat.Gem. Z, ohne baubehördliche Bewilligung errichtete Baulichkeit und zwar das ca. 90 m hinter dem Y-Weg gelegene ebenerdige, in Massivbauweise errichtete Wohn- und Werkstättengebäude mit einer bebauten Fläche von ca. 34 x 10 m, innerhalb einer Frist von 12 Monaten nach Rechtskraft des Bescheides abtragen zulassen.

Dieser Auftrag gilt nicht, wenn innerhalb derselben Frist unter Vorlage von Plänen, der Fluchtlinienbekanntgabe und des Grundbuchsauszuges um nachträgliche Baubewilligung angesucht und diese in der Folge auch erwirkt wird."

Die im Spruch dieses baupolizeilichen Auftrages vorgesehene Alternative kann nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes schon nach ihrer sprachlichen Fassung nur so verstanden werden, daß der baupolizeiliche Beseitigungsauftrag nicht mehr rechtswirksam ist, wenn eine nachträgliche Baubewilligung erteilt wird. Nun hat aber die belangte Behörde selbst in der Begründung ihres Bescheides dargetan, daß mit Bescheid des Wiener Magistrats vom 17. Jänner 1964 eine nachträgliche Baubewilligung erteilt worden ist. Zu Recht verweisen die Beschwerdeführer darauf, daß bei einer solchen Situation mit der Erteilung dieser Baubewilligung der Bescheid vom 25. Oktober 1963 außer Kraft getreten ist.

Die Bemerkung der belangten Behörde, daß die erteilte Baubewilligung nur für einen Zeitraum von fünf Jahren erteilt worden sei, ändert nichts daran, daß eine nachträgliche Baubewilligung erteilt wurde, durch die der baupolizeiliche Beseitigungsauftrag entsprechend seiner wiedergegebenen sprachlichen Fassung nicht mehr "gilt". Wenn die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides darauf verweist, daß Anträge der Beschwerdeführer um eine nachträgliche Baubewilligung zurückgewiesen worden seien, also offensichtlich für das bestehende Gebäude nach den Ausführungen der belangten Behörde eine Baubewilligung nicht vorliegt, so kann dies dazu führen, daß die Baubehörde mit der Erlassung eines weiteren baupolizeilichen Auftrages im Sinne des § 129 Abs. 10 BO vorzugehen hat, um ihrer gesetzlichen Verpflichtung auf Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen nachzukommen. In einem solchen Verfahren wäre auch das Vorbringen der Beschwerdeführer, in Wahrheit sei eine baubehördliche Bewilligung schon vor Jahrzehnten erteilt worden, näher zu prüfen.

Wenn die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift darauf verweist, daß im Zuge des Berufungsverfahrens auf Grund der Stellungnahme einer Dienststelle des Wiener Magistrates irrtümlich davon ausgegangen worden sei, daß die mit Bescheid vom 17. Jänner 1964 erteilte Baubewilligung jenes Gebäude betroffen habe, welches Gegenstand des Beseitigungsauftrages war, in Wahrheit aber mit dieser Baubewilligung ein anderes Gebäude, nämlich ein Lagergebäude, bewilligt worden sei, so kann dies im Beschwerdefall zu keiner anderen Entscheidung führen. Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides ist nämlich die belangte Behörde davon ausgegangen, daß die nachträgliche Baubewilligung vom 17. Jänner 1964 jenes Gebäude betroffen hat, welches Gegenstand des baupolizeilichen Beseitigungsauftrages vom 25. Oktober 1963 war. Da der Verwaltungsgerichtshof bei Bescheidbeschwerden grundsätzlich von jener Sachlage auszugehen hat, die die belangte Behörde als erwiesen angenommen hat, war das Vorbringen der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift als eine im Sinne des § 41 Abs. 1 VwGG unzulässige Neuerung nicht zu beachten. Sollte freilich die genannte Baubewilligung tatsächlich ein anderes Gebäude zum Gegenstand haben, so müßte dies im fortgesetzten Verfahren auf Verwaltungsebene berücksichtigt werden; in einem solchen Fall könnte ja nicht davon ausgegangen werden, daß der baupolizeiliche Beseitigungsauftrag vom 25. Oktober 1963 nicht mehr dem Rechtsbestand angehört.

Unter Zugrundelegung der Sachverhaltsannahme der belangten Behörde erweist sich der angefochtene Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet, weil der genannte Beseitigungsauftrag zu Unrecht als rechtswirksam beurteilt worden ist, was eine Vollstreckung im Sinne des § 10 Abs. 2 lit. a VVG 1950 unzulässig macht. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage erübrigte sich eine nähere Auseinandersetzung mit dem weiteren Beschwerdevorbringen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG sowie auf die Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Allgemein BauRallg9/1 Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1988050085.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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